YONEX-Manager Carsten Neuhaus: „Osaka, Kyrgios, Shapovalov - wir scouten immer das Besondere“

Carsten Neuhaus ist bei YONEX als Tennis Promotion Manager für den Großteil Europas zuständig - und als Junioren und Nachwuchs-Scout in ganz Europa unterwegs. Im Gespräch mit tennisnet erläutert Neuhaus die Unternehmensgeschichte, das Scouting-System und die Besonderheit von Naomi Osaka.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 30.09.2020, 08:18 Uhr

Naomi Osaka ist eines der aktuellen Aushängeschilder von Yonex
© Getty Images
Naomi Osaka ist eines der aktuellen Aushängeschilder von Yonex

tennisnet: Herr Neuhaus. YONEX hat sich als eine der führenden Schlägermarken im Tenniszirkus etabliert, nicht zuletzt durch die Erfolge von Stan Wawrinka und ganz aktuell von Naomi Osaka bei den US Open. Aber wie hat eigentlich alles begonnen?

Carsten Neuhaus: Gegründet wurde YONEX 1946. Ihren Ursprung hat die Firma in der Holzbranche gehabt: YONEX hat Schwimmer für Fischnetze produziert. Nachdem die Konkurrenten aber auf Plastik umgestellt hatten und die Holzschwimmer nicht mehr gefragt waren, war für YONEX klar: Man muss auf den Markt hören, sich fragen: was machen die Mitbewerber? In der Holzmanufaktur hat man aber auch Badminton-Schläger produziert. Dann hat man mit Materialien herum probiert, und ist schließlich mit Grafit und anderem zu leichteren Schlägern gekommen. Als Racketsportfirma war es naheliegend, dann auch im Tennissport Schläger zu produzieren.

tennisnet: Der Firmensitz liegt noch am Gründungsort?

Neuhaus: Der Firmemsitz liegt in Tokio, die Manufaktur in Nigata, der Geburtsstadt von Minoru Yoneyama. Und sein Sohn Ben führt heute das Unternehmen. YONEX ist nach wie vor mehrheitlich in Familienbesitz.

tennisnet: Auffällig bei YONEX ist das Logo. Was sehen wir da?

Neuhaus: Das sind zwei Ys - und die stehen für den Familiennamen Yoneyama. Zu Beginn hat man für andere Marken Schläger produziert, aber irgendwann ist die Firma so groß geworden, hat exportiert. Und so ist der Name entstanden: YONEX ist eine Kurzform für Yoneyama Export. Was uns übrigens auch von den Konkurrenten unterscheidet: Während fast alle Marken in China produzieren, fertigen wir auch heute alle unsere Inline Turnier Rackets noch in Nigata. Die Japaner sind sehr perfektionistisch - und vertrauen am meisten ihren eigenen Leuten. Und während andere Marken hinsichtlich des Gewichts der Schläger eine Toleranz von plus/minus sieben Gramm, also bis zu 14 Gramm Unterschied angeben müssen, entspricht ein YONEX-Racket, das die Fabrik in Nigata verlässt, zu 100 Prozent dem Gewicht und dem Balancepunkt, welches auf den Schlägern vermerkt ist. Das ist bei anderen Marken für professionelle Spieler so, bei Yonex gilt es für jeden einzelnen Schläger, der aus Nigata kommt.

„Billie Jean King und Martina Navratilova haben uns sehr geholfen“

tennisnet: Schon früh und bis heute hat sich YONEX ja dadurch von seinen Konkurrenten abgehoben, dass die Schläger nicht oval sind.

Neuhaus: Die isometrische Form der Rackets ist schon einzigartig: man munkelt, dass Minoru Yoneyama, der als Visionär immer gerne gegen den Strom geschwommen ist, sich von den Mitbewerbern unterscheiden wollte. Und man hat daran geglaubt, und das ist auch heute noch ein großer Vorteil unserer Marke, dass isometrische Form den Sweet Spot vergrößert, und gerade für Leute, die mit viel Spin spielen, den Sweet Spot ein bisschen weiter oben hat - und dadurch der Trampolin-Effekt größer ist.

