Alex Stober im tennisnet-Interview, Teil 2: „Mit Dominic Thiem war es eine tolle Reise“

Alex Stober hat als Physiotherapeut mit einigen Allzeitgrößen des Tennissports gearbeitet: Michael Stich, Pete Sampras, Gustavo Kuerten, Andre Agassi, Angelique Kerber oder zuletzt mit Dominic Thiem. Im zweiten Teil des Interviews erinnert sich Stober auf die Stimmung im Team von Li Na, den jungen Dominic Thiem und lobt Rafael Nadal und Novak Djokovic.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 15.03.2022, 14:51 Uhr

Lange Jahre ein Erfolgstrio: Alex Stober, Günter Bresnik, Dominic Thiem
© GEPA Pictures
Lange Jahre ein Erfolgstrio: Alex Stober, Günter Bresnik, Dominic Thiem

tennisnet: Herr Stober. Eine ganz besondere Erfolgsgeschichte in Ihrer Vita war jene mit Li Na.

Alex Stober: Zu ihr bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Ich musste eine Zwangspause einlegen, weil Tommy Haas sich schwer an der Hüfte verletzt hatte. Der damalige Coach von Li Na hat mich angerufen und mich gefragt, ob ich bereit wäre, ihr zu helfen. Na: Warum nicht? Es hat sich dann schnell herausgestellt, dass das eine unheimlich interessante Aufgabe werden würde. Die Herausforderung war auch groß, vor allem mit ihrem Kniegelenk: Da gab es Knorpelschäden, herum operiert wurde auch schon. Li Na ist eine extrem interessante Frau, unfassbar diszipliniert - und sie hat auch sehr viel Respekt vor uns Physiotherapeuten und die westlichen Kollegen im allgemeinen. Weil wir sehr professionell gearbeitet haben. Mir hat auch gefallen, wie ehrgeizig sie war. Das kannte ich von den Frauen bis dahin gar nicht. Wenn Li Na auf den Platz gegangen ist, hat sie alles gegeben. Aber die Therapien waren für sie komplettes Neuland. Sie hat mir erzählt, dass sie davor immer 15 bis 20 Minuten pro Tag behandelt worden ist. Bei mir waren das nie weniger als zwei Stunden. Sie hat sich toll entwickelt, musste in den fünf Jahren, in denen wir gemeinsam gearbeitet haben, nie wegen Verletzungen rausziehen. Wir haben bis heute immer noch regelmäßig Kontakt, da ist eine richtige Freundschaft gewachsen. Sie war auch sehr stur, hat ihren eigenen Kopf gehabt. Aber wenn es darauf angekommen ist, dann war sie voll da.

tennisnet: Die Erfolge haben sich ja auch eingestellt.

Stober: Mich hat es persönlich wahnsinnig stolz gemacht, dass ich ein Teil davon sein durfte, dass sie als erste und bislang einzige Chinesin ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Sogar zwei. Das hat nicht nur Li Na, sondern auch das Tennis in China geprägt.

tennisnet: Interessant war bei Li Na auch immer die Kommunikation mit ihrem Trainer und späteren Ehemann. Wie sind Sie damit umgegangen?

Stober: Das war eine sehr interessante Konstellation. Aber man muss sich vor Augen halten: Die beiden kennen sich, seit sie 16 Jahre alt waren. Seitdem sind sie Tag und Nacht zusammen gewesen. Ehemann, Hitting Partner und Coach - da fliegen natürlich ab und zu die Fetzen. Man hört einander auch nicht mehr zu. Das ist normal. Ich war oft der Schlichter zwischen den beiden, musste sie wieder zusammenführen, damit sie auf der Tour erfolgreich waren. Man hatte ja keine andere Möglichkeit. Es gab Phasen, wo sich die beiden tagelang nicht unterhalten, aber: Ende gut, alles gut. Jetzt sind die beiden verheiratet und haben zwei Kinder.

"Andre Agassi ist ein extrem positiver Mensch"

tennisnet: Wenn Sie sagen, dass Li Na Ihnen großen Respekt entgegengebracht hat - gab es auch SpielerInnen, bei denen Ihnen dieses Gefühl abgegangen ist?

Stober: Ganz klar: Hab ich gehabt. Wenn ich so etwas gespürt habe, dann ist daraus keine langfristige Zusammenarbeit entstanden.

tennisnet: Eine Mann, den Sie auch betreut haben, war Andre Agassi. Allerdings erst in der Spätphase seiner Karriere. Zu spät?

