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Alan Mills, der "Rain Man" von Wimbledon, ist tot

Kein Offizieler war über viele Jahre so sher das Gesicht von Wimbledon wie Alan Mills. Nun ist der legendäre Oberschiedsrichter 88-jährig verstorben.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 21.01.2024, 15:10 Uhr

Alan Mills in Wimbledon
© Getty Images
Alan Mills in Wimbledon

Wenn er in der Ecke des Centre Court-Spieleraufgangs von Wimbledon erschien, dann war Gefahr im Verzug. Dann wußten Tennisfans, Spieler und Journalisten, dass Regen nicht mehr fern war im Grand Slam-Heiligtum. Kein Wunder, dass Alan Mills, der Oberschiedsrichter des berühmtesten Turniers der Welt bald schon den Spitznamen „Rain Man“ weg hatte. Am Donnerstag ist Mills, der 23 Jahre lang den harten Job des obersten Regelwächters an der Church Road inne hatte, aber insgesamt 30 Jahre lang für den All England Lawn Tennis Club arbeitete, im Alter von 88 Jahren gestorben.

Mills war selbst ein sehr passabler Tennisspieler, der 1966 sogar im Wimbledon-Doppelfinale mit Mark Cox stand. Doch populär und sogar ein wenig berühmt machte ihn seine Rolle als unparteiische Leitungskraft  in SW 19. Eine wundervolle Episode gab Mills rund um seinen Abschied zum Besten, eine Geschichte aus dem Jahr 1977, als er für den Qualifikationswettbewerb in Roehampton verantwortlich war. Damals wurde er zum Match eines 18-jährigen amerikanischen Collegespielers gerufen, der sich zusammen mit seinem Gegner über den Schiedsrichter der Partie beschwerte – der Mann mit der wilden Lockenmähne und dem Stirnband war kein anderer als John McEnroe. McEnroes Klage: Der Schiedsrichter sei komplett unfähig, sei offenbar im Glauben, er leite ein Doppelmatch. Mills´Antwort: „Ihr müsst verrückt sein.“

Alan Mills bis 2009 im Amt

Doch als er dann den weiteren Verlauf der Partie selbst in Augenschein nahm und ein Ball, der weit neben der Einzellinie im Aus landete, nicht vom Schiedsrichter als Aus erkannt wurde, ging Mills zum Schiedsrichterstuhl. „Ich sagte: Fühlen Sie sich nicht wohl? Er sagte: Nein, mir geht es gut. Ich sagte: Haben Sie Kopfschmerzen? Er sagte: Nein. Ich wollte ihm einen Ausweg schaffen. Aber er ging nicht mit. Da musste ich ihn auswechseln.“ In Mills Amtszeit fiel manch spektakulärer Moment, der vielleicht aufsehenerregendste war der Eklat um den Amerikaner Jeff Tarango, der am 1. Juli 1995 den französischen Schiedsrichter Bruno Rebeuh in der Partie gegen den Deutschen Alexander Mronz als „most corrupt official“ (den korruptesten Schiedsrichter) bezeichnete – und als erster Spieler in der bis dahin 109-jährigen Turniergeschichte vom Platz weg marschierte. Tarangos Ehefrau Benedicte sollte Rebeuh später an jenem denkwürdigen Tag noch eine Ohrfeige verpassen.

In den späten Jahren seines Wirkens musste sich Oberschiedsrichter Mills auch noch mit einem gänzlich neuen Phänomen befassen – dem übermäßigen Stöhnen, Kreischen und Schreien der Profis. Selbst in seinem Büro meldeten sich damals immer wieder TV-Zuschauer, die die unerträgliche Geräuschentwicklung bemängelten. Als Mills nicht mehr im Amt war, sagte er selbst: „Es ist alles andere als schön, wenn du das Gefühl hast, da stehen zwei Polizeisirenen auf dem Court.“ Eins übrigens hatte der pressescheue Gentleman lange Jahre nie glauben wollen, nämlich dass einmal ein Dach über dem Centre Court gebaut werde. Das erlebte der Rain Man, der „Herr der Planen“ (The Times“), dann aber doch noch mit im Jahr 2009. Wie so viele andere, die das stets für Utopie im alles andere als veränderungsfreudigen Wimbledon hielten.

von Jörg Allmeroth

Sonntag
21.01.2024, 17:10 Uhr
zuletzt bearbeitet: 21.01.2024, 15:10 Uhr