Ein hochsymbolischer Länderkampf
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
06.03.2016, 13:20 Uhr

Von Miguel Seabra aus Guimaraes
Die Davis-Cup-Begegnung zwischen Portugal und Österreich findet in einer hochsymbolischen Stadt statt - sowohl für die Heimnation als auch das portugiesische Tennis- Tatsächlich wurde nicht nur Portugal in Guimaraes geboren... sondern auch der beste portugiesische Tennisspieler aller Zeiten. Das Heimpublikum wurde auch lautstark erwartet und macht es dem österreichischen Team schwer.
Portugal, die westlichste Nation des europäischen Festlands, ist auch das europäische Land mit den ältesten Grenzen. Und Guimaraes, die Stadt, in der die Davis-Cup-Begegnung zwischen Portugal und Österreich ausgetragen wird, wird als Geburtsort der Nation betrachtet - die Wiegenstadt, wie sie in Portugal genannt wird. Vor langer Zeit im Jahre 1128 fand die Schlacht von São Mamede statt, und der Graf von Portugal, Afonso Henriques, besiegte seine Mutter Teresa (!!!) - und nahm dann den Kampf gegen die Moors auf, um sie vom westlichen Land der Iberischen Halbinsel zu verbannen. Seine Feldzüge waren so erfolgreich, dass er 1139 das Amt des Königs von Portugal für sich beanspruchte.
Guimaraes ist auch die Stadt, in der Joao Sousa, der als der beste portugiesische Tennisspieler aller Zeiten betrachtet wird, geboren wurde. Wenn also Afonso Henriques, der erste König von Portugal, als "Der Eroberer" bezeichnet wurde, besitzt Joao Sousa ebenso diesen royalen Spitznamen. Es ist der erste Länderkampf überhaupt, der in Guimaraes ausgetragen wird, und natürlich hat alles mit Joao Sousa zu tun - der den Länderkampf gegen Gerald Melzer, Jürgen Melzers Bruder, eröffnete. Ich unterstreiche diesen Bruderschafts-Aspekt, weil 2013 ein Challenger in für Joao Sousa maßgeschneiderter Form in Guimaraes organisiert worden war. Und in der ersten Runde wehrte er vier Matchbälle ab, um Antoine Benneteau zu schlagen, dann gewann er das Turnier unter extremem Drick von Seiten der Stadt, seiner Freunde und Fans. Dieser Challenger-Titel ist für ihn ein Sprungbrett in seiner Karriere geworden - danach sprang er auf eine andere Ebene, erreichte die dritte Runde der US Open, dann die ersten Halbfinals auf der ATP-Tour in St. Petersburg und in der Woche darauf seinen ersten ATP-Titel in Kuala Lumpur, im Finale gegen... Julien Benneteau, Antoine Benneteaus Bruder.
Die Davis-Cup-Begegnung Portugal gegen Österreich startete genau mit der Eröffnung von Joao Sousa gegen einen weniger bekannten Bruder - Gerald Melzer. Wie wird der "Eroberer" mit dem extremem Druck, in seiner Stadt, vor seiner Familie und seinen Freunden zu spielen und mit der zusätzlichen Verantwortung, sein Land an solch einem symbolträchtigen Ort für Portugal zu repräsentieren, umgehen? Das ist die Frage - und in Portugal wurde Joao Sousa gegen Gerald Melzer als Pflichtsieg betrachtet. So kam es zwar auch, dennoch gehen die Hausherren aber mit einem 1:2 in den Schlusstag.
Von Guimaraes nach Barcelona
Als Kind war Joao Sousa einer der besten, aber nicht wirklich der Spitzenspieler in den jüngeren Jahrgängen - sein Gefährte und Portugals Nummer zwei Gastao Elias war es. Joao Sousa ging als Teenager nach Barcelona, um in Francisco Roigs Akademie zu trainieren, Barcelona Total Tennis - er hat immer noch dort seine Zelte aufgeschlagen.
Als er noch jünger war, war Joao ein kleiner Hitzkopf, und bei einem Turnier nahe Barcelona war Francisco Roig mit seinem Verhalten nicht glücklich - obwohl er das Match gewonnen hatte. Als Joao zum Minibus ging, um mit seinen Leuten zurück nach Barcelona zu fahren, sagte ihm Roig, "Du kommst nicht mit uns mit"... das Team der Akademie fuhr zurück nach Barcelona, um dort die Nacht zu verbringen und kam am nächsten Tag zurück, während sich Joao nach einem Hostel umsehen musste... er hat diese Lektion nie vergessen.
Francisco Roig, der gewissermaßen Rafael Nadals zweiter Coach ist, denkt, dass Joao Sousa Top-20-Anlagen besitzt - unterstreicht aber, dass es die eine Sache ist, unter die Top 20 zu kommen, die andere, imstande zu sein, dort zu bleiben. Laut Francisco Roig trainiert Joao Sousa oft mit Rafael Nadal und hat sich in der Off-Season auf Mallorca für 2016 vorbereitet.
Nachdem er in der dritten Runde der Australian Open gegen Andy Murray verloren hat, verlor Joao Sousa bei seinen nächsten vier Turnieren in der ersten Runde und hofft, seine Negativserie in Guimaraes zu beenden. Doch eine Sache muss in Betracht gezogen werden: Vergangenes Jahr verspürte er enormen Druck in seinem ersten Davis-Cup-Match gegen Weißrussland, unterlag dem Weltranglisten-302. Egor Gerasimov 6:0, 6:1, 2:6, 2:6, 4:6. In der nächsten Woche erreichte er das Finale in St. Petersburg und gewann später in Valencia seinen zweiten ATP-World-Tour-Titel - wieder in der Halle auf Hartplatz.
Heimischer Boden
Als ich das St.-Petersburg-Halbfinale zwischen Joao Sousa und Dominic Thiem für "Eurosport" kommentierte, war für mich ziemlich klar, dass die Davis-Cup-Begegnung auf Hartplatz gespielt werden sollte - Thiem mag es, von weit hinter der Grundlinie zu spielen und seine besten Resultate erzielte er auf Sand, wohingegen sich Joao Sousa von einem Sandplatzwühler zu einem besseren Spieler auf Hardcourt verändert hat.
Die lustige Sache bezüglich des errichteten Platzes auf der Anlage des Vitoria Sport Club ist... er wurde von Portugiesen gemacht. Offiziell ist es ein GreenSet-Court - GreenSet ist die legendäre französische Platzbau-Firma, die im vorigen Jahrzehnt vom spanischen Star Javier Sanchez (Bruder der berühmteren Emilio und Arantxa Sanchez) gekauft worden war. Und Javier Sanchez' leitender Techniker, der das Legen des Platzes verantwortet, ist ein Portugiese von einer nördlichen Stadt unweit von Guimaraes: Adriano Lago Pereira. Er ist auch dafür verantwortlich, die Plätze bei den prestigereichsten Hallenevents zu legen, inklusive der ATP World Tour Finals und des ATP-Masters-1000-Turniers in Paris-Bercy, ganz abgesehen von den meisten Davis-Cup- und Fed-Cup-Begegnungen...
Der Portugiese Miguel Seabra ist "Eurosport"-Kommentator und berichtet für tennisnet.com live vor Ort vom Davis Cup Portugal gegen Österreich in Guimaraes.