tennisnet.com Kolumne

Quo vadis, deutsches Tennis?

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 18.11.2014, 16:33 Uhr

Ulrich Klaus heißt der 17. Präsident des Deutschen Tennis Bundes. Mit einer geschickten Personalrochade kurz vor der Wahl hat der pensionierte Lehrer dafür gesorgt, dass er eine Amtszeit mit vollen drei Jahren bekommt.Michael Stich hat insgeheim wohl gehofft, dass Klaus nur mit einem Übergangspräsidium für sechs Monate regieren wird und er selbst dann zum Zug kommen könnte. Stich hat sich damit wohl ein Eigentor geschossen. Klaus bleibt nun bis November 2017 sicher im Amt, sofern er sich nichts zu schulden kommen lässt. Ob es eine erfolgreiche Amtszeit werden wird, das wird die Zukunft zeigen. Eines ist jedenfalls klar: Es muss sich so einiges ändern im Deutschen Tennis Bund, um Tennis in Deutschland wieder populärer zu machen.

Als ich im Jahr 1989 mit dem Tennis spielen angefangen habe, gab es noch über 2,5 Millionen Mitglieder im DTB. Tennis war eine Kultsportart, bei der es in einigen Vereinen sogar eine Aufnahmegebühr gab und man sich um freie Plätze streiten musste. 25 Jahre später ist die Mitgliederzahl um über eine Million gesunken. Das hat verschiedene Gründe. Unter anderem fehlen in Deutschland die erfolgreichen Idole wieBoris BeckerundSteffi Graf, aber auch der gesellschaftliche Wandel mit den größeren Sportangeboten und der Ausdehnung der Arbeitszeiten hat dazu beigetragen, dass das Interesse am Tennis stetig abgenommen hat. Sicherlich wurden von den damaligen DTB-Führungen auch gravierende Fehler gemacht. Denn wie heißt es so schön: Die größten Fehler macht man zu Zeiten des größten Erfolgs. Dennoch ist der DTB immer noch der größte Tennisverband der Welt, worauf man sich aber nicht allzu viel einbilden sollte, weil wir Deutsche den großen Hang haben, uns selbst zu organisieren und Vereinen anzuschließen.

Nur zwölf deutsche Top-Ten-Spieler

Ich musste in den letzten Jahren miterleben, wie viele talentierte Tennisspieler die Lust am Tennissport verloren haben. Das hat zum einem mit dem recht hohen Kosten zu tun, um die Sportart wettkampfsmäßig zu betreiben. Die Preise für Tennisbälle für den Punktspielbetrieb gehen immer noch auf keine Kuhhaut, wenn man weiß, dass bei unseren Nachbarn in Österreich Tennisbälle nur halb so teuer sind.Der Hessische Tennis-Verband hat als erster Verband den Kreislauf durchbrochen und bietet nun einen eigenen, günstigeren Ball an. Aber auch fragwürdige Regeländerungen in den letzten Jahren, wie die Einführung des Match-Tiebreaks und die Abschaffung von 6er-Mannschaften in der Sommersaison in fast allen Ligen, haben an der Basis für viel Unmut gesorgt und einigen Spielern die Lust am Tennis genommen.

Es hat den Eindruck, dass es in der Führungsriege im Deutschen Tennis Bund mehr um persönliche Eitelkeiten und Machtansprüche als um die Verbesserung des Tennissports in Deutschland geht. Die Außendarstellung ist seit Jahren alles andere als optimal. Man kann die Frage stellen, ob Deutschland überhaupt zu den großen Tennisnationen zu zählen ist. Seit Einführung der Weltranglisten gab es nur zwölf deutsche Spieler (sieben Damen und fünf Herren), die es in die Top Ten geschafft haben. Darunter sind die Ausnahmespieler Becker und Graf, die es nur alle 50 Jahre geben wird – und im Fall von Graf wohl nie wieder. Für ein Land mit 80 Millionen Einwohnern ist diese Ausbeute bei Top-Ten-Spielern doch sehr dürftig. Natürlich ist die Förderung des Breitensports sehr wichtig und die Grundlage für spätere Spitzenspieler. Aber der Spitzensport im Tennis wird wie in vielen anderen Sportarten in Deutschland zu wenig gefördert. Denn Erfolg zieht weiteren Erfolg nach sich.

Schwache Medienpräsenz und kein Profitennis im Osten

Kinder brauchen auch Idole, wenn sie eine Sportart betreiben. Wenn es keine Erfolge im deutschen Tennis und Spieler gibt, zu denen sie aufschauen können, können Kinder schnell die Lust an der Sportart verlieren. Man möge sich den Fall vorstellen, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft bei jedem Turnier in der Vorrunde ausscheidet und die deutschen Fußball-Vereine in den internationalen Wettbewerben überhaupt keine Erfolge erzielen. Wäre der Fußball dann in Deutschland immer noch so populär, wie er heute ist? Seit 1997 stand das deutsche Davis-Cup-Team nur einmal im Halbfinale. Das deutsche Fed-Cup-Team spielte jahrelang international überhaupt keine Rolle, ehe sie in diesem Jahr erstmals seit 22 Jahren wieder das Finale erreichten.Die Quoten, die Sat.1 mit dem Endspiel erzielte, waren allerdings schwach. Das zeigt ein weiteres Problem, das die neue DTB-Führung anpacken muss. Die Medienpräsenz von Tennis in Deutschland ist stark ausbaufähig.

Es fällt zudem auf, dass professionelles Tennis in den neuen Bundesländern nicht stattfindet, außer in Form des DoppelspezialistenMartin Emmrich, der gebürtig aus Magdeburg stammt. Immerhin leben in den neuen Bundesländern ca. 16 Millionen Menschen. Das ist ein Potential, das man in Zukunft besser nutzen sollte.Michael Stich hat einige gute Denkanstöße gegeben und Ideen vorgestellt, wie man das deutsche Tennis wieder auf Vordermann bringen kann. Es wäre ratsam, wenn man ihn in den nächsten Jahren nicht vergrault und in die Verbandsarbeit integrieren könnte. Es geht um das Wohl des deutschen Tennis. Statt des destruktiven Gegeneinanders wird es Zeit für mehr Miteinander. Für einen Verein/Verband sollte das eigentlich selbstverständlich sein!

von tennisnet.com

Dienstag
18.11.2014, 16:33 Uhr