Hyeon Chung – Ein Spieler, dessen Namen man sich merken sollte
Warum der junge Südkoreaner Hyeon Chung 2016 für Furore im Tenniszirkus sorgen könnte.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
10.12.2015, 11:00 Uhr

Unscheinbar. Fast schon schüchtern. Dazu voller Respekt. Hyeon Chung schüttelteStan Wawrinkaam Netz die Hand und gratulierte dem Schweizer zum Einzug in die dritte Runde der US Open. Diesem Handshake war ein enges, teilweise hochklassiges Match vorausgegangen, in dem der 19-jährige Südkoreaner in drei engen Sätzen jeweils im Tiebreak einen Schritt zu spät kam. Drei, vier Schritte haben gefehlt. Und die US Open hätten ihre erste riesige Sensation erlebt. Dem Publikum wurde ein tolles Match geliefert, in dem Wawrinka vielleicht nicht sein bestes Tennis spielte. Doch lag dies auch am jungen Mann auf der anderen Seite des Netzes: Hyeon Chung, 19 Jahre jung, aktuelle Nummer 51 der Weltrangliste.
Welcher Spielertyp ist Hyeon Chung?
Ist die Rede von der nächsten, starken Generation, so fallen zumeist immer dieselben Namen:Borna Coric,Nick KyrgiosundAlexander Zverev. Es ist verwunderlich, dass ein Spieler, der bereits in solch jungen Jahren unter den Top 100 steht, nicht mehr beachtet wird. Schaut man sich die Spielweise des Südkoreaners an, fällt direkt seine Technik auf. Ist unser Auge die runden, harmonischen Bewegungsabläufe einesRoger Federergewöhnt, wird man bei Chung zunächst etwas genauer hingucken. Kurze, schnelle und schnörkellose Bewegungen bilden sein Fundament. Seine Ausholbewegung bei seiner beidhändigen Rückhand erinnert an eine Schleuder. Seine Vorhand besitzt kaum eine sogenannte Schleife, er setzt diese sehr weit unten an. Ebenso schnörkellos wie seine Technik ist seine Spielidee. Seine Grundschläge sind sehr gerade, kommen auf beiden Seiten, Vor- sowie Rückhand, mit wenig Spin daher. Auffällig bei Chung ist, dass er stets einen tiefen Körperschwerpunkt in den Ballwechseln sucht. Aus dieser tieferen Position heraus ergeben sich für ihn bessere Optionen, seinen geraden Spielstil gefährlich einzusetzen.
Mit Spielverständnis und Wille
Das Match gegen Wawrinka bei den US Open hat gezeigt, welchen Charakter Chung mit auf den Platz bringt. Erschlagen von der Kulisse? Angst vor dem großen Gegner? Kein Vertrauen in sein eigenes Spiel? Alles Fehlanzeige. Chung war auf dem Platz, um dieses Match zu gewinnen. Und dabei so viel zu lernen, wie es in der Spielzeit möglich war. Er brachte Emotionen und sein Herz mit auf den Platz. Er war mit dieser Leistung ein Vorbild für alle jungen Spieler, die sich auf der kleineren Challenger-Tour solch ein Match gegen einen großen Gegner wünschen. Neben seinem Herzen und dem unbedingten Willen, gewinnen zu wollen, zeigt Chung für sein Alter Erstaunliches auf dem Platz. Sein Spielverständnis ist bereits in jungen Jahren sehr weit ausgereift und könnte mit ein Grund dafür sein, warum er 2016 für Furore sorgen wird. Chung erkennt Spielsituationen blitzschnell und weiß dementsprechend zu handeln. Ist der Gegner weit hinter der Grundlinie, sieht er das sofort und spielt einen Stopp. Wird der Gegner im Laufe eines Ballwechsels passiver, zu kurz, so verändert Chung seine Position an der Grundlinie und rückt ein Stück weiter vor.
Den Südkoreaner in eine Schublade zu packen, würde seinem Spiel nicht gerecht werden. Er ist weder der typische Hardhitter, noch ein Entfesselungskünstler in der Defensive. Viel mehr reagiert er auf die Aktionen seines Gegners, und das mit Verstand und Auge. Eine Basis in seinem Spiel ist der Aufschlag. Was diesem an Tempo fehlt, macht Chung durch clevere Variationen wieder wett. Mit Slice nach außen, hart auf den Mann, mit Kick in die Rückhand, mit Slice gefährlich durch die Mitte, sodass sich der Ball vom Gegner wegdreht. Der Südkoreaner mischt sein Service sehr gut ab, stellt den Gegner auf diese Weise immer wieder vor neue Aufgaben beim Return. Ein leicht durchschaubares, angenehmes Spiel sieht anders aus.
Unbequem für jeden Gegner
Da ein Schuss mit der Rückhand. Hier eine Vorhand mit weniger Tempo, kurz-cross gespielt. Chung ist ein äußerst unbequem zu spielender Gegner, auf jedem Untergrund. Seine großen Stärken liegen darin, Antworten auf das Spiel des Gegners zu finden. Er hat ein hervorragendes Auge, welches er dafür einsetzt, um die Stärken und Schwächen des Gegners genau zu analysieren. Hat er diese entdeckt, setzt er seine eigenen Waffen gegen die Schwächen des Gegners ein. Eine hohe, spielerische Flexibilität, die Chung durch seine enorme Fitness punktgenau auf den Platz bringen kann. An ihm und seiner ungewöhnlichen Spielweise werden einige Gegner 2016 zu knabbern haben. Wie weit es für den sympathischen und talentierten Südkoreaner in der Weltrangliste gehen kann, bleibt abzuwarten. Aber: Chung wird im Dezember 2016 wesentlich mehr Tennisfans ein Begriff sein. Ganz sicher.
Eine Analyse von Marco Kühn (tennis-insider.de)