tennisnet.com Kolumne

Anna-Lena Friedsam – Das Rendezvous mit der Außerirdischen

Anna-Lena Friedsam trifft bei den French Open in der zweiten Runde auf die Weltranglisten-Erste Serena Williams.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.05.2015, 12:05 Uhr

Von Jörg Almeroth aus Paris

Als Anna-Lena Friedsam am Dienstagabend durch das French-Open-Spielerrestaurant ging, konnte sie aus den Augenwinkeln heraus auch Serena Williams beobachten. Die US-Amerikanerin, beste Tennisspielerin ihrer Zeit, stand ein paar Meter entfernt, umringt von Familie, Freunden und Trainern. Es gibt nicht viele Kolleginnen, mit denen die Nummer eins der Planeten abseits eines Tennisplatzes spricht und Kontakt pflegt, Friedsam, die junge Deutsche gehört nicht dazu. Eigentlich bewegen sie sich in komplett verschiedenen Universen, die Frau, die drauf und dran ist, alle Rekorde der Branche zu brechen und selbst die 22 Grand-Slam-Titel einer Steffi Graf noch zu übertreffen. Und das Talent aus der Nähe des rheinischen Andernachs, gerade erst dabei, sich im Nomadenbetrieb zu etablieren, mehr zu werden als ein deutsches Versprechen für die Zukunft. „Serena Williams? Die kenne ich nur aus dem Fernsehen“, sagte Friedsam, Nummer 105 der Tennis-Hitliste, auf die Frage, wie ihr Verhältnis zu der Frontfrau aus Florida sei.

Das wird sich am Donnerstag zumindest sportlich ändern, wenn Friedsam eine Verabredung mit der „Außerirdischen“ (New York Post) hat, in der zweiten Runde der French Open, auf einem der beiden Hauptplätze. Auf großer Bühne, vor großer Kulisse. Ein großer Traum, wahr geworden für Friedsam: „Das war schon immer ein Wunsch. Einmal gegen Serena spielen, solange sie noch spielt“, sagt die 21-Jährige, „ich hoffe, die Situation überwältigt mich nicht.“ Kann man, darf man sich überhaupt eine Chance ausrechnen gegen die Beste der Branche, eine Spielerin, die 19 Grand-Slam-Trophäen, 66 Titel insgesamt und mehr als 67 Millionen US-Dollar Preisgeld gewonnen hat? Oder will man sich nur möglichst teuer verkaufen, eine niederschmetternde Pleite verhindern? „Es geht natürlich ums Gewinnen, ganz klar“, sagt Friedsam, „man muss Serena bewegen, dann spielt sie auch nicht so dominant.“ Es kann aber auch sein, das weiß Friedsam genau, dass man selbst nur bewegt und umhergeschoben wird. Und vor lauter Nervosität kaum einen Ball übers Netz bekommt. „Gegen Serena auf den Platz zu gehen, dann auch zum ersten Mal, das ist schon ein herausfordernder Moment“, sagt Eurosport-Kommentatorin Chris Evert, „sie ist schon eine Person, die dich einschüchtern kann. Manchmal nur mit Blicken.“

„Ich muss mir noch mehr zutrauen“

Friedsam, eine aus der nächsten deutschen Tennis-Generation wieCarina WitthöftoderAnnika Beck, hat allerdings selbst auch ein mächtiges Spiel. Und mächtige Ziele, die sie knapp und schnörkellos formuliert: „Ich will selbst mal zu den Besten gehören, vorne mitspielen und große Turniere gewinnen“, sagt die Oberdürenbacherin (bei Andernach), „am besten einen Grand Slam.“ Ihre Stärken auszuspielen, eben jene knallharten Grundschläge und das offensive Powerspiel, gelingt ihr nicht immer, aber immer öfters. Aber noch nicht oft genug, wie sie selbst weiß: „Ich muss mir noch mehr zutrauen. Ich bringe noch nicht alles, was ich kann, auf den Court.“ Trotzdem habe Friedsam schon „enorme Fortschritte“ gemacht, sei „ganz klar auf dem richtigen Weg“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner über die 21-Jährige, die einst auch eine gute Fußballerin war, bevor sie sich auch auf leichtes Drängeln der Eltern dafür entschied, ihr Glück im Tennis zu versuchen. Die Eleganz und Gewandtheit, mit der sie ihre Gedanken und Ideen im Gespräch darlegt, kommt im übrigen auch nicht von ungefähr: Denn neben dem Aufbau einer Tenniskarriere legte die sympathische Newcomerin auch noch ein prächtiges Einser-Abitur im Fernstudium ab.

Viel zu verdanken hatte Friedsam in jüngeren Jahren ihrer Karriere dem aufgeweckten Coach Bijan Wardjawand, der sie immer wieder zu Eigenverantwortung als Tennisprofessional animierte. „Ich habe mich selbst viel mit Taktik, Trainingsprogramm und Matchführung beschäftigt“, sagt Friedsam, „das stärkt irgendwie auch das Selbstbewusstsein.“ Wardjawand und Friedsam beendeten im Frühling ihre Kooperation, nun arbeitet die aufstrebende Nachwuchskraft mit Sascha Müller, einem Coach aus ihrem Heimatort Oberdürenbach. Am liebsten würde Friedsam auch nicht in erst in ferner Zukunft, sondern schon bald mal für das deutsche Fed-Cup-Team an den Start gehen. „Die Konkurrenz ist gigantisch. Wir haben so viele gute Spielerinnen in Deutschland“, sagt sie, „da muss man schon richtig was bieten.“ Vielleicht einen Sieg gegen Serena Williams zum Anfang.

Hier die Damen-Ergebnisse von den French Open.

Hier der Spielplan.

Weitere Sportnachrichten findest duhier.

von tennisnet.com

Mittwoch
27.05.2015, 12:05 Uhr