Eine der größten Ikonen des Tennissport - Martina Navratilova
© Getty Images
Eine der größten Ikonen des Tennissport - Martina Navratilova

tennisnet: Mit welchen SpielerInnen hat Yonex den Durchbruch im professionellen Tennis geschafft?

Neuhaus: Billie Jean King und Martina Navratilova haben uns sehr geholfen, die Marke groß zu machen.  YONEX galt lange eher als "Damen-Marke". Weil ja später auch Pam Shriver, Monica Seles, Martina Hingis, jetzt Angelique Kerber sehr erfolgreich mit unseren Schlägern gespielt haben und spielen. Was viele aber vergessen: Einen Lleyton Hewitt, Nummer eins der Welt und komplett in YONEX, einen Richard Krajicek als Wimbledonsieger, einen MaliVai Washington als Wimbledon-Finalist, den mehrmaligen French-Open-Champion Sergi Bruguera und natürlich auch Marcelo Rios, der ja auch die Weltrangliste angeführt hat. Und Andres Gomez hat mit einem YONEX-Racket die French Open gewonnen.

Emotion pur - Lleyton Hewitt 2002
© Getty Images
Emotion pur - Lleyton Hewitt 2002

tennisnet: Wie kommt man zu solchen Ausnahmespielern?

Neuhaus: Unser Fokus liegt eindeutig auf dem Scouting bei den Juniors. Aktuell haben wir mit Nick Kyrgios einen der interessantesten Spieler, einen Stan Wawrinka, der mit YONEX Head-to-Toe drei Grand-Slam-Titel gewonnen hat. Für mich persönlich sicherlich das heißeste Eisen in der Zukunft ist Denis Shapovalov. Der hat gerade die Top Ten geknackt. Da glauben wir ganz fest, dass er sowohl psychisch als auch physisch als auch von der Spielanlage her in der Lage ist, ein Grand-Slam-Champion zu werden. Aktuell ist Shapo in Topform, da bin ich gespannt, wie weit es in Paris geht. Und Casper Ruud ist auch gerade in die Top 30 eingezogen.

tennisnet: Wie sieht die Unterstützung von YONEX für junge Spieler aus?

Neuhaus: Wir haben seit ein paar Jahren ein Programm, das nennt sich „Vamos J“. Hört sich nicht japanisch an, ist aber entstanden, als YONEX für eine Gruppe von japanischen Leistungsspielern ein Camp in Madrid veranstaltet hat. Das ist ein High Performance Programm, das wir auch im letzten Jahr erstmals in Deutschland aufgelegt haben. Wo wir die Top-Jugendlichen unter 14 in ein Intensiv-Camp zusammenbringen, mit Nick Horvat, der vor kurzem aushilfsweise Donna Vekic trainert hat, als Haupt-Coach. Dort kommen nicht nur YONEX-Spieler hin. Aber wir finanzieren das. Da geht es auch um das Training abseits des Courts, für jeden ist es auch eine Persönlichkeitsentwicklung. Weil die Kinder ohne ihre Eltern da waren. Anke Huber hat über das Profileben referiert, in London hat Martina Hingis das gemacht und sogar mittrainiert. Und das hat so gut funktioniert, dass wir bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Ludwigshafen immer noch tolles Feedback hatten

"Naomi Osaka ist ein Glücksgriff“

tennisnet: Was gibt für YONEX bei der Spielerauswahl den Ausschlag?

Neuhaus: Wir scouten immer das Besondere. Wir scouten alles, nur nicht langweilig. Letztendlich geht das bis zum Eigentümer: Wenn Ben Yoneyama jemanden mag, dann bekommen wir vom Scouting den Hinweis: den oder die wollen wir haben.  Und das war sicherlich auch bei Stan Wawrinka der Fall. So ist es heute auch noch.

tennisnet: Hilft ein Spieler wie Wawrinka mit seiner Erfahrung auch bei der Weiter-Entwicklung der Schläger?

