"Die Schlimmsten sind die, die nur vom Trainer-Input abhängig sind"
Der Leiter der Tennis-Zone im Gespräch mit tennisnet.com.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
08.12.2011, 01:23 Uhr

(Auf dem Foto von links nach rechts: Werner Eschauer, Roland Berger)
Die tennisnet.com-Jugendserie, Teil 9:Ab sofort stellt tennisnet.com in einer Serie die hoffnungsvollsten österreichischen Nachwuchstalente vor und spricht mit Betreuern und Experten über die rot-weiß-roten Stars von morgen und die Arbeit im Jugendbereich.
Gemeinsam mitWerner Eschauerbetreibt der gebürtige Steirer Roland Berger, 47, in Wieneines der größten Leistungszentren des Landes. MitDominic Weidingerund seit neuestem auchU18-Meister Johannes Schrettergehören zwei der vielversprechendsten Nachwuchshoffnungen zur Tennis-Zone. Im tennisnet.com-Interview spricht Berger außerdem über häufige Trainerwechsel, erklärt, ab wann Schulabbruch tatsächlich erst zur Option werden sollte und verrät, warum er sich über Ronnie Leitgeb als ÖTV-Präsident freuen würde.
Roland, Dominic Weidinger trainiert seit Sommer in eurer Akademie. Was ist dein Eindruck von ihm nach den ersten Monaten?
Roland Berger: Ich bin sehr angetan. Seine Pluspunkte sind für mich eindeutig. Er hat die Disziplin, tagtäglich vollkommen fokussiert zu arbeiten. Die richtige Einstellung und ein psychisches Grundgerüst, das ihm bei seiner Weiterentwicklung zu gute kommen wird.
Was bedeutet das für euch als Betreuer?
Das macht uns die Sache natürlich einfacher. Ich muss sagen, dass er mich von der Einstellung her sehr an den Werner (Anm.: Eschauer) erinnert, mit dem ich ja auch als Trainer acht Jahre lang gearbeitet habe. Wenn die Einstellung im Vorhinein passt, können wir uns ganz auf das Wesentliche konzentrieren.
Und was ist das derzeit bei Dominic?
Er ist, wie er schon selbst im Interview gesagt hat, mit einem guten Grundgerüst zu uns gekommen. Wir arbeiten derzeit an der Feinabstimmung der Schläge, an der technischen Präzision, Schlagmustern und taktischen Spielzügen. Da hat er noch viel Luft nach oben.
Er ist in letzter Zeit viel gewachsen. Inwiefern müsst ihr darauf Rücksicht nehmen?
Der Bursche hat eine unheimliche Rohkraft! Dadurch, dass er so „geschossen“ ist, muss man eben permanent an der Feinheit arbeiten. Besonders zu Beginn der Pubertät ist es wichtig, vorsichtig mit dem Körper umzugehen.
Seit Ende September trainiert mit dem Steirer Johannes Schretter der regierende U18-Meister Österreichs bei euch...
Johannes hat uns kontaktiert und hat sich alles einmal auf Probe angeschaut. Nachdem es ihm sehr gut gefallen hat, hat er sich entschlossen für das Tennis seinen Lebensmittelpunkt aus der Steiermark nach Wien zu verlegen. Ich kenne seine Eltern noch von meiner Tennislehrerzeit in Loipersdorf vor 25 Jahren – das hat natürlich auch etwas zur Bindung beigetragen.
Was konntet ihr ihm bieten, was er zu Hause nicht hatte?
Ich denke, dass es ihm taugt, dass hier sein Umfeld komplett abgedeckt ist und eine Menge an Hitting-Partnern permanent zur Verfügung stehen.
Schretter hat einen Wohnortswechsel hinter sich, Weidinger hat in den letzten Jahren mehrere Trainerwechsel hinter sich. Neue Impulse hin und her – wie störend sind diese Veränderungen für junge Spieler?
Natürlich ist es bei häufigen Wechsel so, als wie wenn ich jedes Jahr in der Schule einen neuen Mathe-Professor bekomme. Das ist schwierig, keine Frage. Aber jeder Trainerwechsel hat einen Grund – denn so gut wie immer basiert dieser auf Unzufriedenheit, von welcher Seite auch immer. Wenn dann zum Beispiel das Gefühl entsteht, dass es nicht möglich ist, es auf das nächste Level zu schaffen...
... dann ist ein Trainerwechsel unumgänglich.
Richtig, das Gefühl zu stehen, ist für den Spieler das Schlimmste. Dass da die Vertrauensbasis dem Trainer gegenüber verloren geht, ist klar. Und dann glaubt man logischerweise auch nichts mehr. Was ich damit eigentlich sagen will, ist, dass die Trainer-Spieler-Beziehung eine unglaublich sensible Geschichte ist.
Was macht ihr, dass dieses Gefühl erst gar nicht entsteht?
Tagestrott ist tödlich, da darf man nicht reinfallen. Man kann zwar nicht immer alles neu erfinden, aber man kann sich bemühen, immer neue Reize zu bieten. Auch geistig – damit die Spieler auch von selbst weiterarbeiten und nicht nur vom Input des Trainers abhängig sind.
Inwiefern abhängig?
Lernen, was der Trainer sagt, ist gut. Aber der Spieler muss auch für sich selbst etwas mitnehmen. Die Schlimmsten sind wirklich die, die nur vom Trainer-Input abhängig sind – denn dann haben sie draußen ein Problem. Im Match müssen sie permanent alleine Entscheidungen treffen, egal, wie viele Betreuer vor Ort sind.
