Spiel und Spaß mit Gael Monfils, seriöse Sache für Rafael Nadal
Publikumsliebling Gael Monfils und Mischa Zverev beweisen alte Tugenden auf Gras, Rafael Nadal macht ernst.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
13.06.2015, 07:30 Uhr

Von Florian Goosmann aus Stuttgart
Gael Monfils grinst hoch zu seiner Box. Er hat den ersten Satz 7:5 gewonnen, im zweiten spricht der Schiedsrichter gerade den aktuellen Spielstand von 1:2 ins Mikrofon. Monfils grinst weiter, schlendert zum Seitenwechsel, wo sich sein Weg mit dem seines Gegners kreuzt, mitPhilipp Kohlschreiber, nur Zentimeter entfernt von den original Wimbledon-Holz-Netzpfosten. Monfils’ letzter Schlag war typisch Rasen: ein Netzangriff, ein Passierversuch seines Gegners, den der Franzose eigentlich einfach hätte abtropfen lassen können. Aber das wäre nun mal nicht Gael Monfils. „La Monf“ versieht den banalen Rückhand-Volley mit so viel Schnitt, dass man die Saiten noch bis in die letzte Reihe schnalzen hört. Der kunstvolle Stoppversuch landet knapp im Doppelfeld, und der nonverbale Dialog zwischen Kohlschreiber und Monfils auf dem Weg zur Bank sagt alles: Kohlschreiber verzieht auf seine typische Art den Mund und wiegt den Kopf kurz in die Schräge („Schade, Gael, wär’ ein schöner Ball gewesen“), Monfils grinst weiter und zwinkert zurück („Ja, ’Kohli’, wir sind ja nur zum Spaß hier“).
Gael Monfils hat Spaß auf Gras
Vielleicht ist „nur zum Spaß“ zu viel des Gedankenlesens, aber in Stuttgart wird an diesem Freitag mal wieder deutlich, warum Gras der eigentlich einzig wahre, der so ursprüngliche Belag der Sportart Tennis ist. Und nein, nicht weil sich „Spaß“ auf „Gras“ so gut reimt (Pumuckl kommt schließlich aus Bayern), sondern weil hier Tennis zu Spiel wird. Zumindest noch ein bisschen. Und wenn man mal einen verspielten Punkt zu viel verliert: Sei's drum. Im Falle von Monfils ist's natürlich wie so oft der ein oder andere Punkt zu viel: Bei 40:0 wird schon mal abgeschenkt, als Kohlschreibers Aufschlag noch scheinbar auf dem Weg übers Netz ist, später gibt’s dann den Frontal-„Tweener“, wo’s auch eine einfache Vorhand getan hätte.Für einen Sieg gegen Kohlschreiber reicht's dennoch, „man weiß bei Gael ja nie, was kommt“, erklärt der danach.
Rafael Nadal fokussiert bis zum Ende
Nach weniger Spaß als vielmehr harter Arbeit sieht der Arbeitstag von Rafael Nadal aus.Bernard Tomic, der australische Schwabe (Tomic kam in Stuttgart auf die Welt, ehe seine kroatisch-stämmigen Eltern mit ihm nach Australien auswanderten), kommt geschmückt mit den Lorbeereneines Sieges gegen Tommy Haasauf den Platz, dazu mit einem Spiel, das auf Rasen eigentlich perfekt scheint. Seine gerade Vorhand könnte fast dem Ursprung des Tennis entstammen, dazu spielt Tomic mit viel Gefühl und Übersicht, auch wenn der ein oder andere schön herausgespielte Punkt öfters seinen Abschluss am Netz finden müsste. Vielleicht ist’s auch der Respekt vor Nadals Konter. Der jedenfalls verzieht keine Miene. Weder als zu Beginn des Matches der Zwischenruf „I love you, Rafa“ kommt, noch als er bei 4:5 und Satzball gegen sich die schon fast übliche „Time violation“ erhält. Tomic spielt ebenso den Stoiker, dessen Emotionslevel allenfalls in die negative Richtung ausschlägt, auch beim Rebreak zum 1:1 im zweiten Satz, als er einen Rückhand-Passierball die Linie entlang brettert. Seine Reaktion: ein ungläubiger Blick auf den Schläger, ein „Keine-Ahnung-wo-der-Schlag-herkam-aber-ist-mir-auch-egal“-Wink in Richtung Box.
Nadal wirkt konzentrierter, ist fokussiert von Anfang bis Ende. Nach guten Aktionen brüllt er ein lautes „Vamosss“ auf den Platz, bei schlechten ein ebenso aggressives spanisches „Nooo!!!“. Den Tiebreak des zweiten Satzes gibt er unnötig per Doppelfehler ab, den dritten holt er 6:3, und Barbara Schett schafft es im Anschluss-Interview sogar, dem immer noch angespannten „Rafa“ ein Lächeln abzugewinnen. Das Doppel-Halbfinale sagt der dafür ab: Erschöpfung nach der anstrengenden Partie heute und dergegen Marcos Baghdatis am Tag zuvor.
Mischa Zverev mit alten Rasen-Tugenden
„Die sollen das jetzt nicht so rauszögern“, stöhnt ein Zuschauer, alsViktor Troickisich scheinbar unnötig über Einstand quält. Schließlich steht ihm gegenüber der Mann, der mit 263 km/h den Aufschlag-Weltrekord hält, und wenn so einer schon mal in Sichtweite ist ...?Sam Grothwird seinem Ruf gerecht, zimmert eine Granate nach der anderen ins Grün, und überhaupt: Die Ballwechsel in diesem Match erinnern an früher, an die 90er, als Rasen-Tennis im wahrsten Wortsinne rasen-d schnell vonstatten ging. Troicki gewinnt nach einer guten Stunde einen knappen ersten und glatten zweiten Satz auf dem kleineren Mercedes Court, auf den die beiden wegen eines kurzen Regenschauers verlegt wurden.
Der kurze Regen-Spaß aus Sicht von Petrus bringt Mischa Zverev derweil nicht aus dem Konzept. Der Ältere der Zverev-Brüder, verletzungsbedingt bis jenseits der Top 1000 abgerutscht und mittlerweile wieder auf Rang 502 geführt, fängt gegen US-Open-ChampMarin Cilicda an,wo er mit drei Siegen in der Quali und zweien im Hauptfeld– unter anderem gegenDominic ThiemundAndreas Seppi– aufgehört hat: Zverev spielt stark und ruhig, mit viel Slice und Serve-and-Volley, und verliert am Ende denkbar knapp die Tiebreaks in den Sätzen zwei und drei. Die erfolgreiche Woche für Zverev? Sie wird ihm guttun, nicht nur ranglistenmäßig. Und: Seine Spielweise steht dem Rasen nach wie vor sensationell gut.