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Serena Williams – Jägerin aller Rekorde und von Steffi Graf

Serena Williams sichert sich bei den French Open mit ganz viel Drama und einer großen Portion Willenskraft ihren 20. Grand-Slam-Titel.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 07.06.2015, 10:20 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Und dann musste es auch noch kommen, das Wort zum Feier-Tag, zum Abschluss der Titelmission: „Ich liebe Euch alle“, rief Serena Williams mit gerührter Stimme in die Weiten des Pariser Centre Courts. Drückte dann noch einmal in großer, filmreifer Geste den „Coupe Suzanne Lenglen“ ans Herz, strahlte und verdrückte im nächsten Moment schon wieder ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Wer wollte ihr da noch widerstehen, der Siegerin der Internationalen Französischen Meisterschaften 2015 – der Charmeoffensive jener Frau, die beim Abgang vom Roland Garros-Festspielplatz,nach dem 6:3, 6:7 (2), 6:2 gegen die Tschechin Lucie Safarova, noch die Worte aus dem Mikrofon erschallen ließ: „Das alles hier ist ein großer Traum für mich. Ich bin doch nur ein Kind aus Kalifornien.“

Weder störrische Gegnerinnen noch tückische Grippeviren hatten die 33-jährige Großmeisterin bei einer Grand-Slam-Kampagne bremsen können, die mit dem Gewinn des nun schon 20. Majortitels und dem dritten Sieg unterm Eiffelturm endete. So rätselhaft ihre Auftritte in den letzten beiden French-Open-Wochen gewesen waren, mit massiven Problemen selbst gegen krasse Außenseiterinnen wie die Deutsche Anna-Lena-Friedsam, so merkwürdig gingen die Ausscheidungskämpfe auch vorüber für die US-Amerikanerin:Eben noch sterbenskrank im Halbfinalduell gegen die Schweizerin Timea Bacsinszky, sogar ganz von der Turnier-Bildfläche verschwunden nach jenem umstrittenen Auftritt, präsentierte sich die Wuchtbrumme beim finalen Ernstfall kerngesund und hielt drei Sätze mühelos durch. „Am Freitag habe ich sogar mal nachgedacht, ob ich aufgeben soll. Aber das habe ich natürlich wieder verworfen“, sagte Williams.

„Ihre Willenskraft ist unschlagbar“

Dass man bei ihr immer wieder auf Neues, Unvorhersehbares, Kurioses gefasst sein muss, bewies die bestimmende Spielerin dieser Epoche in diesen Pariser Frühlingswochen jedenfalls eindrücklich: Nicht weniger als fünf Mal gingen ihre Partien über die volle Distanz, gleich vier Mal musste sie sich von einem 0:1-Satzrückstand ins Match und zum Sieg zurückfighten. „Ihr Tennis war nicht immer imponierend. Ihre Willenskraft ist aber unschlagbar“, sagte die frühere Weltranglisten-Erste Chris Evert, „sie weiß, dass sie Geschichte schreiben kann. Sie will diese Siege jetzt mehr als in jedem anderen Stadium ihrer Karriere.“

Evert, aber auch die Zeremonienmeisterin des Samstags, Martina Navratilova, hat die Nummer eins dieser Tennistage schon überrundet, beide hatten sich in den 70er und 80er Jahren jeweils 18 Grand-Slam-Trophäen geteilt. Nur noch eine Spielerin in der Profiära dieses Sports rangiert jetzt vor der jüngeren Schwester aus dem Williams-Clan – und die heißtSteffi Grafund hat 22 Grand-Slam-Titel gewonnen,den letzten davon im denkwürdigen Pariser Finale 1999 gegen Martina Hingis. Graf, die am Wochenende zu einem kurzen Sponsorenbesuch auf der Roland-Garros-Anlage zu Gast war, das Finale aber nicht im Stadion verfolgte, hat längst prophezeit, „dass Serena mich überholen wird und eine neue Allzeit-Bestleistung aufstellt.“

Das gesamte Preisgeld fürs Fluchen?

Graf hängt nicht an ihrem Spitzenplatz. Aber Williams, in früheren Stadien ihrer Karriere von Schlendrian und Lethargie geplagt, will die ewige Nummer eins werden, besser als jede andere. „Warum sollte ich nicht mit diesem Paukenschlag aufhören“, sagte die 33-Jährige, die bei einem Triumph in Wimbledon Grafs Karrieremarke dann schon in New York bei den US Open einstellen könnte. Und, wie Graf 1988, dann auch den echten Grand Slam gewinnen könnte, alle vier Majors in einem Kalenderjahr.

Mit dem Ehrgeiz, diese Ziele und Optionen nicht aufs Spiel zu setzen, rettete sie sich auch irgendwie ins Pariser Ziel, zu Titel Nummer 20. Großes Tennis spielte sie selten, bizarres Kino gab es öfters zu sehen,besonders beim fragwürdigen Gastspiel im Halbfinale gegen die sympathische Schweizerin Bacsinszky. Auch an ihrem Finalauftritt ließen Experten kein gutes Haar, vor allem nicht an den unzähligen Obszönitäten und Flüchen, die Williams über den Court bombardierte.Wenn die Weißrussin Azarenka für eine Beschimpfung gegen Williams im Drittrundenspiel der beiden mit 7000 Euro bestraft worden sei, so rechnete ein kritischer Spaßvogel vor, „dann müsste Serena nach dem Finale ihr ganzes Preisgeld abgeben.“ Und das betrug immerhin 1,8 Millionen Euro.

Hier die Ergebnisse von den French Open:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.

von tennisnet.com

Sonntag
07.06.2015, 10:20 Uhr