Heldenhafter Kampf von Jürgen Melzer bringt Österreich das 2:2

Nach 0:2-Rückstand der ÖTV-Auswahl fällt eine Entscheidung in der Ukraine nun doch im fünften Match.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 17.07.2016, 12:33 Uhr

Jürgen Melzer

Bei den US Open im September 2015 hatte er sein letztes Best-of-five-Match bestritten. Nach seinerSchulteroperation Ende NovemberhatteJürgen Melzerseitdem bloß eine einzige Partie auf Turnierniveau spielen können – doch trotz dieser Voraussetzungen läuft die Rückkehr des Ex-Weltranglisten-Achten in die Davis-Cup-Auswahl großartig. Nach demglatten Doppelsieg vom Samstagmit dem VorarlbergerPhilipp Oswaldwar der Niederösterreicher in der zweiten Runde der Europa/Afrika-Zone Istatt seinem jüngeren Bruder Gerald im Eröffnungseinzel am Sonntag aufgestellt worden. Und dies machte sich bezahlt: Der 35-jährige Deutsch-Wagramer (ATP 414) hat fürs SIMACEK Austrian Davis Cup Team mit einem heldenhaften Kampf jetzt gar auf 2:2 gestellt. Der rot-weiß-rote Länderkampf-Rekordmann zwang die Nummer eins der Gastgeber,Illya Marchenko(ATP 84), in Bucha bei Kiev nach hartem, 4:07-stündigen Kampf bei hohen Temperaturen mit 3:6, 6:3, 3:6, 7:5, 6:3 in die Knie.Nach einem 0:2-Rückstandder Mannschaft von ÖTV-KapitänStefan Koubekfällt also die Entscheidung um den Aufstieg ins Play-off zur Weltgruppe der 16 besten Nationen doch beim fünften Spiel. Dort wird esDennis Novak(ATP 195) im Anschluss mitSergiy Stakhovsky(ATP 85) zu tun bekommen.

Zweimaligen Satzrückstand wettgemacht

Melzer hatte sich im Vorfeld dieser Davis-Cup-Begegnung für ein Einzelmatch über die volle Distanz noch nicht bereit gesehen. Nach dem so gelungenen Doppelauftritt, der zugleich auch jene Erkenntnis brachte, dass die Schulter den Belastungen wieder standhalten dürfte, riskierte man jedoch seinen Einsatz. Von Anfang an wurde dabei klar, dass Melzer so richtig die Zähne zusammenbeißen muss, will er den Ausgleich für Österreich schaffen: Nach über einer halben Stunde Spielzeit war immer noch erst das fünfte Game im Gang. Der heimische Routinier gab zum 2:4 zu null als Erster den Aufschlag her, breakte sofort zurück, nur um erneut das Service zum 3:5 zu verlieren. Im zweiten Satz erging es ihm dann besser: Nach anfänglichen Chancen für beide Seiten holte er sich das letztlich vorentscheidende Break zum 4:2. Den Schwung des Satzausgleiches nahm Melzer mit einem 10:0-Lauf in den dritten Durchgang mit. Nachdem er von 2:0 bzw. 0:30 als Rückschlager ausgehend aber nicht das Doppelbreak nachlegen konnte, drehte sich das Momentum durch Serviceverluste zum 2:2 und 3:5 mit einem Schlag wieder – Marchenko machte nach der Abwehr einer Breakmöglichkeit die 2:1-Satzführung perfekt und schien auf dem besten Weg, die ukrainischen Herren zum Sieg zu führen.

Auch bitteren Schiedsrichter-Fehler weggesteckt

Noch näher rückte dieser, als sich Melzer im vierten Abschnitt beim Stand von 1:1 schnell mit einem 0:40 konfrontiert sah. Österreichs zweitbester Spieler aller Zeiten packte allerdings alle seine Kämpferqualitäten zusammen, meisterte diese ganz heikle Situation und gab in weiterer Folge meistens wieder den Ton an. Doch zwei Breakchancen bei 2:1 und drei bei 4:3 und 0:40 blieben ungenützt. Genau genommen: die letzte dieser fünf eigentlich nicht, mit einem absolut falschen Overrule des Stuhlschiedsrichters „stahl“ ihm dieser jedoch geradezu sein Break zum 5:3. Ein Volley von Marchenko war sichtlich im Aus gelandet, Melzers Aufregung drüber war verständlich. Und obwohl das 4:4 darauf in Windeseile folgte, ließ er sich dadurch nicht lange aus der Konzentration bringen, bei 6:5 und 30:40 erspielte er sich eine weitere Gelegenheit als Rückschläger und schlug gleich beim ersten Satzball zu. Nach schon 3:27 Stunden ging’s also in den fünften Satz, und auch dort gingen Melzers Kräfte trotz fehlender Spielpraxis nicht aus. Er zeigte sich sogleich wild entschlossen, die Entscheidung herbeizuführen und ließ sich auch durch den Rückschlag vom 3:0 zum 3:2 nicht aus der Ruhe bringen. Melzer machte daraus ein 5:2 und 0:40 und verspielte zunächst noch den dreifachen Matchball und einen vierten.

Melzer kündigt an: „Jetzt holt der Dennis das 3:2“

Die Butter ließ sich Melzer allerdings nicht mehr vom Brot nehmen. Ganz trocken servierte er anschließend zu seinem Comeback-Coup aus, ein ungemein bemerkenswerter Sieg nach mehr als zehnmonatiger weitgehender Zwangspause. „Das ist natürlich klar, dass es – wenn man so lange nicht spielt – Höhen und Tiefen gibt, das muss man eben akzeptieren. Ich bin froh, dass ich immer meinen Kopf oben gehabt habe und mich da rausgezogen habe“, freute sich Melzer im „ORF SPORT+“-Interview über diesen beachtlichen Erfolg über einen aktuellen Top-100-Mann. Weniger angetan war der Routinier freilich von der ärgerlichen Intervention von Seiten des Stuhlschiedsrichters: „Der Overrule ist natürlich im vierten Satz sehr, sehr bitter. Denn ob der jetzt gut oder out ist, der war so knapp – dass der Schiri da so drüberfährt, ist sehr mutig.“ Doch: „Im Endeffekt hat es trotzdem gereicht, und jetzt holt der Dennis das 3:2“, kündigte der Deutsch-Wagramer gleich an. Eine Hoffnung, der sich die österreichischen Tennisfans gewiss anschließen werden. Novak geht jedoch als Außenseiter in die Entscheidungspartie gegen den am ersten Tag sehr starken Stakhovsky. Und auch die Statistik ist nicht gerade auf Österreichs Seite: Noch niemals zuvor in der Geschichte des Davis Cups konnte man einen 0:2-Rückstand in einen Sieg verwandeln.

Hier die Daten und Fakten zum Länderkampf.

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Sonntag
17.07.2016, 12:33 Uhr