Roland Garros: Die Zeugnisse vor dem großen Finale
Heute Nachmittag fallen in Roland Garros die letzten großen Entscheidungen. Wir verteilen davor schon unsere Zeugnisse …
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
11.06.2023, 09:34 Uhr
Sehr gut: Iga Swiatek, Novak Djokovic, Casper Ruud
Fangen wir mit der nunmehr dreimaligen Siegerin in Roland Garros an: Swiatek hat im Laufe des Turniers davon gesprochen, dass sie nicht ihr bestes Tennis spiele. Das mag so gewesen sein. Auch und vor allem nach dem 3:0 im zweiten Finalsatz gegen Karolina Muchova. Die athletische Verfassung der Polin gepaart mit ihrer heavy Vorhand und dem Kickaufschlag waren alles in allem aber dann doch wieder gut genug. Und ihr Kampfgeist- vor allem im dritten Satz gegen Muchova.
Wer bei den Männern den Pokal hochhält, steht noch nicht fest - aber alle Zeichen deuten auf Novak Djokovic. Der serbische Großmeister hat gegen Carlos Alcaraz gezeigt, dass er immer dann da ist, wenn es eng wird. Natürlich hat er von den Krämpfen des Spaniers profitiert. Aber die sind ja erst zustanden gekommen, weil Djokovic Alcaraz so unbarmherzig Kontra gegeben hat.
Casper Ruud ist mit wenigen Erfolgserlebnissen nach Paris gekommen. Hat sich aber wieder richtig in das Turnier hineingefuchst. Und sein drittes Major-Finale erreicht. Wohl wie im vergangenen Jahr gegen einen für ihn wohl nicht schlagbaren Gegner.
Sehr gut, mit kleinstmöglichem Minus: Karolina Muchova
Auch wenn Muchova das Endspiel gegen Iga Swiatek verloren hat (nach zweimaliger Break-Führung im dritten Satz!!)— die Tschechin hat nicht nur mit Maria Sakkari (gleich in Runde eins) und im Halbfinale Aryna Sabalenka zwei absolute Spitzenkräfte aus dem Weg geräumt. Nein, es war vor allem auch die Art und Weise, wie Muchova das geglückt ist: mit variantenreichem Offensivtennis. Netzangriffe, Slice, Stopps - es war fast wie eine Gebrauchsanweisung für junge Spielerinnen, wie man vielleicht vom üblichen Auf-jeden-Ball-Draufdreschen wegkommen könnte.
Sehr gut: Taylor Townsend
Yep. Taylor Townsend. Es ist immer schwierig zu sagen, dass jemand der oder die beste DoppelspielerIn der Welt ist. Weil es gehört ja immer auch noch ein zweiter Part dazu (bei den Männern galt in den letzten Jahren Jack Sock als der beste Paarläufer - fast egal, mit wem er aufgeschlagen hat). Aber die Art und Weise, wie Townsend in diesem Jahr in Roland Garros retourniert und vor allem volliert hat, sucht ihresgleichen. Heute kann die amerikanische Linkshänderin mit Leylah Fernandez den Doppel-Titel holen.
Gut mit Tendenz zum Sehr Gut: Sebastian Ofner
Aus österreichischer Sicht war Sebastian Ofner der Mann des Turniers. Sechs Matches hat der Steirer gewonnen, das garantiert normalerweise einen Platz im Endspiel. Nachdem Ofner aber in der Qualifikation starten musste (was ihm in Wimbledon noch droht, bei den US Open dann nicht mehr), hat es zum Achtelfinale gereicht, in dem dann Stefanos Tsitsipas zu stark war. Gemessen an der Ausgangssituation ein überragender Erfolg für Ofner. Der ab Montag solide unter den Top 100 stehen wird.
Gut: Alexander Zverev
Zverev ist sehr optimistisch nach Roland Garros gekommen. Und ganz offensichtlich war dieser Optimismus berechtigt. Ein frühes Aus hätte den Deutschen in der Weltrangliste weit nach hinten geworfen, nun hat Zverev sein Halbfinale von 2022 bestätigt, kann in den kommenden Monaten völlig unbelastet auf Punktejagd gehen.
Befriedigend: Die große Merchandise-Boutique
Füchse sind sie schon, diese Franzosen. Da gibt es also nicht nur jeweils ein offizielles Handtuch für die Männer und die Frauen (das ist schon seit ein paar Jahren so), mittlerweile ist auch noch ein Exemplar für die Night Sessions auf dem Markt. Und nicht für kleines Geld: Die Strand-Version, zugegeben sehr schön geworden, kostet zarte 80.- Euronen. Die Bettwäsche im Roland-Garros-Stil deutlich mehr als 100.-. Um das zu verdauen, müsste man sich ja fast ein Gläschen Champagner gönnen - würde man dafür nicht 18.- Euro abdrücken müssen.
Gerade noch befriedigend: Holger Rune und Stefanos Tsitsipas
Rune hat nach seinem Ausscheiden gegen Casper Ruud gemeint, dass er nie sein bestes Tennis in Roland Garros 2023 gefunden hat. Gegen Francisco Cerundolo zog Rune noch einmal seinen Kopf aus der Schlinge. Zwei Tage später ging er gegen Ruud vor allem in den ersten beiden Sätzen unter. Selbiges lässt sich über Stefanos Tsitsipas gegen Carlos Alcaraz sagen. Tsitsipas war davor souverän, aber am Ende doch ganz weit entfernt vom ersehnten ersten Major-Titel.
Bestenfalls ausreichend: Das Pariser Publikum
Man kann den Zuschauern, die für verhältnismäßig viel Geld Tickets für ein Grand-Slam-Turnier gekauft haben, ja zugute halten, dass es ihnen an einem Donnerstagnachmittag nicht darum geht, in der (Sport-)Politik eine Seite zu wählen. Aber Pfiffe für Marta Kostyuk und Elina Svitolina, weil sie ihren russischen/belarussischen Gegnerinnen, völlig erwartbar übrigens, den Handschlag verweigern? Pfiffe auch für Novak Djokovic (ohne politische Komponente) nach dessen Sieg gegen Carlos Alcaraz? Und, schon fast wieder vergessen, die Behandlung, die Taylor Fritz von doch sehr vielen Fans erfahren hat? Das ist alles nicht neu. Und jedes Jahr auf´s Neue enttäuschend.