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Wenn aus den „Big Four“ „The Big One“ wird

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 23.11.2015, 16:25 Uhr

Novak Djokovic

Im Tennissport ist seit Jahren die Rede von den „Big Four“:Roger Federer,Rafael Nadal,Novak Djokovic,Andy Murray. Aus meiner Sicht waren die „Big Four“ eher ein Etikettenschwindel. Auch wenn Murray diese Saison als Nummer zwei der Welt abschließen und Großbritannien wahrscheinlich im Alleingang zum Davis-Cup-Titel führen wird, ist und war der Schotte nur ganz selten auf Augenhöhe mit Federer, Nadal und Djokovic, denn fast alle wichtigen Duelle gegen das Top-Trio gingen verloren. Da wären wir also nun bei den „Big Three“. Doch auch diese Bezeichnung ist nun überholt. Wir leben längstin der Ära des Novak Djokovic. Spätestens seit seinem Triumph bei den ATP World Tour Finals ist klar, dass aus den „Big Four“ oder den „Big Three“ „The Big One“ wurde. Als „The Big One“ wird übrigens auch ein verheerendes Erdbeben bezeichnet, das der US-Bundesstaat Kalifornien fürchtet und auf das er sich seit Jahren vorbereitet. Laut Geologen ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Erde in der Nähe von San Francisco kräftig beben wird.

Zu groß ist die Dominanz des „Djokers“, dass man ernsthaft von einem Drei- oder Vierkampf sprechen könnte. Nach dem Finalsieg bei den ATP World Tour Finals gegen Federer machte in den sozialen Medien ein interessante Grafik die Runde, die Djokovics Matchstatistik seit dem Jahr 2011 zeigt. Fazit: schlichtweg beeindruckend. Der Serbe hat seine Fabelsaison im Jahr 2011 noch mal getoppt und beendet das Jahr mit einer Bilanz von 82:6. Nun können Vergleiche gezogen werden zur Saison vonSerena Williamsund den dominanten Jahren von Federer. War die Saison von Djokovic besser als die von Williams? Ein ganz klares Ja. Ist Djokovic noch dominanter als Federer in den Jahren 2005 und 2006? Jein, das liegt an der Betrachtungsweise. Der Schweizer beendete das Jahr 2006 mit einer fantastischen Bilanz von 92:5, also zahlenmäßig noch besser als Djokovic. Ein Jahr zuvor verlor der „Maestro“ bei 81 Siegen nur vier Matches und musste sogar in jenem Jahr, im Herbst 2005, wegen einer Knöchelverletzung auf einige Turniere verzichten und verlor das WM-Finale gegenDavid Nalbandiandenkbar unglücklich.

Wer kann Djokovic überhaupt stoppen?

Federer wurde gelegentlich vorgehalten, dass er seine vielen Siege in einer „Weak Era“ errungen hat. Doch ist diese Betrachtungsweise fair? Nein, ist sie nicht. Denn genau jetzt könnte man diese Frage auch bei Djokovic stellen, der es mit einem schwächelnden Nadal, einem Federer in den Dreißigern und einem Murray, der sich anscheinend immer wieder selbst im Weg steht, zu tun hat. Nadal hat vermutlich verhindert, dass Federer jenseits von 20 Grand-Slam-Titeln steht und mehrere Kalender-Grand-Slams gewonnen hat. Als Nadal die Tenniswelt dominierte, hat Djokovic verhindert, dass der Spanier noch erfolgreicher wurde als ohnehin schon. Nun ist die Frage, wer diesen galaktischen Djokovic stoppen kann? Es ist niemand in Sicht, der ihm auf Dauer, also in den nächsten Jahren, Paroli bieten kann. Den Generationen hinter dem Weltranglisten-Ersten um Spieler wieGrigor Dimitrov,Kei Nishikorioder den neuen „Young Guns“ umNick KyrgiosoderBorna Coricist dies derzeit überhaupt nicht zuzutrauen.

Solange Djokovic sich nicht verletzt oder Krankheiten ihn stoppen, scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann er weitere zahlreiche Rekorde im Tennis brechen wird. War 2015 schon eine Fabelsaison, könnte er 2016 noch einen draufsetzen und seine Karriere veredeln. Sollte er die French Open, die olympische Goldmedaille und das Turnier in Cincinnati gewinnen, hätte der „Djoker“ jeden wichtigen Titel im Tennissport zumindest einmal abgeräumt. Allerdings: Die Herzen fliegen ihm trotz seiner spielerischen Dominanz, seiner Späße auf und abseits des Platzes und seiner humanitären Aktionen nicht so zu wie Federer und Nadal. Es hat seine Gründe, warum Federervon den Fans und seinen Spielerkollegen immer wieder zum beliebtesten und fairsten Spieler gekürt wirdund Djokovic in beiden Kategorien noch nie die Nummer eins war. Aber diese Gründe wären ein Thema für sich.

von tennisnet.com

Montag
23.11.2015, 16:25 Uhr