ATP Masters Madrid: Neues Doppelformat: "Den Versuch kann man als fehlgeschlagen werten"

Am heutigen Dienstag startet beim ATP Masters in Madrid der Doppelwettbewerb, der vor allem durch ein für Einzelspieler angepasstes Meldesystem viel diskutiert wurde. Alexander Antonitsch, Turnierdirektor der Kitzbüheler Generali Open, gibt einen Einblick zu den Hintergründen.

von Daniel Hofmann
zuletzt bearbeitet: 01.05.2024, 14:36 Uhr

In Monte Carlo war mit Alexander Zverev einer der Topspieler im Doppelfinale vertreten.
© Getty Images
In Monte Carlo war mit Alexander Zverev einer der Topspieler im Doppelfinale vertreten.

Das Doppel ist auf der ATP Tour seit vielen Jahren immer wieder umstritten. Der Wunsch nach mehr gutplatzierten Einzelspielern in den Doppelwettbewerben ist bei der ATP und Veranstaltern groß. Ehemalige Stars wie John McEnroe, Michel Stich oder Yewgeni Kafelnikow spielten regelmäßig Doppel und gewannen Grand-Slam-Titel. Beim Masters in Madrid testet die ATP ein neues Format, das bei der Meldung vor allem Einzelspielern die Teilnahme schmackhaft machen soll.

Neben 16 Doppelteams, die im Vorfeld des Turniers melden konnten, wurden die restlichen Spots im 32er-Feld neben drei Wildcards für Einzelspieler reserviert oder auch Top Ten Einzelspieler, die mit einem Spieler aus den Top50 der Doppelweltrangliste melden konnten. Zunächst wurden sechs dieser Paarungen der Meldeliste hinzugefügt. Bis kurz vor der Auslosung konnten die letzten „Einzelteams“ melden, womit man ausgeschiedenen Einzelspielern eine kurzfristige Teilnahme ermöglichen wollte.

Auch im Spiel selbst werden mit einer verkürzten Shotclock bei Ballwechseln unter vier Schlägen und der wegfallenden Pause beim Seitenwechsel im ersten Satz kleine Änderungen vorgenommen, die das Spiel schneller machen sollen.

Als Turnierdirektor der Generali Open in Kitzbühel setzt sich Ex-Profi und TV-Experte Alexander Antonitsch auch aus der Sicht eines Turnierveranstalters mit dem Thema Doppel regelmäßig auseinander. Im tennisnet-Interview gibt er einen Einblick in die Hintergründe der ATP-Pläne.

tennisnet: Was verspricht sich die ATP kurz- und langfristig von dem gespielten Doppelformat in Madrid?

Alexander Antonitsch: Früher haben viele Top-Einzelspieler in der Regel auch Doppel gespielt. Diesen Zustand würde die ATP gerne wieder erreichen, um das Doppel besser vermarkten zu können. Doch auch organisatorisch gibt es Handlungsbedarf. Die Vergrößerung der Turniere wie in Madrid und Rom stellen die Organisatoren vor die Herausforderung, dass die Anlage aus allen Nähten platzt. Mit der kompakten Austragung des Herrendoppels in der zweiten Woche entzerrt man die Situation. Die Doppelspieler durften erst Samstag und Sonntag anreisen. Es ist eben eine Herausforderungen bei Einzelfeldern von 96 Spielerinnen und Spielern im Hauptfeld plus Qualifikation und den 32er-Doppelfeldern allen Profis genügend Möglichkeiten zum Training zu geben. Auch Rom wird aus allen Nähten platzen.

Sind die Veränderungen in Madrid das Ergebnis einen klaren Plans, den alle Beteiligten zusammen geschlossen haben?

Nein. Der Test ist ein Kompromiss, der am Ende aus meiner Sicht keinem einen Vorteil bringen wird. Ob wir die Shotclock nach der Länge der Ballwechsel ausrichten, das Warm-Up reduzieren, wofür ich auch im Einzel bin, ist schön und gut. Aber am Ende nicht entscheidend, wenn wir über das Doppel sprechen. Vermarktbar sind Teams aus einem Land wie z.B. Krawietz/Pütz, Erler /Miedler oder eben die Stars der Szene. 

Es gab um das neue Meldesystem viele Diskussionen. Wie ist die Meldeliste in Madrid nun zu bewerten?

