Günter Bresnik über Dominic Thiem – „Es kann nicht immer nur bergauf gehen“

Der Headcoach des Shootingstars hätte schon heuer mit einem Dämpfer gerechnet. Und erwarte in Wien „eigentlich gar nichts“.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 14.09.2016, 18:49 Uhr

Dominic Thiem - Günter Bresnik

Nach seinerverletzungsbedingten Aufgabe im US-Open-Achtelfinale– Blasen an den Füßen hatten eine Fehlbelastung und starke Knieschmerzen verursacht – hat sichDominic Thiemin den letzten Tagennach Herzogenaurach in Bayern zu adidas und zu einem Einlagen-Macher nach Israel begeben, um Schuhe und Einlagen wieder perfekt aufeinander abzustimmen. Am Mittwoch fand sich Österreichs Jungstar dann in Wienbei einer Pressekonferenz zu den Erste Bank Open 500 in der Stadthalleein. tennisnet.com und weitere Medien baten am Rande von dieser den ebenso anwesenden Headcoach und Manager des Niederösterreichers, Startrainer Günter Bresnik, zum Interview. In dem dieser von den Erkenntnissen der letzten Tage ebenso erzählte wie von jenen dieser Saison, die seinen Schützling in die Top Ten der Welt gebracht hat. Dennoch erwarte er vom 23-Jährigen beim Heimspiel beim ATP-World-Tour-500-Event in Wien „eigentlich gar nichts“. Hier die Aufzeichnung des Gesprächs.

Günter, wie geht es Dominic? Du wolltest mit ihm eigentlich am Montag und Dienstag in Israel schon wieder trainieren. Ist das möglich gewesen?

Er hat schon ein bisschen gespielt, aber nicht wirklich trainiert – nicht deshalb, weil er verletzt gewesen wäre, aber weil es dort unten einfach so heiß war. Wir haben um 7 Uhr in der Früh begonnen, aber dort hat es halt 40 Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Von Mai bis September kann man in Israel als Spitzensportler eigentlich nicht trainieren. Und dann waren eben auch noch andere Geschichten zu tun: Er musste in eine Firma fahren wegen dieser Einlagen. Der Einlagen-Macher hat einen Sitz in New York und einen eben in Israel, in Savyon, das ist ein Vorort von Tel Aviv.

Was ist dabei herausgekommen?

Dominic war am Freitag bei adidas, dort wurde das mit den Schuhen nochmal abgeklärt. Und es muss halt jemand die Schuhe auf die Einlagen anpassen oder umgekehrt. Über die Schuhe konnte man sich auch vorher nicht beschweren, für mich ist der Fehler nur gewesen, dass er zwei Tage vorm Turnier komplett neue Schuhe gekriegt hat. Nachdem die Firmen die Schuhe immer anlässlich eines Grand-Slam-Turniers präsentieren, kriegt man sie vorher natürlich nicht. Und daher kann man sie nicht eingehen, nicht einspielen – gar nichts.

Ist das etwas, das künftig vielleicht geändert werden sollte?

Bei den Schuhen ist das jetzt geändert worden. Das habe ich dort deponiert, und Dominic wird nächstes Jahr wahrscheinlich durchgehend das gleiche Modell spielen. Von mir aus in verschiedenen Farben, aber es gibt keine Adaptierungen – dass vorne ein bisschen verstärkt wird oder erhöht wird oder so, auch nicht einen halben Millimeter mehr oder weniger. Wenn du nur zwei Tage zum Einspielen hast, ist die Wahrscheinlichkeit natürlich vorhanden, dass die Blase groß wird. Dann spielst du ein langes Match, gleich mal fünf Sätze, und sie ist da.

Haben sich diese Probleme mit den Füßen vielleicht auch durch das verstärkte Rutschen auf Hardcourt, das in den letzten Jahren ja zur Mode geworden ist, verstärkt?

Man braucht sich nur die Füße von Djokovic anschauen – wie die aussehen, ist ein Wahnsinn. Und die pflegen aber ihre Füße! Da ist ein jeder Physiotherapeut auch ein Fußpfleger. Die Belastung ist für die Füße der Sportler auf Hartplatz enorm. Wenn sie so schwitzen, dann fängt alles drinnen zu schwimmen an, da kannst du nichts mehr machen. Man zieht zwei Socken an, wechselt sie ständig, aber diese Probleme kannst du halt nicht komplett vermeiden.

Wie sieht der Vorausblick auf die restliche Saison aus deiner Sicht aus? Was erwartest du dir von Dominic, mit der Ausgangslage?

Ich hoffe, dass er einfach wieder gut spielt. Metz ist jetzt ein Turnier, das – im Verhältnis zu Wien, wenn man sich die Besetzung der beiden Turniere anschaut – lächerlich ist. In Wien kann man wirklich gegen jeden, der nicht gesetzt ist, auch problemlos verlieren. Das sind alles Leute, die schon Finals gespielt haben. Ich weiß nicht, wie viele Spieler dabei sind, die noch kein Turnier gewonnen haben(nur JungstarLucas Pouille, 2016 Wimbledon- und US-Open-Viertelfinalist; Anmerkung), die kann man an einer Hand abzählen. Das sind keine Turniere, bei denen man prognostizieren kann, wie weit er kommt. Da spielt man in der ersten Runde gegenKarlovicund darf sich nicht wundern, wenn man den Hut nehmen muss. Auf der anderen Seite kann man, wenn man einen Lauf hat, auch in ein Semifinale kommen. Aber diese ganze Rechnerei hinsichtlich Masters, die gibt es für mich nicht. Er spielt heuer noch fünf Turniere, und wenn es dann am Ende dafür reicht, ist es schön. Ich gehe nicht davon aus, wenn ich ehrlich bin.

