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Drei Tennis-Mythen, die deine Entwicklung als Spieler stören können

Tennismatches entscheiden sich vor allem im Kopf. Tennis-Insider Marco Kühn räumt mit drei Mythen auf, die eurem Spiel nicht zuträglich sind.

von Marco Kühn
zuletzt bearbeitet: 08.08.2022, 16:06 Uhr

Mentalitätsmonster: Rafael Nadal
© Getty Images
Mentalitätsmonster: Rafael Nadal

Du kennst sie. Die Spieler in deinem Verein, die seit Jahren (oder Jahrzehnten) nur ein Niveau spielen. Sie trainieren fleißig. Das Material wie das Racket, die Schuhe oder auch das Griffband ist immer auf dem neuesten Stand. Da wird nichts dem Kommissar Zufall überlassen. In manchen Spielzeiten werden noch mehr Trainerstunden gebucht. 

Das Ergebnis? Trotz all dem Fleiß, dem Geld und der Leidenschaft verbessern sich die Ergebnisse auf dem Court kaum. Es gibt viele Tennis-Mythen, die viele Spieler wie ein Platzfehler im Wege stehen. Ich habe mich in diesem Artikel für drei kleine, gemeine Mythen entschieden. Es gibt aber noch zig weitere. Tennis ist ein verflucht komplizierter Sport. Bei einem Turnier gibt es nur einen Spieler, der ohne Niederlage durchkommt. Alle anderen Spieler werden verlieren. Es gibt vielleicht kaum einen anderen Sport, in dem man so oft verliert wie beim Tennis. Doch gibt es paradoxerweise auch kaum einen anderen Sport, in dem die Spieler eine so große Angst vor der Niederlage haben. Verrückt, oder?! 

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf marschieren wir jetzt an die Grundlinie und schauen, welche Mythen dir in deiner Karriere als Clubspieler ein größerer Gegner sind als deine Selbstzweifel.

Mythos #1: Du kannst im Match so entspannt wie im Training spielen

Der vielleicht größte Mythos. Und zeitgleich der, der zahlreichen Spielern den Spaß und die Spielfreude am Wettkampf raubt. Was absolut schade ist. Im Training ist dein Kopf frei. Du machst dir weniger Gedanken zwischen den Ballwechseln und beim Seitenwechsel. Man kann sich das wie einen Rucksack vorstellen, den man auf seinem Rücken trägt. In einem entspannten Trainingsspielchen am Donnerstagabend hast du den Rucksack auf, aber dieser ist leer. Du kannst dich konzentriert zu deinen Schlägen stellen, möglichst sauber durchschwingen, die paar Fehler mit der Vorhand schneller abhaken und einfach drauflos spielen.

Am Wochenende, im Match, vor den erwartungsvollen Augen der anderen Vereinsmitglieder, läufst du mit einem Rucksack voller Backsteine auf. Dazu hängen deine Bekannten und Verwandten noch an diesem Rucksack. Mit Erwartungen und einem für dich unbewussten Druck. Mit diesem Rucksack sollst du nun so entspannt wie im Training spielen? Ganz sicher nicht. Training und Match sind zwei verschiedene Disziplinen. Du brauchst für großes Tennis im Match ganz andere Fähigkeiten als für großes Tennis im Trainingsspielchen. Frustrationstoleranz, Konzentration, Entscheidungen unter Druck treffen. All das hast du in einem lockeren Trainingsmatch nicht. Der Vergleich zwischen Training und Match ist so, als würde man sich mit dem Racket gegen sein Schienbein hämmern und sich beschweren, dass es weh tut. Was kannst du tun? Versuche, eine andere Perspektive zu gewinnen. Sieh dich einmal als Spieler im Training und einmal als Spieler im Turnier. Überlege dann, was der Spieler aus dem Turnier von dem Spieler aus dem Training lernen könnte.

Sobald du beginnst, Training und Match getrennt voneinander zu betrachten, geht es dir als Tennisspieler besser. Was uns direkt zu Mythos Numero zwei führt.

