Gute Leistung zu wenig – Milos Raonic beendet Dominic Thiems Super-Saison

Österreichs Nummer eins scheitert beim Debüt beim Saisonfinale in London letztlich in der Gruppenphase.

von Manuel Wachta
zuletzt bearbeitet: 17.11.2016, 00:00 Uhr

Dominic Thiem - Milos Raonic

Von Manuel Wachta aus London

Nach seiner 7:6-(10),-0:6,-2:6-Auftaktniederlage gegen den vierfachen Titelverteidiger Novak Djokovic (ATP 2) aus Serbien hatte er dank seines 6:3, 1:6, 6:4 gegen Publikumsliebling Gael Monfils (ATP 6) aus Frankreich in der Gruppe "Ivan Lendl" gar die Tür in Richtung Aufstieg aufgestoßen. Doch mit einem sensationellen Semifinal-Einzug bei seinem Debüt bei den ATP World Tour Finals ist es nun letztlich nichts geworden: Die Super-Saison von Dominic Thiem hat beim Masters der besten acht Mann dieses Jahres in der Londoner O2-Arena schließlich in der Gruppenphase ein Ende genommen. Hierfür verantwortlich zeichnete ein zu starker Milos Raonic : Der viertgesetzte, kanadische Aufschlaggigant (ATP 4) eliminierte den achtgelisteten Niederösterreicher (ATP 9) nach 90 Minuten Spielzeit mit 7:6 (5), 6:3 und buchte dadurch als Zweiter hinter dem ungeschlagenen Djokovic das Ticket für die Vorschlussrunde.

Die Chance auf mehr war da

Auf dem einmal mehr bestens gefüllten Centre Court im Osten von Englands Kapitale leistete Thiem speziell im ersten Satz eine Menge Gegenwehr. Bei den zwei engeren Aufschlaggames von Raonic fehlte dem Lichtenwörther auch ein wenig das nötige Spielglück, besonders als er bei 2:2 nach 15:30 bei 30:30 einen Return nahezu akrobatisch an die Grundlinie zurückspielte - der Linienrichter hatte diesen Ball zunächst "out" gesehen, korrigierte die Entscheidung, bei der Wiederholung knallte Raonic dann erbarmungslos ein Ass ins Feld und ließ einen Service-Winner folgen. Thiem hatte in Summe trotzdem mehr Mühe, seine Aufschlaggames zu halten, doch erzwang trotz sechs gewonnenen Punkten weniger (ohne dass es Breakchancen für einen der beiden Akteure gegeben hätte) ein Tiebreak. Und dort war weit mehr drin: Der Schützling von Günter Bresnik machte aus einem 0:2 ein 4:2 und hatte sogar die Chance aufs 5:2.

Thiem konnte bei diesem Stand allerdings aus aussichtsreicher Position mit der Vorhand nicht abschließen und schlug daraufhin eine Rückhand ins Seiten-Aus. Dafür sollte er die Rechnung bezahlen: Der mit 23 Jahren jüngste der Masters-Teilnehmer musste anschließend gleich zwei Asse nacheinander und einen Smash-Winner einstecken. Zwei Satzbälle für Raonic waren die Konsequenz - und den zweiten verwertete der Nordamerikaner durch sein elftes Ass im ersten Durchgang. Im zweiten musste Thiem sofort am Anfang seinen Aufschlag abgeben und geriet bei 0:2 und 15:40 in Gefahr, das gleich noch ein zweites Mal zu tun. Zwar zog er seinen Kopf hier nochmal aus der Schlinge, dies glückte bei 3:5, nachdem als Rückschläger nichts mehr zu holen gewesen war, jedoch nicht mehr - nach 30:0- und 40:30-Führung Thiems nützte Raonic seinen zweiten Matchball und durfte ob des Sprungs ins Halbfinale erleichtert aufatmen.

"Das ist der Unterschied zu einem Djokovic"

Thiem hätte eine Möglichkeit gehabt, als erster Österreicher überhaupt ins Masters-Semifinale im Einzel einzuziehen. Selbst Thomas Muster war das auf den damals weit zügigeren und ihm ganz und gar nicht entgegenkommenden Hallenbelägen in drei Versuchen nicht gelungen: Der im Einzel bis dato einzige Saisonfinale-Teilnehmer, Weltranglisten-Leader und Einzel-Grand-Slam-Gewinner (French Open 1995) seines Landes war 1990 (ein Sieg), 1995 (kein Sieg) und 1996 (ein Sieg) jeweils in der Gruppenphase gescheitert (1997 als Ersatzmann mit bloß einem Einsatz, wodurch er von vornherein keine Chancen gehabt hätte, ebenfalls). Allzu viel Trübsal blasen wollte Thiem ob dieser verpassten Gelegenheit freilich nicht - zumal "die Leistung, bis auf ein paar Sachen, wieder in Ordnung war." Das verlorene Tiebreak wollte er nicht lediglich auf seinen unnötigen Fehler bei 4:2 aufhängen: "Natürlich, nach dem Match erinnert man sich am ehesten daran. Aber das war, denke ich, einer von drei schlechten Punkten im Tiebreak."

Thiem ergänzte im deutschsprachigen Teil seiner Pressekonferenz: "Wenn ich jetzt einen oder zwei von den drei besser spiele, dann gewinne ich das wahrscheinlich. Das ist der Unterschied zu einem Djokovic, der's vor zwei Tagen dann beispielsweise relativ trocken heruntergespielt hat." Jetzt nach seinem letzten Saisonauftritt fühle er sich "ziemlich leer, aber nicht mehr oder weniger als nach einer anderen Niederlage." Mit seinem Abschneiden, das ihm immerhin 200 ATP-Zähler für den einen Erfolg in der Gruppenphase sowie insgesamt 358.000 US-Dollar (je 179.000 US-Dollar für die Qualifikation fürs Masters und den einen Matchtriumph) Preisgeld brachte, sowie mit seinen Leistungen in Summe zeigte er sich zufrieden: "Es war in Ordnung, finde ich." Man kann jedenfalls wohl davon ausgehen, dass man Thiem nicht zum letzten Mal in der O2-Arena aufschlagen gesehen haben wird...

von Manuel Wachta

Donnerstag
17.11.2016, 00:00 Uhr