Richter und Miedler kämpfen sich Richtung Spitze

Miedler-Coach Norbert Richter im exklusiven tennisnet.com-Interview.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 07.12.2011, 16:59 Uhr

Die tennisnet.com-Jugendserie, Teil 7: Ab sofort stellt tennisnet.com in einer Serie die hoffnungsvollsten österreichischen Nachwuchstalente vor und spricht mit Betreuern und Experten über die rot-weiß-roten Stars von morgen und die Arbeit im Jugendbereich.

Vor einiger Zeit übte Norbert Richter mit Lucas Miedler noch Werfen und Fangen. Heute, 13 Jahre später, misst sich Miedler bei der Orange Bowl mit den besten Jugendlichen der Welt. Und immer noch an seiner Seite: Coach Norbert! Der 43-Jährige war selbst nie Tennisprofi, trainierte vor Miedler keinen einzigen Spieler mit Profi-Ambitionen ­- ist aber "hundertprozentig" überzeugt, seinen Schützling zu einem ATP-Spieler formen zu können. Bis jetzt gibt ihm der Erfolg recht­: Die Leistungskurve des jungen Niederösterreichers zeigt nach wie vor steil nach oben, das Team Richter/Miedler ist auf internationaler Ebene zweifelsohne eines der stärksten Österreichs. Im tennisnet.com-Interview erklärt Richter, wie er als Trainer mit seinen Schülern mitgewachsen ist, was Minigolf und andere spielerische Wettkämpfe mit Mentaltraining zu tun haben und spricht über die Schwierigkeiten, die in der Arbeit mit jungen Spielern auftreten.

Norbert, für alle, die dich nicht kennen: Seit mehr als 15 Jahren betreibst du die "Tennisschule Richter" in Niederösterreich, seit 2007 gibt es in Muckendorf auch das "Leistungszentrum Big Point", in dem dein Aushängeschild Lucas Miedler trainiert. Im Allgemeinen sprichst du aber jegliche Spielstärken an, oder?

Norbert Richter: Das stimmt. Ich möchte alle ansprechen, die gerne Tennisspielen möchten. Das Spielniveau spielt da keine große Rolle. Wichtig ist mir nur, dass jeder, der zu uns kommt, Ziele vor Augen hat. Und wir helfen ihnen dann, diese Ziele zu erreichen.

Als Trainer bildest du dich vor allem im Ausland weiter. Sowohl alljährlich beim DTB-Bundeskongress, als auch als Mitglied der PTR (Professional Tennis Registry). Worin siehst du Vorteile gegenüber der heimischen Fortbildungsmöglichkeiten?

Ganz einfach, zum Beispiel die bei der PTR denken ganz anders als wir - viel praktischer. Es ist für mich zwar nicht alles, was man dort hört, verwendbar, aber die Amerikaner und auch andere europäische Verbände und Coaches sehen vieles aus einem anderen Blickwinkel. Und ich denke, dass es immer gut ist, seine Ansichten und Meinungen von Zeit zu Zeit zu überdenken. Aber so richtig verbessern tut man sich sowieso auf einem anderen Weg...

Und zwar?

Ich bin mit meinen Tennisschülern mitgewachsen. Nicht nur mit Luci, sondern mit vielen und eigentlich auch allen Menschen rund um mich. Natürlich hat sich in den letzten vier Jahren, in denen ich Luci auf den Turnieren begleitet habe, viel geändert. Ich habe viele internationale Coaches kennengelernt, gesehen, wie sie arbeiten. Man kann sich überall Kleinigkeiten abschauen.

Stichwort Luci: Er ist sozusagen dein Pilotversuch was internationales Tennis betrifft...

Ich habe davor von der Leistung her noch niemanden Vergleichbaren trainiert, das ist richtig. In unserer Tennisschule haben wir aber auch sehr viele talentierte Sportler und Tennisspieler - oft schon zwischen vier und sechs Jahren. Allerdings ist der Stellenwert Sport allgemein und im Speziellen dann Tennisprofi zu werden, zu gering.

