Gesucht: Typen wie Julian Reister
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
10.10.2016, 12:22 Uhr

Julian Reisterwar in den letzten Wochen, Monaten, sogar Jahren von unserem Radar verschwunden. So schnell geht das heute in der allgemeinen Schnelllebigkeit, aus den Augen, aus dem Sinn. Aber der Tennisspieler mit dem mächtigen Punch, der als sympathisch hellsichtiger Professional zeitweise in die großen Schlagzeilen geriet, nicht zuletzt mit einem denkwürdigen Grand-Slam-Auftritt in Paris gegenRoger Federer, hat sich noch einmal mit einem medialen Trommelwirbel aus seinem Berufsleben und unserer journalistischen Beobachtung verabschiedet.Sein Abschiedsbrief ans und vom Tennishat zu Recht großen Respekt und große Wertschätzung erfahren, Reister beschreibt darin die Liebe zu seinem Sport, aber auch das am Ende zwiespältige Verhältnis zu seiner Arbeit und die Mühen, sich von immer neuen Verletzungen zu erholen.
Reister erfährt auch deshalb immense Beachtung, weil sich hier einer ohne die vorgestanzten, immer gleichen Worte verabschiedet. Und auf eindrucksvolle Weise Klartext redet. Der 30-Jährige gibt sogar zu, vielleicht zu soft gewesen zu sein für eine Welt, die von starken, stärkeren und den stärksten Alpha-Tieren regiert wird. Und in der schließlich ausgelesen wird, wer nicht im Egoisten-Geschäft klarkommt. Reisters Einschätzung kommt allerdings keineswegs wehleidig oder larmoyant daher, sondern in pragmatischer Diktion – von jemandem, der erkannt hat, dass ihm bei allem Talent wohl gewisse Eigenschaften fehlten, um ganz oben landen zu können. Dies aber macht den Menschen Reister nur umso wertvoller, der jetzt eine Karriere nach der Tenniskarriere beginnt. Man könnte sich den Norddeutschen gut als jemanden vorstellen, der junge und ganz junge Spieler zu motivieren weiß – gerade aus seiner wechselvollen Biographie heraus.
Das organisierte deutsche Tennis braucht Typen wie Reister, die von der Faszination dieses Sports erzählen können. Und zwar gerade in einem Moment, da sich das Tennis in Gestalt vonAngelique Kerberwieder auf großer Bühne und auf den Titelseiten zurückgemeldet hat. Kerber tut längst das Ihre, um Tennis zu promoten, um Menschen zu begeistern und zu interessieren. Doch es braucht noch mehr Initiative, um noch mehr Interesse zu wecken. Auf entsprechende Ideen des organisierten Tennis hierzulande wartet man noch. Vielleicht sollte man mal bei Julian Reister nachfragen.