tennisnet.com Kolumne

Gewinner und Verlierer

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.02.2015, 18:26 Uhr

GEWINNER

Australian Open

Es ist noch nicht lange her, da wurde das „Major“-Turnier in Melbourne als „hässliches Entlein“ unter den Top-Wettbewerben abgekanzelt – weder in Bedeutung noch Infrastruktur auch nur annähernd auf einer Stufe mit Wimbledon, Paris oder New York. Manche erinnern sich wohl auch noch an Top-Stars, die erst gar nicht die lange Reise ans andere Ende der Welt antraten, auchAndre Agassigehörte zu ihnen in den 90er-Jahren. Und nun: Kein anderes Grand-Slam-Event ist so modern, publikumsnah und zeitgemäß. Wo andernorts die Neuausrichtung zögernd bis schleppend vorangeht, allem voran bei den French Open, verfügt das Turnier in Melbourne inzwischen schon über drei große überdachte Showcourts. Das ist gut für Fans, aber auch für TV-Anstalten und Fern-Seher, die Planungssicherheit fürs Tennisvergnügen haben. Auch das Damenfinale fand schließlich nach einsetzendem Regen sozusagen indoors statt.

Madison Keys

Die junge US-Amerikanerin könnte DAS Gesicht des Damentennis der Zukunft werden. Bei diesen Australian Open deutete die neuerdings vonLindsay Davenportgecoachte Teenagerin ihr buchstäblich gewaltiges Potenzial an. Erst auf der Zielgeraden des Grand-Slam-Marathons gingen Keys die Kräfte aus. Aber es musste schon die spätere SiegerinSerena Williamskommen,um die talentierte Landsfrau im Halbfinale zu stoppen.

Das Wetter

Wie war das noch 2014 in Melbourne? Grand-Slam-Tennis als Extremsport, in glühender, höllischer Hitze. Körperliche Zusammenbrüche von Spielern, hitzige Diskussionen übers Regelwerk, Kritik an Veranstaltern und den Profigewerkschaften. Und nun, 2015? Das Beste war: Das Wetter war kein Thema. Und jetzt und hier ist es auch nur ein Thema, weil es kein Thema war. Es war gemäßigt warm, eher mal zu frisch am Yarra River. Das war in einem Land, das seit vielen Jahren und Sommern unter verheerenden Buschbränden leidet, dann sogar eine sehr gute Nachricht, völlig abseits des Tennis.

VERLIERER

Die „Generation Next“ im Herrentennis

Nach zwei Gewinnern außerhalb der Nomenklatura der „Großen Vier“ (Djokovic,Nadal,Federer,Murray) im Jahr 2014 lautete das Verdikt vieler echter bzw. selbsternannter Experten für diese Saison: Wachablösung an der Spitze, Umwälzung der Hierarchie. Doch die gerade erst begonnene Serie könnte alles andere als dies liefern – nämlich die Bestätigung des Status quo und damit eine gewisse Langeweile auf allerhöchstem, brillantem Niveau. Keiner aus der „Generation Next“ schaffte es überhaupt nur ins Halbfinale, dort war das Establishment unter sich mit Djokovic, Murray,BerdychundWawrinka. Und viel gehört nicht dazu, die Prophezeiung zu wagen, dass die in Melbourne schwächelnden Federer und Nadal bei den nächsten Top-Terminen eher wieder mit im Titelspiel sind als die Jüngeren und ganz Jungen im Wanderzirkus.