Die angestrebten 16 Einzelteams sind nicht zu Stande gekommen. Sinner oder Alcaraz spielen nicht mit. Daniil Medvedev, Taylor Fritz, Stefanos Tsitsipas (mit einer Wildcard) und Alex De Minaur haben von den wirklichen Topspielern für das Doppel gemeldet. Daher kann man diesen Versuch, 16 Teams aus Einzelspielern, als fehlgeschlagen werten. Um fünf, sechs gute Teams in das Feld zu bringen, könnte man stattdessen überlegen die Anzahl der Wildcards aufzustocken. Das nimmt den Doppelspezialisten nicht unnötig viele Plätze weg, die es bei den Masters-Turnieren ohnehin schon sehr schwer haben. Teams, die in der Doppel-Weltrangliste nach oben drängen, werden ausgebremst. Das kann nicht zielführend sein und ist nun genau passiert, da nun Einzelpaarungen in Madrid mitspielen, die es bei keinem anderen ATP-Turnier in den Draw geschafft hätten. Benjamin Hassan (ATP 159) und Abdullah Shelbayh (ATP 259) sind z.B. über diese Regelung ins Turnier gekommen, während Alexander Erler und Lucas Miedler mit einem Combined Ranking von 84 zum Challenger nach Cagliari ausweichen mussten! Am Ende kann man bei allem Repekt sagen: ein Pavel Kotov oder auch ein Pedro Cachin werden nicht das Doppel retten.

Lief die Kommunikation im Vorfeld des Tests in Madrid reibungslos?

Aus meiner Sicht war das nicht der Fall. Die Doppelspieler selbst können das für Madrid festgelegte Meldeverfahren teilweise nicht erklären, da sie zu wenige Informationen von der ATP bekommen haben.

Wie attraktiv ist das in Madrid gespielte kompakte Format für einen Turnierveranstalter?

Für den Turnierveranstalter und die ATP ist das Doppel ehrlich gesagt leider nur mehr am Halbfinal- und Finaltag wichtig. Wir haben in Kitzbühel zum Beispiel 28 Spieler vor Ort gehabt, die nur Doppel gespielt haben. Da stoßen auch wir schnell an unsere Grenzen was die gesamte Infrastruktur betrifft. Natürlich sind wir am Ende einer Woche immer happy, wenn wir vor ausverkauftem Haus das Doppelfinale ausspielen. Insgesamt fallen 30-35 Prozent vom Gesamtbudget für den Doppelwettbewerb an. Am Ende muss man sich aber eingestehen, dass niemand für das Doppel ein Ticket kauft. Das ist auch am Finaltag so, da kommen die Zuschauer für das Einzelfinale. Die Zuschauer nehmen das Doppel mit, weil es da ist. Obwohl fast 80% der Hobbyspieler gerne Doppel spielen. Ich finde das schade, denn ich liebe das Doppel!

Gibt es auch Punkte, die die ATP für die Turnierveranstalter umsetzen kann, um das Doppel besser präsentieren zu können?

Definitiv, da habe ich ein konkretes Beispiel aus Kitzbühel. Dominic Thiem und Sebastian Ofner spielten letztes Jahr bei uns gemeinsam Doppel. Verständlicherweise möchten sie ihr Doppel gerne am Tag vor ihrem Einzel am Center Court spielen, um sich an die Bedingungen anzupassen. Von der ATP Media aus dürfen wir aber dieses Doppel nicht als TV Match ansetzen. Hier gibt es Verträge, dass für den Center Court bis zum Semifinaltag vier Einzel festgelegt sind. Erst zum Semifinale und Finale zeigt ATP Media Interesse an den Doppel-Matches .

Bei welchen weiteren Turnieren wird die ATP Formate im Doppel testen?

Der Plan ist, dass sechs bis acht Turniere bis zu den US Open neue Formate testen. Der genaue Rahmen wird nach einer ersten Auswertung in der Woche in Madrid festgelegt. Wir haben als Generali Open bereits Interesse bekundet. Ich würde auch einen Versuch mit einem Round-Robin-Format interessant finden. So könnten die Zuschauer in Kitzbühel zum Beispiel Alexander Erler und Lucas Miedler garantiert dreimal sehen.

Ist die erneute Diskussion um die Zukunft des Doppels auch mit einer grundsätzlichen Veränderung in den letzten Jahren zu erklären?

Definitiv hat sich die Doppelkonkurrenz sehr verändert. Auch auf den unteren Touren. Bereits auf Future- und Challenger-Ebene setzen viele Spieler einzig auf das Doppel, das finde ich schade. Lucas Miedler oder auch ein Kevin Krawietz haben es lange im Einzel versucht und dann irgendwann entschieden, dass sie auf das Doppel setzen. Viele Spieler versuchen gar nicht mehr im Einzel in der Weltrangliste hochzukommen, sondern setzen direkt auf das Doppel. Auch weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beim Doppel verändert haben und die Preisgelder gestiegen sind. Ca. 22 Prozent der Preisgelder gehen bei Turnieren an die Doppelteams. Da sprechen wir dann schnell über Summen, die wirtschaftlich lukrativ sind. Auf der höchsten Ebene ist der ständige Wechsel unter den Doppelspezialisten sicherlich ein Problem. Teams müssen einfach länger zusammenbleiben. Da sollte sich die ATP etwas einfallen lassen. Davon würden auch die Teams profitieren, die so viel besser vermarktet werden könnten. Wir müssen eine Lösung finden und da müssen vor allem die Doppelspieler miteinbezogen werden.

Hier das komplette Doppel-Tableau in Madrid

von Daniel Hofmann

Dienstag
30.04.2024, 17:45 Uhr
zuletzt bearbeitet: 01.05.2024, 14:36 Uhr