Du hast Luci von klein auf aufgebaut, ihm die erste Vor- und Rückhand gelehrt. Wann hast du gemerkt, dass es tatsächlich etwas werden kann?

Luci war sehr klein und erst knapp drei Jahre alt, als wir gemeinsam das erste Mal alleine auf dem Platz waren. Es hat sich dann mit der Zeit alles irgendwie ergeben. Mit neun oder zehn Jahren hat er sich dann gegen Fußball und für Tennis entschieden. Da habe ich gemerkt: Hey, er meint es wirklich ernst.

Was genau zeichnet ihn als Sportler aus? Wäre er deiner Meinung nach auch ein guter Fußballer geworden?

Mit Sicherheit. Er hat sich in den letzten Jahren als Sportler gut weiterentwickelt, verstanden, dass er täglich aus Fehlern, Misserfolgen, aber auch Erfolgen dazulernen muss. Er hat den nötigen Kampfgeist, die Entschlossenheit und vor allem auch Spaß am Spiel. Und er ist bereit, hart für seinen Erfolg zu arbeiten, um eines Tages ein Champion zu sein.

Ihr arbeitet schon so lange zusammen. Jetzt geht es bei Luci auch in die Pubertät hinein - eine schwierige Zeit. Mit welchen Problemen seid ihr in den letzten 13 Jahren gemeinsam konfrontiert worden?

Willst du wirklich alle Probleme wissen?

Will ich das?

Das kann auf jeden Fall dauern. Deswegen fasse ich mich kurz: Die Arbeit mit jungen Spielern ist eine enorme Verantwortung und Herausforderung. Der Coach muss wissen, wie es dem Spieler geht, was er machen muss, damit er motiviert ist und sich laufend verbessert. Der Coach muss loben, trösten, Ziele definieren - und den Weg vorgeben, um diese zu erreichen. Die Pubertät tut ihr übrigens dazu und wird sicher noch länger dauern. Luci und ich haben oft Meinungsverschiedenheiten, haben aber nach so langer Zeit gelernt, damit umzugehen, die Ansichten des Anderen zu akzeptieren und die kleinen Probleme in die Weiterentwicklung einzubauen.

Luci hat dich als "lockeren Typen" beschrieben. Stimmst du dem zu?

Ich lebe sehr gerne. Und das, was ich mache, mache ich mit Begeisterung. Ich stehe gerne am Platz, trainiere selbst, treibe Sport und spiele nach wie vor unheimlich gerne Tennis. Nur "locker" sein, geht natürlich nicht. Am Court würde ich mich als konsequent und zielstrebig bezeichnen.

Bist du überzeugt davon, jemand zu sein, der einen Spieler vom kleinen Kind zum ATP-Profi bringen kann?

Hundertprozentig.

Was macht dich da so sicher? Wo siehst du deine größten Stärken?

Ich habe so viele Leute Tennis spielen gesehen. Ich habe eine riesengroße Datenbank in meinem Kopf, merke mir Dinge in Bildern. Das ist für meinen Job als Coach sicherlich ein großer Vorteil. Außerdem glaube ich zu wissen, was die Tenniszukunft bringen wird.

Und das wäre?

(lacht) Auf das habe ich jetzt gewartet. Ich habe die Angewohnheit, alle Profis, die mir über den Weg laufen, danach zu fragen. Alles kann ich natürlich nicht verraten, aber kurz: Es hängt viel vom Belag und der Kreativität im Spiel ab. Für mich wird auch viel von der mentalen Stärke abhängen - die sehr hohe Treffsicherheit muss bei allen Spielsituationen und Spielständen gegeben sein. Dass eine optimale körperliche Verfassung und die Technik der Schläge Grundvoraussetzungen sind, ist glaube ich klar.