Neuhaus: Absolut. Ich war im vergangenen Dezember in Monte Carlo zum Produkt-Testen mit Stan. Bei YONEX ist es so, dass wir die Expertise unserer Spieler nutzen, um unsere Schläger ständig weiterzuentwickeln. Die Produktmanager und die Spieler stehen mit uns in ständigem Austausch.

tennisnet: Naomi Osaka ist nicht nur die mittlerweile bestbezahlte Sportlerin der Welt und die frisch gekürte US-Open-Siegerin, sondern hat sich auch durch ihr soziales Engagement hervorgetan. Wie wird das bei YONEX gesehen?

Neuhaus: Bei YONEX liegt es in unserer DNA, die Welt durch Sport herauszufordern. Wir sind stolz auf Naomi, dass sie ihre Plattform nutzt, um das Bewusstsein für den sozialen Wandel zu schärfen. Naomi Osaka ist ein ähnlicher Glücksgriff wie ein Stan Wawrinka. Es gibt kaum eine Sportlerin, die die Marke YONEX so verkörpert wie Naomi. Denn Ben Yoneyama war als Japaner lange Zeit Geschäftsführer in den USA, und seine Tochter Alyssa ist Marketing-Managerin in den USA, dort geboren und lebt in L.A. Die Frau von Ben ist  Amerikanerin mit japanischen Wurzeln. Und die Kombination aus diesen beiden Ländern, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die verkörpert auch Naomi. Weil sie als Japanerin eigentlich eine Amerikanerin ist. Und man darf natürlich den asiatischen Markt nicht unterschätzen. Ich kann mich erinnern, als Kei Nishikori 2011 Nummer 70 der Welt war, gehörte der schon zu den bestbezahlten Spielern. Wenn man sich Naomi anschaut: Sie wirkt immer sehr ruhig, aber wenn man sich ihre Social-Media-Auftritte ansieht, die ist schon ziemlich crazy.

tennisnet: Andere Hersteller haben für ihre Spitzenspieler im Grunde komplett unterschiedliche Schlägertypen. Wie sieht das bei YONEX aus?

Neuhaus: Wir haben drei Säulen, auf die wir unsere Performance-Schläger stellen. Da wäre einmal die VCORE Serie, die von Angie Kerber und Denis Shapovalov gespielt wird. Da gibt es allerdings einen Unterschied im Rahmen: Angie spielt einen 100er-Kopf, etwas leichter. Und Shapovalov spielt einen 95er-Kopf, sehr schwer. Diese Serie steht bei uns für Spin. Die VCORE Pro Serie wird gespielt von Stan Wawrinka, Frances Tiafoe, Pierre-Hugues Herbert oder Dayana Yastremska. Das ist eine ganz klassische Schlägerform mit ganz schmalem Rahmen, die für ganz viel Kontrolle steht. Die dritte Säule ist die EZONE Serie, mit der etwa Naomi Osaka spielt. Die bekommt mit diesem Schläger ganz viel Beschleunigung. Auch Nick Kyrgios und Casper Ruud spielen dieses Rackets.

tennisnet: Welche Ziele strebt YONEX in den kommenden Monaten und Jahren an?

Neuhaus: Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Und wir starten jetzt eine nie dagewesene Offensive, um die Marke dorthin zu bringen, wo sie hingehört. Wenn man Marktführer ist, so wie YONEX im Badminton, dann verkauft sich alles viel leichter. Aber es gibt auch noch andere gute Tennismarken. Und YONEX war immer ein Exot. Wir standen immer für gute Schläger, aber es wusste nie jemand genau, wie gut wir sind. Und jetzt nutzen wir die Potenziale, die wir haben.

von tennisnet.com

Samstag
26.09.2020, 13:10 Uhr
zuletzt bearbeitet: 30.09.2020, 08:18 Uhr