Der Davis Cup

Es wurde bejubelt und in höchsten Tönen gefeiert: Dasrauschende Davis-Cup-Finale der Saison 2014, mit dem gutbesetzten Kollektiv der „Grande Nation“ und den großen Schweizer Namen Federer und Wawrinka. Doch wenn nicht alles täuscht, wird der Nationenwettbewerb in diesem Jahr eher Schlagzeilen durch Abwesenheiten liefern, durch den reihenweisen Verzicht der Stars. Die Kombination Fedrinka wird wohl dazugehören, nicht zuletzt wegen des Umstands, wie sie beide, Federer und Wawrinka, noch in Melbourne für den Auftritt in Lille büßen mussten. Auch andere Größen wie Nadal oder Djokovic, die den Pokal schon mehrfach gewonnen haben, zeigen wenig Neigung, das Länderspiel-Jahr durchzuspielen. Sporadische Einsätze planen viele nur, weil es Bedingung für den Olympiastart 2016 in Rio ist. Apropos 2016: Das wird ein noch schwierigeres Jahr für den Davis Cup, denn dann ist die Termin-Vielfalt und -Not noch größer.

Steffi Graf

Serena Williams, die große Gewinnerin von Melbourne, lässt eine Große der Vergangenheit so langsam bangen: Mit dem19. Grand Slam-Titel ihrer Karriere, erstritten im Finale gegenMaria Sharapova, rückt die Wuchtbrumme aus Amerika immer näher an Steffi Graf an. Die hält noch immer die Bestleistung für die moderne Tennis-Ära, mit 22 Siegen auf den vier bedeutendsten Bühnen des Welttennis, kann aber nur noch tatenlos zuschauen, wie der Vorsprung dahin schmilzt. Graf hörte einst verletzungsgeplagt in der Tretmühle der Tour auf, kurz nach ihrem 30. Geburtstag. Serena aber macht weiter, immer weiter. Auch jetzt, mit 33 Jahren, ist noch kein Ende ihrer Titeljagd in Sicht.

Und die Österreicher? Dies kann mein KollegeManuel Wachtabesser beurteilen.

GEWINNER

1.Jürgen Melzer, der sein klar gesetztes Ziel, sich für den Hauptbewerb zu qualifizieren, übertraf. TrotzKrämpfen in beiden Beinensetzte er sich im Qualifikationsfinale gegen den wiederaufkommenden BelgierSteve Darcisdurch und schlugin der ersten Hauptrundeauch Tennis-ExotVictor Estrella Burgosaus der Dominikanischen Republik. Der spätereRafael-Nadal-Bezwingerund Halbfinalist Tomas Berdych war dannnach bitter verlaufenem erstem Satz eine Nummer zu groß, die Rückkehr unter die Top 100 ist dennoch geschafft. Und 2. Andreas Haider-Maurer, der nach seinemin Chennai erreichten ersten ATP-Viertelfinale seit Gstaad im Juli 2011nachlegte und dem in Melbourne das gelang, was man sich von ihm von der Auslosung her auch erwarten konnte: derEinzug in die zweite Runde. Dort waren 20 Asse gegen die 28 von US-AufschlagrieseJohn Isnerzu wenig,er verkaufte sich aber anständig. Mit weiteren Leistungen wie diesen ist der Niederösterreicher auf gutem Wege, sich in den Top 100 der Welt zu halten.

VERLIERER

1.Dominic Thiem, von dem man sich diesmal freilich nicht allzu viel erwarten konnte.Aufgrund einer Grippe hatte er zu Saisonbeginn fürs ATP-Turnier in Doha absagen müssenund war mitAuftaktniederlagen im EinzelundDoppelaus Auckland angereist. Körperlich war der 21-jährige Jungstar durch diese Vorbereitung weit von seiner Bestverfassung weg. Gegen den zähen SpanierRoberto Bautista Aguthielt er dennoch gut mit, vergab jedoch viel zu viele Chancen. Der Saisonstart ist auf jeden Fall in die Hose gegangen. Und 2. Österreichs Damentennis.Yvonne Meusburgergab im zweitgrößten Stadionihre große Abschiedsvorstellung,Patricia Mayr-Achleitnerschied nach verletzungsreicher Vorbereitungin der ersten Qualifikationsrundeaus. Das war’s auch schon für die rot-weiß-roten Vertreterinnen.

von tennisnet.com

Montag
02.02.2015, 18:26 Uhr