tennisnet.com Kolumne

Keine Weltranglistenpunkte bei Olympia

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 21.04.2016, 06:59 Uhr

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"Dabei sein ist alles!" - so lautet ein deutsches Motto für die Olympischen Spiele. Doch heutzutage steht immer mehr das offizielle Motto "Schneller, höher, weiter" im Vordergrund. Dennoch ist allein schon die Teilnahme an den Olympischen Spielen für die meisten Sportler ein Lebenstraum. Da bilden auch die Tennisspieler keine Ausnahme. Das olympische Tennisturnier hat zwar nicht den Stellenwert eines Grand-Slam-Turniers, aber die Bedeutung der Olympischen Spiele ist über die Jahre immer mehr gestiegen. Eine olympische Medaille sowie überhaupt die Teilnahme rundet die Vita eines jeden Tennisspielers ab.

So richtige Chancengleichheit herrscht aber nicht beim olympischen Tennisturnier. Das liegt schon daran, dass nicht alle Spieler, die sich für Olympia qualifiziert haben, auch spielen dürfen. Einige können nicht teilnehmen (Andrea Petkovic und Rafael Nadal sagten verletzt ab), anderen wollen nicht teilnehmen (Florian Mayer und Mardy Fish) und andere dürfen nicht teilnehmen (Tommy Haas, Marion Bartoli und Alexandr Dolgopolov). Bei den ersten beiden genannten Fällen können die Spieler nichts dafür oder sind selbst schuld, dass sie nicht antreten.

Konzentrieren wir uns aber mal auf die Spieler, die nicht teilnehmen dürfen. Und da sind vor allem die Spanier betroffen. Die Spanier hätten weitaus mehr Spieler als die vier Einzel-Starter, die jede Nation höchstens zur Verfügung hat, stellen dürfen. Betroffen waren Feliciano Lopez (rückte nach der Nadal-Absage noch nach), Marcel Granollers, Pablo Andujar, Juan Carlos Ferrero und Albert Ramos, die am Stichtag am 11. Juni allesamt die Olympia-Kriterien der ITF erfüllt hatten. Lopez hätte eigentlich als Weltranglisten-17. nicht im Einzel starten dürfen, da vier Spanier besser platziert waren. Auch Granollers guckte als Nummer 22 in die Röhre. Bei jedem anderen Turnier wären die beiden Spanier ziemlich weit vorne in der Setzliste vertreten gewesen. Granollers wurde immerhin für ein spanisches Doppel nominiert.

Nach der verletzungsbedingten Absage von Ivo Karlovic wäre der Spanier nach der Rangliste eigentlich der erste Nachrücker gewesen. Doch da das spanische Kontingent und von anderen Nationen erschöpft war, durfte Philipp Petzschner nachrücken. Bei den Damen verhielt es sich genauso mit den Russinnen, bei denen Anastasia Pavlyuchenkova und Svetlana Kuznetsova zu Hause bleiben mussten. An sich ist diese Regelung recht fair, damit auch andere Nationen Olympia-Starter stellen können. Es ist aber ein Dorn im Auge, dass es beim olympischen Tennisturnier Weltranglistenpunkte gibt. Seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gibt es diese Regelung. In diesem Jahr bekommt der Olympiasieger 750 Punkte, die Olympiasiegerin erhält 685 Punkte. Bei Olympia sollte es aus meiner Sicht einzig und allein um die Medaillen und das Prestige gehen und nicht um Punkte für die Weltrangliste. Man spielt in erster Linie für sein Land und nicht für irgendwelche Ranglistenpunkte. So gibt es verständlicherweise auch kein Preisgeld bei Olympia.

Einem Spieler wie Granollers, der bei jedem anderen Turnier startberechtigt gewesen wäre, gehen also mögliche 750 Punkte durch die Lappen. Die Weltrangliste wird dadurch extrem verwässert. Granollers wird von einigen Spielern in der Rangliste überholt werden und muss damit auch um gute Positionen bei der Setzliste, vor allem bei den US Open, bangen. Es muss aber auch gesagt werden, dass parallel zum olympischen Tennisturnier keine weiteren Turniere stattfinden sollten. Zum einen, um den Wert des olympischen Turniers noch zu steigern, zum anderen, um Chancengleichheit herzustellen. Parallel zu Olympia wird in Washington ein ATP- und ein WTA-Turnier ausgetragen. So können die topgesetzten Mardy Fish und Anastasia Pavlyuchenkova in Abwesenheit vieler Spieler recht einfach viele Weltranglistenpunkte abgreifen. Der Sieger in Washington erhält 500 Punkte, die Siegerin 280 Punkte. Um diese Punkteausbeute (500 Punkte) einzufahren, muss man bei Olympia schon ins Finale kommen. Dabei sein ist eben nicht mehr alles, es geht heutzutage um viel mehr.

von Christian Albrecht Barschel

Donnerstag
21.04.2016, 06:59 Uhr