tennisnet.com Kolumne

Magnus Norman – Der Vergessene unter den „Super-Coaches“

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 12.09.2016, 15:20 Uhr

Stan Wawrinka, Magnus Norman – French Open 2015

Was wurde in den letzten Jahren nicht alles geschrieben über die "Super-Coaches" auf der ATP-Tour: Boris Becker, Ivan Lendl, Stefan Edberg, Michael Chang, Goran Ivanisevic, Sergi Bruguera, Carlos Moya. Alles ehemalige Spieler, die mindestens ein Grand-Slam-Turnier gewonnen haben und ihre Schützlingen zu neuen Höchstleistungen trieben. Ein Name wurde dabei immer wieder vergessen - Magnus Norman, der Erfolgstrainer von Stan Wawrinka. Vielleicht liegt es daran, dass der Schwede kein Lautsprecher ist und sich lieber im Hintergrund aufhält. Vielleicht liegt es auch daran, dass Norman den Tennisfans nicht mehr so als Spieler bewusst ist, auch wenn er die Nummer zwei der Welt war und 2000 im French-Open-Finale stand.

Stan Wawrinka - Vom Mitläufer zum Titelhelden

Was der 40-Jährigen in den letzten zehn Jahren als Trainer geleistet hat, ist erstaunlich. Seit März 2013 ist Norman offiziell der Übungsleiter von Stan Wawrinka. Die Bilanz ist beeindruckend: Vor der Ära Norman hatte der Schweizer nur zwei Grand-Slam-Viertelfinals erreicht sowie nur drei seiner zehn ATP-Finals gewonnen. Die größten Erfolge sind schnell erzählt, alle im Jahr 2008: Top-Ten-Spieler für einige Wochen, die Finalteilnahme beim Masters-1000-Turnier in Rom sowie die Goldmedaille in Peking mit Roger Federer. Unter Norman blühte Wawrinka regelrecht auf. Aus dem pummelig wirkenden Stanislas wurde "Stan, the Man", das "Stanimal" oder auch "Iron Stan", wie der Schweizer nun immer wieder genannt wird. In den nunmehr dreieinhalb Jahren mit Norman als Coach an seiner Seite hat Wawrinka drei Grand-Slam-Titel gewonnen, im Finale jeweils gegen die aktuelle Nummer eins der Welt, sowie vier weitere Halbfinals und Viertelfinals bei den "Major"-Turnieren erreicht. Mit dem US-Open-Sieg hat er sich zudem zum vierten Mal in Folge für die ATP World Tour Finals qualifiziert. Hinzu kommt der Davis-Cup-Ttiel mit der Schweiz im Jahr 2014.

Zwar nimmt sich der Schweizer bei den regulären ATP-Turnieren immer wieder seine Auszeiten und scheitert oft kläglich, doch wenn es darauf ankommt, bei den Grand Slams und in Finalspielen, ist "Stan, the Man" immer voll da und spielt sein bestes Tennis. Der Sieg im US-Open-Endspiel gegen Novak Djokovic war sein elfter Finalsieg in Serie. Federer, sein Freund und Landsmann, hatte zu seinen Hoch-Zeiten 24 Finalsiege in Folge geschafft. Ohne den Einfluss von Norman wäre Wawrinka in den letzten Jahren wahrscheinlich nicht durchgestartet, denn wo der stille Schwede seine Finger im Spiel hat, ist Erfolg programmiert. Nachdem er seine Karriere früh wegen einer Hüft- und Knieverletzung beenden musste, wurde er Trainer seines Landsmannes Thomas Johansson.

Mit Robin Söderling in die Weltspitze

Anschließend übernahm er im Jahr 2009 das Amt bei Robin Söderling und führte ihn auf die Erfolgsspur. Der Schwede, der vorher nur ein Mitläufer auf der Tour war, startete unter dem Einfluss von Norman durch. Söderling erreichte 2009 bei den French Open, wo er Rafael Nadal die erste Niederlage zufügte, das Finale und wiederholte ein Jahr später dieses Kunststück. Es folgten der Masters-1000-Titel in Paris-Bercy sowie der Sprung auf Platz vier in der Weltrangliste. Wahrscheinlich wäre für Söderling noch der ganz große Wurf bei einem Grand-Slam-Turnier möglich gewesen, wenn er nicht im Sommer 2011 am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt wäre. Das Fortsetzen der Karriere war nicht mehr möglich. Söderling geht in die Geschichte ein als einer der wenigen Spieler, der sein letztes Match gewonnen hat, ja sogar sein letztes Turnier. Denn vor seiner Erkrankung hatte er im Juli 2011 auf eindrucksvolle Weise sein Heimturnier in Bastad gewonnen.

Norman ist nicht nur der Vergessene unter den "Super-Coaches", sondern wahrscheinlich auch der derzeit beste Tennistrainer der Welt. Denn der Schwede hat bewiesen, dass er mit vielen Spielern erfolgreich ist und aus seinen Schützlingen das Beste herausholt getreu dem Motto seiner Tennisakademie in Schweden: "Good to Great". Es ist eine Sache, das Amt bei einem bereits sehr erfolgreichen Spieler zu übernehmen, so wie es Becker, Edberg und Lendl getan haben, und es ist andere Sache, aus einem guten Spieler einen erfolgreichen Spieler zu machen. Genau das tut Norman seit dreieinhalb Jahren mit Wawrinka. Und dafür gehört ihm der allergrößte Respekt.

von Christian Albrecht Barschel

Montag
12.09.2016, 15:20 Uhr