Alexander Zverev nach Aus in Barcelona: Gefangen in der Abwärtsspirale

Die Krise von Alexander Zverev setzte sich auch in Barcelona fort, wo der Weltmeister ohne Mut und Selbstvertrauen auftrat.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 24.04.2019, 09:16 Uhr

Alexander Zverev
Alexander Zverev

Als Boris Becker kürzlich einen Abstecher zum Stuttgarter Tennis-Bundesleistungszentrum unternahm, fand er am Rande seines Besuchs auch ein paar warme Worte für seinen besten Mann im Herrentennis – für Alexander Zverev.

„99,9 Prozent“ träumten von jenem Weltmeister-Titel, den Zverev 2018 errungen habe, sagte Becker der Stuttgarter Zeitungsgruppe, überhaupt sei er erstaunt, „was die deutsche Öffentlichkeit als Erfolg oder Misserfolg definiert.“ Und dann fügte Becker noch hinzu, Zverev sei „der mit Abstand beste Spieler seiner Generation… das alles ist erst mal hervorragend.“

Becker sagte es in einem Moment, da Zverev schon in der ersten größeren Krise nicht nur dieser Saison, sondern seiner Profikarriere überhaupt steckte. Einer Krise, die sich am Dienstag nach Ostern akut noch verschärfte, durch ein Auftakt-Aus gegen den Chilenen Jarry in Barcelona. Zverev vergab sogar einen Matchball, bevor sein Ausflug nach Katalonien bitter im Tiebreak des dritten Satzes endete, nach einer 3:0-Führung in diesem Lotteriespiel.

Zverev ohne Selbstvertrauen und Courage

Man konnte Becker, den Patriarchen, bei seiner Einrede für Zverev natürlich verstehen. Er ist sozusagen der Abteilungsleiter des deutschen Herrentennis, der zentrale Funktionär und auch Chefdiplomat. Er braucht Zverev für die deutsche Nationalmannschaft, für die Davis-Cup-Auftritte. Er braucht eine harmonische Stimmungslage, zwischen DTB und Zverev – und sich selbst. Becker hätte dieses Interview auch ganz anders bestreiten können, er hätte sagen können, dass einer wie Zverev eben auch mit harter Kritik leben muss, weil er eben mit großen, herausragenden Talenten ausgestattet ist.

Und er hätte darauf verweisen können, wie das damals bei ihm selbst war, bei Becker – in den 80er- und 90er-Jahren, als viele auf seine Niederlagen lauerten, um ihn an den Pranger des Gescheiterten zu stellen. Gegen die Kritik, die Becker damals bei allen möglichen und unmöglichen Vorgängen ins Gesicht brauste, nimmt sich die Betrachtung von Zverevs Misserfolgen immer noch wie ein laues Lüftchen aus. Verlor Becker, war es oft genug eine Staatsaffäre, sogar noch in seinen Teenager-Jahren.

Zverev, es war auch bei seinem jüngsten missglückten Auftritt zu erkennen, spielt zur Zeit ohne Selbstvertrauen und Courage. Er wartet, was sein Gegner tut, er wartet auf Fehler des Anderen – statt selbst die Initiative zu ergreifen und Sturm und Drang zu zeigen. Lange Zeit tat ihm der Chilene Jarry in Barcelona sogar den Gefallen, viele Fehler zu machen. Aber als sich sein Rivale dann berappelte, hatte Zverev viel Glück, überhaupt zu einem Matchball und noch einmal in den Tiebreak zu kommen. 

Sascha nur auf Rang 21 im Race

Auch ein Sieg hätte kaum die Zweifel vertrieben, die an dem gebürtigen Hamburger nagen. Die Zweifel, warum es im Moment nicht mehr klappt, warum das Selbstverständliche gerade nicht mehr selbstverständlich ist. In der Jahresbestenliste, dem „Race to London“, zur ATP-WM, rangiert der Titelverteidiger aktuell auf Platz 21 – nach der Barcelona-Woche wird er wahrscheinlich noch ein wenig zurückfallen. Die Platzierung ist ehrlich, Zverev steht zwar noch wegen der Punktgewinne aus der Vorsaison auf Position 3 der Weltrangliste, aber Top-5- oder Top-Ten-Tennis spielt er in diesem heiklen Jahr nicht. Der einzige Lichtblick war bisher eine Finalteilnahme beim Turnier in Acapulco, aber auf den sonstigen größeren Bühnen war er oft genug nur eine Randerscheinung. Pech kam auch noch hinzu für den Unglücklichen, während der Amerika-Tour im Februar und März handelte er sich eine Viruserkrankung ein, verlor stark an Gewicht.

Und nun haben die Auftritte und Aussagen Zverevs einen traurigen Wiedererkennungseffekt. Zwei Mal buchte sich der Deutsche noch Last Minute bei Turnieren ein, um die dringend benötigte Spielpraxis und Matchhärte zu bekommen, aber was er bekam, waren frustrierend frühe Abschiede – erst in Marrakesch, nun auch in Barcelona. Die nächste Hoffnung Zverevs ruht ab nächster Woche auf den BMW Open in München, also auf jenem Turnier, das er 2017 und 2018 gewann. Titelverteidigung, Titel-Hattrick, es wäre ein verrückter Dreh der Geschichte, einer jener verrückten Drehs, für die Zverevs Mentor Becker früher bekannt war.

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von Jörg Allmeroth

Mittwoch
24.04.2019, 10:07 Uhr
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