Mehr Anerkennung für die Ära Haas-Kiefer-Schüttler
von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet:
25.04.2016, 15:06 Uhr

Rainer Schüttler feierte gestern seinen 40. Geburtstag. Ein Ereignis, das Nicolas Kiefer (am 5. Juli 2017) und Tommy Haas (3. April 2018) noch bevorsteht. Auch wenn Haas seine Karriere nach der neunten Operation (diesmal am Fuß) noch für einige Zeit fortsetzen möchte, muss man konstatieren, dass die deutsche Spieler-Ära Haas-Kiefer-Schüttler nun vorbei ist. Unter dem Strich bleibt stehen, dass das Trio oft nicht die Wertschätzung und Anerkennung bekommen hat, die es verdient hätte. Haas, Kiefer und Schüttler hatten das Pech, dass ihre Karrieren so richtig starteten, kurz nachdem Boris Becker, Michael Stich und auch Steffi Graf dem Profitennis Lebewohl sagten.
Das deutsche Tennispublikum war nach knapp 15 Jahren mit Erfolgen und Turniersiegen am Fließband erfolgsverwöhnt. Das Trio wurde stets mit den erfolgreichen Vorgängern verglichen. Es war also etwas wie das Pech der späten Geburt. Im Herrentennis hat es bislang erst fünf Top-Ten-Spieler aus Deutschland gegeben. Haas (Nummer zwei der Welt), Kiefer (Nummer vier) und Schüttler (Nummer fünf) gehören dazu. Das zeigt, dass es für das deutsche Tennis seit Einführung des ATP-Rankings im Jahr 1973 keine Selbstverständlichkeit ist, Spieler in den Top Ten zu haben. Haas, Kiefer und Schüttler haben aus deutscher Sicht also etwas Außergewöhnliches geschafft. Nur das Timing war eben schlecht, weil zwei deutsche Spieler, die Herren Becker und Stich, wenige Jahre zuvor noch weitaus erfolgreicher waren.
Haas im Pech, Kiefer ohne Finalform
Schaut man sich die Vita des Trios an, würde der deutsche Tennisfan diese Erfolge heutzutage mit Kusshand nehmen. Haas gewann 15 Turniere und stand viermal im Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers sowie viermal im Viertelfinale. 2000 erspielte er sich bei den Olympischen Spielen in Sydney die Silbermedaille. Haas ist aber auch der Pechvogel des deutschen Tennis, der ständig von Verletzungen oder Schicksalsschlägen zurückgeworfen wurde. Zwar war er für kurze Zeit die Nummer zwei der Welt, aber ein richtig großer Turniersieg, abgesehen vom Stuttgart-Masters im Jahr 2001, fehlt in seiner Bilanz. So hatte er auch das große Pech, dass er 2001 nicht am Saisonfinale in Sydney teilnehmen durfte, obwohl er als Nummer acht sportlich qualifiziert war. Denn der letzte Startplatz ging an den damaligen Wimbledonsieger Goran Ivanisevic.
Auch Kiefer hatte immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen, gerade als er in Topform war. Der Norddeutsche blieb in großen Matches leider oft hinter den Erwartungen zurück. So zog er bei den Australian Open 2006, nachdem er bei den Grand Slams viermal knapp im Viertelfinale gescheitert war, das einzige Mal in ein Grand-Slam-Halbfinale ein. In seinem besten Jahr, 1999, gewann Kiefer drei seiner insgesamt sechs ATP-Titel und kam am Ende des Jahres zu einem Heimspiel in Hannover, beim Saisonfinale der acht besten Spieler. Vor allem in Finals hatte Kiefer selten seinen besten Tag. So verlor er 13 seiner 19 Endspiele auf der ATP-Tour, zwischen 2001 und 2008 wurde schließlich aus einer 6:3-Bilanz eine 6:13-Bilanz. Die bitterste Finalniederlage kassierte er aber im Doppel, als er 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen bereits anderthalb Hände an der Goldmedaille hatte, aber das Finale an der Seite von Schüttler gegen die Chilenen Fernando Gonzalez und Nicolas Massu trotz vier Matchbällen in Folge verlor.
Kein durchschlagender Erfolg im Davis Cup
Schüttler hingegen war ein Spieler, der für viele Experten sehr viel aus seinen Möglichkeiten herausgeholt hat. 2003 sorgte er für ein Tennis-Märchen, als er sensationell das Finale der Australian Open erreichte. Im gleichen Jahr biss er sich in den Top Ten fest und nahm am Saisonfinale in Houston teil. Auf seine späten Tage zog er beim Wimbledonturnier 2008 ins Halbfinale ein. Haften bleibt aber auch die verpasste Goldmedaille bzw. die gewonnene Silbermedaille in Athen. Schüttler kommt dieses Jahr noch mal in den Genuss von Olympischen Spielen, da er als Teamchef von Litauen nach Rio de Janeiro reist und Ricardas Berankis betreuen wird.
Die Erfolge von Haas, Kiefer und Schüttler sprechen eine klare Sprache. Leider wurden sie damals in der breiten Öffentlichkeit nicht so gewürdigt, wie sie es hätten sein sollen. Nachdem die Karrieren von Kiefer und Schüttler bereits zu Ende sind und sich die von Haas zu Ende neigt, wird einem noch bewusster, welch tolle Generation an deutschen Spielern wir damals hatten. Ein Wermutstropfen bleibt aber: In der Ära Haas-Kiefer-Schüttler gab es im Davis Cup keinen durchschlagenden Erfolg, obwohl die Chancen auf einen Titelgewinn gegeben waren. Das Trio spielte selten zusammen, sodass es nicht verwunderlich ist, dass es nur 2007 mit dem Einzug ins Halbfinale klappte, als nur Haas im Kader stand. Ein Triumph im Davis Cup hätte den erfolgreichen Karrieren von Haas, Kiefer und Schüttler noch etwas mehr Glanz verpasst.
