"Ich bin nicht David Copperfield"

Der zweifache French-Open-Finalist Alex Corretja spricht mit tennisnet.com über seine Arbeit als Turnierdirektor beim Longines Future Aces Tournament in Paris.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 03.06.2017, 11:05 Uhr

Alex Corretja (mi.) mit dem deutschen Jugendspieler Marc Majdandzic (3.v.r.)

Alex Corretja arbeitet in diesem Jahr während der French Open auch als Turnierdirektor beim Longines Future Aces Tournament in Paris. Der 43-jährige Spanier gehörte in seiner Karrierezeit zu den erfolgreichsten Sandplatzspielern der Welt, er stand auch zwei Mal im Finale der French Open. 1998 wurde er in Hannover ATP-Weltmeister. Den letzten seiner 17 Turniersiege feierte er 2002 in Kitzbühel.

Der Schweizer Uhrenhersteller Longines veranstaltet das Einladungsturnier der Toptalente unter zwölf Jahren zum achten Mal, im nächsten Jahr werden dann wieder Mädchen nach Paris eingeladen. Für Deutschland ging der hochbegabte Bad Oeynhausener Marc Majdandzic an den Start, er scheiterte nach einem erfolgreichen Auftakt in der Gruppenphase dann am Freitag unglücklich in zwei Tiebreaksätzen im Viertelfinale am Österreicher Paul Werren. Insgesamt hatte Longines 20 Nachwuchsspieler eingeladen, unter anderem auch aus den USA, Russland, Australien, China und Indien.

tennisnet: Alex Corretja, Sie sind Turnierdirektor und eine Art Schirmherr des Longines Future Aces Tournament. Was sagt die Leistungskraft eines 12-jährigen über seine Chancen im Tennis aus?

Alex Corretja: Wenn du auf diesem Level angekommen bist, hier bei diesem Turnier startest, hast du in jedem Fall die Chance, ein Tennisspieler von Format zu werden. Etwas, was Dutzende Millionen anderer nicht schaffen werden. Es ist schon eine starke Gruppe von Jungs, die hier kämpft und spielt. Es macht Spaß, sie hier in diesem Turnier zu sehen. Auch, wie freundlich, anständig und kooperativ sie miteinander umgehen. Das ist auch wichtig. Als Tennisspieler solltest du auch eine Haltung und ein Verhalten haben, das dir Respekt unter den Kollegen verschafft.

tennisnet:Wenn Sie sich erinnern, wie Sie selbst als 12-Jähriger spielten und trainierten: Was hat sich da geändert?

Corretja: Alles hat sich natürlich noch viel mehr professionalisiert. Die Jungs spielen auf einem schlicht erstaunlichen Niveau. Schneller, härter, dynamischer. Wer weiß, wie viele Punkte ich gegen sie gewonnen hätte mit meinem damaligen Leistungsvermögen.

tennisnet:Viele der Jungen sind hier mit Coach und Eltern, Sie haben teilweise schon Agenten. Erzeugt das nicht zu viel Druck?

Corretja: So ist der Lauf der Zeit. Du kannst die Entwicklung nicht zurückdrehen, das ist in anderen Sportarten teils noch schlimmer. Aber es wäre gut, wenn man sich darauf konzentriert, den Kids eine gesunde Entwicklungsgzeit zu geben - die Zeit, um sich zu entfalten. Auch die Zeit, um Fehler zu machen und in aller Ruhe auch im Tennis erwachsen zu werden. Zuviel Druck schadet nur. Außerdem haben Karrieren heute sowieso einen anderen Zeithorizont, oft beginnt heute die stärkste Phase erst ab Mitte oder sogar Ende Zwanzig. Man muss nicht hetzen, man muss nicht der U20-Superchampion sein, um später Grand Slams zu gewinnen.

tennisnet:Was ist generell am wichtigsten, um erfolgreich zu sein?

Corretja: Für mich ist das: Konstanz. Diese Gleichmäßigkeit in der Arbeit, auch im Leben. Jeder weiß, wie anstrengend es ist, sich immer und immer wieder mit Höhen und Tiefen auseinanderzusetzen. Außerdem musst du jede Sekunde lernfähig bleiben, darfst nie stillstehen. Ich sage den Kids auch: Versucht, Eure Emotionen zu kontrollieren, leistet Euch nicht so viele Gefühlsausbrüche. Meine Devise war zudem, im Training wie im Match nach einem ähnlichen System zu arbeiten, nicht so viele Unterschiede zwischen den Übungseinheiten und dem Ernstfall zu machen - in jeder Beziehung.

tennisnet:Wenn Sie eine Gruppe von so hochtalentierten Spielern vor sich haben wie hier in Paris: Sagen sie sich insgeheim dann, der oder der wird es bis Platz 50 schaffen. Und ein anderer, der schafft es vielleicht nach ganz oben.

Corretja: Nein, das wäre unseriös. Ich bin nicht David Copperfield. Zwischen der Jugendzeit und dem Erwachsenentennis, der Tourzeit, können Millionen Dinge passieren, die deine Laufbahn in eine andere Richtung drehen und wenden. Wir kennen alle die Beispiele von Supertalenten, die später in der Versenkung verschwanden. Alle, die hier waren bei diesem Turnier, stehen trotz vieler Mühen und Anstrengungen erst am Anfang. Es ist noch ein brutal langer Weg, den sie vor sich haben.

Ich sage den Eltern auch: Sie haben einen talentierten Sohn, der seine Möglichkeiten hat, gute Möglichkeiten sogar. Aber ich sage auch: Sie haben keine Garantien. Um noch mal auf diese Agenten zurückzukommen: Da denken ja auch manche Eltern schon, das wäre ein Leistungsausweis, wenn ich bei einer dieser Managementfirmen bin.

Aber die Agenturen handeln auch mit Unsicherheiten, sie haben nur ein Versprechen für die Zukunft - mehr aber auch nicht. Man muss allerdings auch sagen, dass Agenturen sehr hilfreich sind, bei der finanziellen Unterstützung, bei Trainingsmöglichkeiten. Am Ende ist immer wichtig, dass die Eltern selbst so gut im Thema drin sind, um bei allen möglichen Entscheidungen mit Autorität mitreden zu können.

tennisnet:Schaut man sich um bei dem Turnier, ist es gleichwohl bewundernswert, wie all diese Familien und die Kids sich mit Hingabe dieser Herausforderung stellen - und zwar, ohne in die Rolle von sogenannten Tenniseltern zu verfallen?

Corretja: Ich fand auch bemerkenswert, in welch angenehmer Atmosphäre das alles stattfand. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, wie hart dieses Leben für die Beteiligten ist. Was alles vor einer Zeit auf der Profitour an Entbehrungen nötig ist, wie viele Stunden man erst mal investiert, bevor einen irgendjemand wahrnimmt und mal eine Kamera auf einen gerichtet ist. Ich kenne es aus eigener Erfahrung: Es ist ein hartes, hartes Leben.

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von Jörg Allmeroth

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03.06.2017, 11:05 Uhr