Mit Taktik punkten: Findet euer PHT heraus – euer persönliches höchstes Tempo

Spielt ihr womöglich schneller als ihr könnt? Dann ist's höchste Zeit, dass ihr euer PHT herausfindet! Ein Auszug aus dem neuen Tennis-Buch Mit Taktik punkten: Die Kunst, über Tennis nachzudenken.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 20.09.2022, 20:21 Uhr

© Copress

Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen. Man sitzt auf der Clubanlage und schaut sich halb interessiert ein Match der heimischen Nummer 1 gegen die auswärtige an. Heimspieler H. hält sich scheinbar gut: Man erblickt den einen oder anderen starken Ballwechsel (H. verliert ihn nur knapp), die eine oder andere Harakiri-Aktion (H. schießt aus defensiver Position eine Rückhand in den Zaun), den einen oder anderen Ballwechsel, den H. schneller als gewöhnlich abgibt (H. macht einen unnötigen Fehler).

Ab und an, äußerst selten jedoch, kommt der spektakuläre Punktgewinn: H. trifft zwei Vorhände in Folge und schießt tatsächlich auch noch eine Rückhand ins leere Feld hinterher (statt sie nur reinzulegen). Applaus brandet auf, es folgen Rufe wie: »Super, weiter so, das schaffst du noch!«

H. spielt schneller als er kann

Jedem einigermaßen realistischen Tennisbeobachter ist jedoch klar: Nein, das schafft H. nicht. Und nicht nur aus dem Grund, dass er bereits 1:6, 0:4 zurückliegt. H. hat keine Chance, auch nicht, wenn er den einen oder anderen spektakulären Punkt macht. Weil er die meisten anderen unspektakulären verliert. Und im Tennis geht’s letztlich um die unspektakulären Punkte.

Das Problem von H.: Er spielt schneller als er kann. Das zweite Problem: Er will genau das nicht einsehen. H. hat schließlich mit dem neuen Coach für teuer Geld seine Technik auf den neuesten Stand gebracht (der Aufschlag von H. ist technisch eine Augenweide!), und im Club wird er genau hierfür geschätzt. Zur Krönung hat sich H. zwei neue Schläger zugelegt, passend dazu eine brandneue und äußerst schicke Schlägertasche. Sein altes Spiel, die Kugel auf Sicherheit ins Feld schieben, kann er alleine aus diesen Gründen nicht mehr präsentieren.

Dabei wäre genau das richtig. Denn H. hat ein Problem: Er spielt ein höheres Tempo als er kann. Höher als sein PHT – sein persönliches höchstes Tempo. Und über das PHT wird viel zu wenig gesprochen.

Was ist das PHT?

Macht im Training den Test und findet euer PHT heraus. Spielt mit einem guten Partner und versucht, zehn Bälle mit ordentlicher Länge zurückzuspielen, ohne einen Fehler zu machen. Klappt?

Ja: Gut! Steigert das Tempo ein wenig und versucht dasselbe.

Nein: Dann habt ihr euer PHT überschritten. Reduziert das Tempo bitte. Denkt im Zweifel auch an etwas mehr Topspin. Sobald ihr eure zehn Bälle dauerhaft schafft, habt ihr euer PHT ermittelt.

Spielt euer PHT – oder weniger

Gratulation an dieser Stelle: Ihr wisst nun, wie hoch euer PHT ist und habt damit 99 Prozent aller Clubspieler etwas voraus. Die gute Nachricht: Trefft ihr auf einen Gegner, der ein niedrigeres PHT spielt, ist das toll. Ihr braucht nicht mal euer PHT zu spielen, sondern könnt womöglich eine Stufe runtergehen und die Fehleranzahl noch weiter reduzieren. Schaltet nur im Notfall auf eure höchste Stufe, in anderen Fällen reicht es, den Gegner die Fehler machen zu lassen (indem er ein Tempo spielt, das zu hoch für ihn ist).

Hütet euch vor der Verlockung, ein höheres Tempo als euer PHT zu spielen: Ihr werdet sonst ein Match verlieren, das ihr nicht verlieren braucht! Denn auch hier gilt die alte Regel: Man muss nicht besser spielen als alle anderen, man muss nur besser spielen als der heutige Gegner. (Und man kann sein PHT ja im Laufe der Jahre steigern.)

Gegner mit höherem PHT

Was aber, wenn der Gegner ein höheres PHT hat? Hier gilt es, bloß nicht zu versuchen, das gegnerische PHT mitzugehen! Ihr würdet, von einigen schönen Punktgewinnen abgesehen, im gesamten Match untergehen. Wie unser armer H.

Gegnern mit höherem PHT müsst ihr anders kommen. Variiert! Spielt hässlich! Beobacht den Gegner: Will er vielleicht eine Show abziehen und ein noch höheres Tempo spielen als er kann (und das er gegen euch gar nicht braucht)? Testet, ob euer Gegner womöglich nur auf der Vorhand ein höheres Tempo spielt (und es auf der Rückhand versucht, obwohl er es nicht kann). Der Vorteil für euch: Gegen einen Gegner mit höherem PHT seid ihr der Underdog, ihr könnt somit nur gewinnen. Und tut das vielleicht tatsächlich, wenn ihr schlau spielt!

Hinterlistiger Tipp

Viele Gegner lassen sich schnell beeindrucken. Das kann man ausnutzen: Habt ihr einen Gegner gezogen, der ein ähnliches PHT spielt wie ihr selbst? Dann macht beim Einspielen ab und an etwas mehr Dampf mit eurem Paradeschlag – gut möglich, dass euer Gegner meint, im Match direkt aufdrehen zu müssen. Die Fehler nehmt ihr natürlich gerne mit!

Mit Taktik punkten: Die Kunst, über Tennis nachzudenken ist vor Kurzem erschienen. Bestellen könnt ihr es unter anderem bei Amazon, Thalia, Hugendubel oder beim Copress-Verlag. Und natürlich bei der Buchhandlung eures Vertrauens!

Hier könnt ihr etwas reinblättern.

von Florian Goosmann

Dienstag
20.09.2022, 13:25 Uhr
zuletzt bearbeitet: 20.09.2022, 20:21 Uhr