Warum nicht?

Weil da Leute wie einNadaloderCilicsind, die auf jenen Plätzen stehen, auf die er rausfallen könnte und die gleich wieder vor ihm sein können. Auch einTsonga. Das ist ein Spieler, der einfach Paris-Bercy am Jahresende gewinnt, 1000 Punkte macht und dann plötzlich 300, 400 Punkte vor einem steht.

In den letzten Jahren ist es für Dominic in Wien ja nicht nach Wunsch gelaufen. Was macht dich optimistisch, dass es heuer besser laufen könnte?

Gar nichts, eigentlich. Wenn du dir das Feld anschaust, ist es nicht wahrscheinlicher, dass er jetzt besser abschließt. Gegen einenJerzy Janowiczwie im Vorjahr, gegen den möchte kein Mensch auf der Welt spielen – weder erste Runde, noch letzte Runde. Man muss jedenfalls immer erst die Auslosung abwarten. Sicher ist es wichtig, wie er davor spielt, er hat ja davor noch drei Turniere. Wenn er jetzt irgendwo wieder Fahrt aufnimmt, was sein Selbstvertrauen anbelangt… dann ist von einer Erstrunden-Niederlage bis zu einem Semifinale alles möglich.

Hast du in der Wiener Stadthalle schon mal ein besseres Feld erlebt?

Nein, besser sicher nicht. 34 Cut-off bei einem 32er-Raster – das siehst du sehr, sehr selten. Basel kauft halt die ganzen Top-Stars vorne zu extremen Summen ein, hat einen Drei-Jahres-Vertrag mit Nadal,Federer fällt heuer leider komplett aus, auchWawrinkaspielt normal, aber Wien ist auch mitMurray, der für mich im letzten halben Jahr sicherlich der beste Spieler war, sehr, sehr stark besetzt.

… und vor allem auch dahinter. Da kann man den Veranstaltern wohl nur ein großes Kompliment aussprechen, oder?

Definitiv. Vor allem für den Mut, dass man überhaupt die Lizenz für ein 500er-Turnier kauft. Denn wirtschaftlich ist das, glaube ich, eine Gratwanderung. Da muss man schon gute Nerven haben, wenn man sich das antut.

Wenn du Dominics Saison Revue passieren lässt: Gibt es irgendwas, wo du sagst, „Das machen wir nächstes Jahr nicht mehr“ oder „Das verändern wir dahingehend“?

Wenn ich ehrlich bin, dann wünsche ich mir, dass alles im nächsten Jahr wieder so verläuft wie heuer, dann wäre ich happy.(lacht)Wenn mir einer sagt, er gewinnt wieder vier Turniere und spielt ein Semifinale bei den French Open und man zerbricht sich im September noch den Kopf, ob er es zum Masters schafft, dann sage ich: Das ist ein Traum! Und es ist nicht so, dass es immer nur so bergauf gehen kann. Das geht gar nicht. Ich hätte mir eigentlich heuer schon erwartet, dass es mal einen Dämpfer gibt. Wenn er sich zwischen Platz 15 und 20 festgesetzt hätte, wäre ich sehr zufrieden gewesen.

Dominic zählt sicher zu den Vielspielern auf der Tour. Ist es vielleicht anzudenken, den Fokus 2017 künftig noch mehr als ohnehin schon in Richtung der größeren Turniere zu verschieben?

Theoretisch, wenn er bei den 1000ern und 500ern so viele Matches zusammenbrächte wie bei den 250ern, dann wäre es eine Überlegung wert. Aber von dem kann ich ja nicht ausgehen. Da ist es wahrscheinlicher, dass man sich bei einem 250er gut hineinspielt als bei einem 500er wie hier in Wien, wo es halt von der ersten Runde weg nur schwere Gegner gibt. EinenMillmanbiegt er noch in fünf Sätzen(bei den US Open; Anmerkung)– aber wenn ihm nicht Millman, sondern Karlovic oderAndersongegenübersteht, dann gewinnt er es wahrscheinlich nicht. Und solche Sachen muss man eben auch immer mit einkalkulieren. Für Dominic ist es einfach wesentlich, dass er viele Matches hat. Und ich glaube, dass die Entwicklung eher in eine andere Richtung gehen wird.

Inwiefern?

Wenn du dir anschaust, wer bei den großen Turnieren gut gespielt hat, sind das durchwegs Spieler, die in der Woche davor gut gespielt haben. Die Leute glauben, dass es absurd wäre, in der Woche vor einem Grand-Slam-Turnier ein Turnier zu spielen. Aber zwei der Semifinalisten in Paris haben in der Woche davor ein Turnier gewonnen. Sie haben zwar beide nicht das Finale erreicht und man kann jetzt sagen, „Sie waren überspielt, weil sie in der Woche davor ein Turnier gespielt haben“, nur ist das ein Luxusproblem, wenn ich im Semifinale nicht mehr gewinne. Für mich hat auchCarreno Bustaausgezeichnet gespielt(Thiems Drittrunden-Gegner bei den US Open; Anmerkung), er hat auch in der Woche davor ein Turnier gewonnen, und da waren dann keine Anzeichen von irgendeiner Müdigkeit oder sonstigen Problemen. Sondern diese Leute spielen dann einfach richtig gut, weil sie in einem Fluss sind und Selbstvertrauen haben – das sind die unangenehmsten Gegner. Also glaube ich, dass von Trainerseite her künftig eher in die andere Richtung gedacht wird, statt immer zu glauben, dass man in der Woche vor einem Grand Slam nichts zu tun hat. Das konnten ein Sampras, ein Safin, ein Agassi und diese Leute machen, aber nicht der Rest.

Aufgezeichnet von Manuel Wachta.

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