Stober: Andre ist ein extrem positiver Mensch, immer gut gelaunt, das spürt man auch, wenn man in seiner Gegenwart ist. Aber ich bin leider relativ eingestiegen. Da waren seine Probleme mit der Wirbelsäule, unterer Rückenbereich, Hüfte schon so weit fortgeschritten, dass ich eigentlich nur noch Pflege betreiben konnte. Aber die Zeit, die ich mit ihm hatte, war großartig. Ein toller Mensch, fürsorglich, interessant. Tolle Gespräche, tolle Denkweise, gerade was diesen Sport angeht. Und mit Steffi und Andre haben wir eine sehr schöne Gemeinschaft gehabt, die nur zu spät begonnen hat.

tennisnet: Geht es nach der Länge ihrer Wirkungsphasen, dann dürfte aber Dominic Thiem auf dieser Liste ganz oben stehen. Hat einer der spannenden Punkte auch darin bestanden, gerade auch die körperliche Entwicklung von Thiem über die Jahre zu begleiten und zu beobachten?

Stober: Mit Sicherheit. Der treibende Pol war ja immer Günter Bresnik, der mich immer wieder kontaktiert hat. Ich habe Günter ein, zwei Körbe gegeben, aber irgendwann hat er mich rumbekommen. Als ich mit Dominic begonnen habe, war der noch überhaupt nicht strukturiert. Er hat ein unglaubliches Trainingspensum abgespult, viele Stunden auf dem Platz. Dementsprechend war sein Körper auch beinander. Und er kannte diese Art von Behandlungen noch gar nicht. Wir haben bei Ground Zero begonnen. Wir haben versucht, ihn geschmeidig zu machen. Die Muskulatur war verhärtet, verkürzt. Eigentlich ein Wunder, dass Dominic in dieser Phase nicht öfter verletzt war. Dominic ist aber immer fitter, strukturierter geworden, die Erfolge sind gekommen. Es war eine ganz tolle Reise mit ihm. Ich kann nur Positives über diese Zeit sagen. Weil es auch viel Spaß gemacht hat.

"Novak Djokovic hat eine komplett neue Messlatte gesetzt"

tennisnet: Sollten junge SpielerInnen generell früher mit Physiotherapeuten arbeiten?

Stober: Die Verbände haben schon ihre Leute, das sieht man ja auch beim Davis Cup. Aber im Fall von Dominic war es ja so, dass er in der Obhut von Günter war. Und eine gewisse Distanz zum ÖTV gehabt hat.

tennisnet: Ein Mann, den Sie natürlich auch über lange Jahre beobachtet haben, ist Rafael Nadal, der zu Beginn 2022 nach einer langen Verletzungspause die Australian Open gewonnen hat. Was hat Sie an dieser Leistung am meisten überrascht?

Stober: Wir haben ja alle Rafas Probleme mitbekommen, inklusive Covid-Infektion, die er vom Schaukampf in Abu Dhabi mitgenommen hat. er ist sicherlich nicht optimal vorbereitet nach Australien gereist. Ich weiß nicht, ob er noch Probleme mit seinem Fußwurzel-Knochen hatte. Für mich war es aber phänomenal zu sehen, wie jemand sich mit einem dermaßen offensichtlichen Siegeswillen durchbeißen kann. Nadal hat sicherlich sein Bestes gegeben, aber nicht sein bestes Tennis gespielt. Er hat versucht, eine gesunde Mixtur in sein Spiel zu bringen. Letztendlich hat der Kopf gewonnen und nicht der Körper. Der Kopf, der Wille waren grenzenlos. Faszinierend. Einfach Wahnsinn. Werbung für den Tennissport.

tennisnet: Und dann ist da noch ein Mann, der in Australien und jetzt auch in Indian Wells und Miami nicht mitmachen durfte bzw. darf: Novak Djokovic. Haben Sie während Ihrer Karriere schon einmal einen Spieler gesehen, der dermaßen beweglich auf dem Court ist?

Stober: Djokovic hat eine komplett neue Messlatte gesetzt. ich reiße meine Augen auf, wenn ich sehe, wie ihn seine Betreuer durch die Gegend bewegen. Da kann man sich ja vorstellen, wie viel Zeit dahinter steckt, den Körper an diesen Punkt zu bringen. Da ist ja auch eine interessante Philosophie dahinter: Die denken wahrscheinlich, wenn man einen Körper dermaßen ausdehnt, kann man einen Muskel in Form einer Zerrung gar nicht mehr verletzen, weil der endgradig gedehnt ist. Djokovic fährt gut damit und ist eigentlich nie verletzt. Was die Tour anbelangt, ist Djokovic in dieser Hinsicht einzigartig.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Alex Stober!

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