Mythos #2: Hake Niederlagen einfach und schnell ab

Du kennst die Geschichte mit dem Feuer und dem Kind. Wer sich einmal so richtig verbrannt hat, der weiß, wie heiß ein Feuer sein kann. Wir hatten damals einen Typen bei uns in der 9. Klasse, der ständig mit seinem Feuerzeug herumzündelte. Das tat er so lange, bis in einer großen Pause sein Schultornister Feuer fing. Wir Menschen sind kaum rationale Geschöpfe. Deswegen ist es fest in unserem Verhalten verankert, aus Fehlern zu lernen. Gut, manche Menschen lernen mehr aus Fehlern als andere. Aber die cleveren Leute ziehen immer wieder neue Erkenntnisse aus Fehlern, um sich in der Zukunft besser verhalten zu können.

Beim Tennis ist das anders. Auch mir wurde früher als Kind eingetrichtert, dass ich Niederlagen schnell abhaken soll. Wer verliert schon gerne? Saite richten und weitermachen. Das klingt schön und gut. Ist aber für Spieler, die sich über einen längeren Zeitraum entwickeln wollen, ein absoluter Doppelfehler. Wir hatten gerade schon besprochen, wie oft man beim Tennis verliert. Das liegt in der Natur der Filzkugel. Da wir so oft verlieren, können wir aber umso mehr lernen. Eine Niederlagenserie kann, wenn sie korrekt analysiert und interpretiert wird, eine Entwicklungsmaschine von einem anderen Planeten sein. Der unglaubliche Rafael Nadal verliert nur sehr selten. Dennoch hat er seine Niederlagen gegen Novak Djokovic (und teils auch gegen Roger Federer in Wimbledon) zum Anlass genommen, sein Spiel zu entwickeln. Aggressiver zu spielen, die Rückhand zu verbessern, mehr ans Netz zu gehen. Das Ergebnis? Rafa spielt die vielleicht beste Rückhand-Cross im modernen Tennis. Sein Volley ist in seinem Spiel mittlerweile integriert und er kann viele Punkte am Netz abschließen. Und? Er liegt im Wettrennen um die meisten Grand-Slam-Siege (noch) an der Spitze. Dies wäre ohne Niederlagen nicht möglich gewesen. Die individuelle Spielweise und die Entwicklung eben dieser führt uns zum dritten Mythos.

Mythos #3: Eine harte und schnelle Vorhand ist wichtig für dein Spiel

Bei YouTube haben die Videos mit Tipps und Tricks für mehr Power bei der Vorhand die meisten Klicks. Ja klar, eine knallharte Vorteil macht richtig Spaß. Es gibt jedem Tennisspieler auf diesem Erdball ein geiles Gefühl, wenn die Vorhand-Longline hinten im gegnerischen Eck einschlägt. Aber ist das ein Must-have für erfolgreiches und gutes Tennis? Muss man schnell spielen? Ein kurzer Blick in die Historie unseres geliebten Sports verrät eindeutig: Auf keinen Fall! Ein Björn Borg oder auch ein Novak Djokovic spiel(t)en nicht schnell. Warum? Ihre Spielphilosophie ist eine ganz andere. Der Djoker lebt vom gegnerischen Tempo. Er ist wie ein Tennis-Vampir, der sich vom Spiel des Gegners ernährt. Hätte Nick Kyrgios Wimbledon gewonnen, wenn er auch in Satz zwei und drei langsam in die Mitte gespielt hätte? Vermutlich ja. Aber zurück zum Thema.

Härter und schneller zu spielen, bringt dich langfristig gesehen nicht unbedingt nach vorn. Finde stattdessen heraus, welche Spielphilosophie du verfolgen willst. Schnapp dir dazu ein paar Fragen und beantworte dir diese präzise. Wie machst du die meisten Punkte? Wie machen die Gegner gegen dich ihre meisten Punkte? Welcher ist dein Lieblingsschlag? Bist du mehr der agierende oder reagierende Spieler im Ballwechsel?

All die Antworten auf diese simplen Fragen bringen dich weiter nach vorn als eine knallharte Vorhand. Wir hatten zu Beginn über Spieler gesprochen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte kaum verbessern. Mit den Infos aus den drei Mythen hast du eine gute Grundlage, um für dich Wege zu finden, ein Stück für Stück besserer Tennisspieler zu werden.    

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