Eine Saison ohne Gewissheiten: Jede Woche neue Champions im Wanderzirkus

Irgendwie ist alles etwas durcheinander zuletzt auf den beiden Tennistouren. Ob das Lotteriespiel auch beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart weitergeht?

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 23.04.2019, 19:40 Uhr

Novak Djokovic in Monte Carlo
© Getty Images
Novak Djokovic in Monte Carlo

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Am Ostersonntag griff dann auch Fabio Fognini in dieser verrückten Tennis-Saison 2019 zu, auf dem Centre Court von Monte Carlo. Ausgerechnet er. Ausgerechnet der größte aktive Exzentriker seines Sports, der Mann, der nicht ganz zu Unrecht auch mal als „Rüpel“ oder „Rowdy“ in den Schlagzeilen auftaucht.

Doch beim Masters in Monte Carlo war der in seinen besten Momenten geniale Italiener auf einmal der nächste unwahrscheinliche Champion in dieser Serie im Wanderzirkus, der 22. unterschiedliche Sieger beim 23. Turnier. „Ziemlich wahnsinnig“ sei das Ganze, meinte Fognini hinterher, also etwa so wahnsinnig wie er selbst oft genug als Hand-Werker im Wanderzirkus.

Djokovic, Nadal, Zverev: Was ist da los?

Nie war die Tenniswelt so unberechenbar wie 2019, so konstant in ihrem Zustand scheinbar ohne jede Hierarchie und Hackordnung. Woran sich in den letzten Jahren viele im Frauentennis gewöhnt hatten, an ein Profileben ohne Gewissheiten und mit ständigen Turbulenzen, das war nun im Herrenrevier zu beobachten – immer neue Gewinner, immer wieder schräge Kapriolen, immer wieder Favoritenstürze und eine zumindest temporäre Krise der Topleute.

Selbst dort, wo man die Rückkehr zum Normalbetrieb hätte erwarten dürfen, in Monte Carlo, dort, wo Matador Rafael Nadal schon sage und schreibe elf Mal triumphiert hatte, ging die Verblüffungsarie weiter. Mit Fognini in der Hauptrolle, dem notorischen Unruhestifter, der vor anderthalb Jahren für unrühmliche Schlagzeilen gesorgt hatte, als er bei den US Open wegen schwerer Beleidigungen gegen eine Schiedsrichterin („Hässliches Eichhörnchen“) vom Turnier ausgeschlossen wurde.

Aber im mondänen Country Club landete er nach seinem Achtelfinal-Coup gegen Alexander Zverev den ultimativen Volltreffer in der Vorschlussrunde – gegen Seriensieger Nadal, den er 6:4 und 6:2 vom Platz fegte. Nadal gab später zu Protokoll, es sei das schlechteste Sandplatzmatch der letzten 14 Jahre gewesen. Und doch: Die Pleite und der spätere Erfolgsmoment von Fognini im Finale gegen Dusan Lajovic fügten sich in ein Bild der neuen Unübersichtlichkeit – mit all den verschiedenen Pokalgewinnern, mit Problemen der Superstars, auch und vor allem von Nummer 1-Mann Djokovic.

Auch er, der bei den Australian Open noch so unerschütterlich und standfest gewirkt hatte, kommt seitdem nicht mehr auf Touren. Nadal, die Nummer 2, war schon wieder länger verletzt seit der Endspiel-Niederlage von Melbourne und noch keineswegs in üblicher Form, und Zverevs Saison, die Saison der Nummer 3, blieb ohnehin mittelprächtig bis unterdurchschnittlich. Der einzige Spieler, der bisher zwei Turniersiege feierte in den ersten 111 Tagen des Jahres, war Roger Federer, in Dubai und in Miami.

Bencic und Andreescu drehen bei den Damen auf

Bei den Frauen ist das noch überhaupt keiner Spielerin gelungen, es gab 18 Siegerinnen bei 18 Turnieren. An Überraschungen war dabei, kein Wunder, auch kein Mangel. Etwa, als die Schweizerin Belinda Bencic wie aus dem Nichts mehrere Top-Ten-Spielerinnen in Dubai schlug und als Wüstenkönigin ihr langes, schweres Comeback nach Verletzungsproblemen vorerst krönte. Oder gleich danach, als die 18-jährige Kanadierin Vianca Andreescu in Indian Wells alle Größen der Szene düpierte und schließlich auch noch das Endspiel gegen Wimbledon-Queen Angelique Kerber gewann.

Kerber ist, wie auch beispielsweise die verletzten Simona Halep oder Elina Svitolina, noch ohne Turniersieg in diesem Jahr. Beim Porsche Tennis Grand Prix ist die Weltelite dennoch nahezu vollständig versammelt, auch Naomi Osaka ist dabei, die Nummer 1. Sie hat die beiden letzten Grand-Slam-Turniere gewonnen, aber seit dem Triumph in Melbourne machte sie mehr Schlagzeilen abseits des Centre Courts – nicht zuletzt mit dem Trainerrausschmiss des Münchners Sascha Bajin. Das Lotteriespiel geht für alle in der Tennis-Karawane weiter, nun im Schwabenland.

von Jörg Allmeroth

Mittwoch
24.04.2019, 08:00 Uhr
zuletzt bearbeitet: 23.04.2019, 19:40 Uhr