Du sprichst einen Punkt an, mit dem Luci laut eigenen Aussagen im letzten Jahr am meisten gehadert hat. Wie siehst du seine mentalen Fähigkeiten?

Ich habe mich damit sehr viel beschäftigt und mit einer Schulfreundin eine "Verbündete", die nur in diesem Bereich arbeitet und uns sehr hilft. Seit einigen Monaten gehört regelmäßiges Mentaltraining zu seinem fixen Trainingsprogramm dazu. Eine Stunde pro Woche mit einem Coach, 15-25 Minuten übt Luci täglich selbst. Ich merke, dass er dazulernt und bin überzeugt, dass er auch auf diesem Gebiet immer stärker werden wird.

Hat es schon eine Situation gegeben, bei der du im Training richtig ratlos warst?

Ja, solche Situationen gibt es, keine Frage. Ich glaube aber, dass es bis jetzt nicht so oft war. Aber man hat halt wie immer Zweifel, ob das richtig ist, was man gerade macht. Oder ob es nicht anders doch besser wäre. Das hat man im täglichen Leben auch immer wieder...

Bei wem holst du dir Rat?

Rat hole ich mir bei meiner Frau und bei meiner Schulfreundin Martina. Aber natürlich auch von Lucis Papa oder anderen Coaches. Mit der Zeit lernt man, damit umzugehen und findet immer mehr eigene Lösungen, die auch gut funktionieren.

Lösungen musstet ihr auch beim Sparringpartner-Problem finden, das Luci angesprochen hat. Ist das derzeit die Baustelle Nummer eins in eurem Leistungszentrum?

Ich sehe das weniger als Problem, eher als Herausforderung. Wir haben mit einigen Akademien und Trainingsstätten in Wien Kontakt und auch zum ÖTV in der Südstadt. Außerdem kennen wir alle Top-Jugendlichen der Altersklassen U16 und U18 in Österreich und organisieren Trainingswochen. Auch im Ausland ist das mit guten ITF-Spielern möglich. Wir bekommen das schon hin.

Du bist jemand, der vom ÖTV auf internationale Turniere ausgesendet wird, um dort Spieler mitzubetreuen, die nicht bei dir trainieren. Welchen Einfluss hat das bei diesen Reisen auf Luci?

Durchaus einen positiven. Viel Spaß, Abwechslung, Trainingspartner sind dadurch quasi immer verfügbar und es ist einfach etwas Anderes. Ich finde diese Mischung ideal.

Bei diesen Turnieren sieht man euch immer bei sehr vielen Freizeitaktivitäten neben dem Tennisplatz. In Amerika war es jetzt zum Beispiel Minigolf. Ist das deiner Meinung nach besser, als sich nach einem anstrengenden Training oder Match im Hotel auszuruhen?

Man darf das nicht falsch verstehen. Regeneration ist enorm wichtig und wird von mir nach Möglichkeit strikt eingehalten und teilweise auch verordnet. Aber der Spaß und die Abwechslung darf nicht zu kurz kommen. Außerdem: Jedes Spiel, das abseits des Platzes gespielt wird, ist ein Wettkampf. Jeder will gewinnen - damit trainieren wir auch den mentalen Bereich mit.

Würde es für dich in Frage kommen, mit Luci gemeinsam als Trainer zum ÖTV zu gehen?

Nein, auf keinen Fall unter den derzeitigen Bedingungen.

Was passt für dich nicht?

Auch das würde jetzt wirklich zu lange dauern. Ich sage einmal so: Der ÖTV muss in der Zukunft besser organisiert werden. Mit einem zukunftsorientieren, professionellen Konzept und den richtigen Personen. Ich bekomme im Moment nur mit, dass unglaublich viel hinter dem Rücken gesprochen wird und dass einiges nicht passt. Ich hoffe wirklich, dass es demnächst besser wird. (Foto: privat)

Das Interview führte Christoph Wagner .

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Mittwoch
07.12.2011, 16:59 Uhr