In der Vergangenheit waren Spieler eurer Akademie weniger auf den Jugendturnieren unterwegs. Warum ist das so? Ist das Teil eurer Philosophie?
Bei unseren Spielern wie zum Beispiel Stefan Rettl war es in der Vergangenheit so, dass die Schule vorerst im Vordergrund gestanden ist. Unserer Meinung nach macht es nur dann Sinn, intensiv Jugendturniere zu spielen, wenn man damit früh genug beginnt und die Zeit und das Geld hat, sich ganz nach vorne zu spielen. Hat man eine der Komponenten vorerst nicht, muss man sich die Frage stellen, ob es nicht gescheiter ist, lieber in Österreich Preisgeldturniere bei den Erwachsenen zu spielen und zu versuchen, eher früher auf der Future-Ebene einzusteigen.
Wie stehst du persönlich dazu, dass einige Jugendliche für das Tennis die Schule aufgeben?
Das muss man sich von Fall zu Fall anschauen. Wenn man mit 14, 15 Jahren international sehr weit vorne ist, ist das sicher eine Option – dann geht man diesen Weg eben absolut.
Und wenn man das nicht ist?
Dann habe ich dafür eigentlich kein Verständnis. Man kann aber durchaus nach abgeschlossener Schulausbildung durchstarten. So wie das die meisten bei uns in Verbindung mit einer Sportschule machen. Dass sich der Karrierestart dadurch um ein paar Jahre verzögert, sehe ich nicht als großes Problem, da sich der Altersdurchschnitt der Top-Spieler sowieso während der letzten Jahre nach hinten revidiert hat.
Nur wenige Teenager schaffen es, sich im ATP-Ranking schnell nach vorne zu spielen...
So ist es. Es gibt zwischen ATP 100 und 200 nur sehr wenige, die schon im jungen Alter sehr gut sind. Das Spiel ist in den letzten Jahren viel kraftvoller und schneller geworden und dadurch vor allem der Sprung von den Futures zu den Challengern schwieriger geworden. Insbesondere ohne Wildcards nimmt dieser Übergang im Normalfall eine längere Zeit in Anspruch.
Reicht es im Herrentennis derzeit überhaupt noch, ein solider Allrounder zu sein?
Es gibt solide Allrounder, die sich mit allem Aufwand zwischen 100 und 150 halten können. Weiter nach vorne zu kommen, ist ohne Waffe heutzutage kaum mehr möglich. Das Spiel hat sich in den letzten fünf Jahren stark verändert. Kaum jemand steht noch zwei Meter hinter der Grundlinie – die Spieler arbeiten in den Platz hinein, spielen viel aggressiver.
Welcher Schlag entscheidet auf hohem Niveau derzeit die Matches?
Für mich ist es absolut der Return, über den gewinnt man die Matches. Und das sehen auch unsere jungen Spieler, wenn sie zum Beispiel mit einem Oliver Marach trainieren dürfen.
Du sprichst es gerade an. Wie viel wert ist es für die Jungen, wenn sie bei euch immer wieder die Möglichkeit bekommen, mit aktuellen Weltklassespielern zu trainieren?
Das ist für die Jugendlichen ein enormer Faktor. Auf einmal steht da drüben zum Beispiel ein Top-20-Mann im Doppel und akzeptiert, dass du sein Trainingspartner bist. Der Bursche kapiert dann, auf welcher Frequenz Vollprofis trainieren und spürt, was man tun muss, um auch einmal auf so ein Level zu kommen. Er versteht, was es bedeutet Tennisprofi zu sein, was die Realität in diesem Sport ist. Etwas Besseres kann ihm psychologisch gesehen gar nicht passieren.
Clemens Trimmel ist ab Jänner neuer Sportdirektor, Ronnie Leitgeb wird wohl ÖTV-Präsident werden. Wie stehst du zu dieser Personalveränderung?
Ich sehe das sehr, sehr positiv. Für mich ist Ronnie ein sehr guter Mann – er ist für mich eine absolute Leitfigur im österreichischen Tennis, hat mit Tom bewiesen, wie es sportlich funktioniert. Und hat über Jahre mit der Organisation des Davis Cups gezeigt, wie man auch auf wirtschaftlicher Ebene erfolgreich sein kann.
Seine Wahl wäre also doppeltes Glück für Österreichs Tennis...
Ja, speziell in der jetzigen Situation der Wirtschaftsbeschaffung ist ein Mann dieses Kalibers ein Glücksfall.
Und Clemens Trimmel?
Clemens kennt alle und weiß sehr wohl, um was es geht. Schon als Spieler war er eine sehr integere Person. Er wird seine Aufgaben, denke ich, gut meistern.
Er strebt vor allem einebessere Kommunikationan...
Davon, dass es in Zukunft in irgendeiner Form eine bessere Kommunikationsbasis zwischen den privaten und dem staatlichen Leistungszentrum geben wird, bin ich überzeugt. Das ist aber auch nicht schwer.(lacht)Viele private Einrichtungen bringen gute Leistung und ich freue mich darauf, dass jetzt auch von Verbandsseite ein anderes kommunikatives Zeitalter anbricht.(Foto: Tennis-Zone)
Das Interview führteChristoph Wagner.