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Systemfehler, Führungsschwäche ... und ein Verräter

Das Interview, Teil 3: Die kuriose Bergheimer Rochade. Schallers Entscheidungsunfähigkeit. Wie für Pfanns „Verrat“ Spieler büßen mussten.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 25.07.2010, 09:46 Uhr

Sie lesen Teil drei des tennisnet.com-Interviews, in dem Ex-ÖTV-Trainer Alex Pfann seine Zeit in der Südstadt Revue passieren lässt.Teil einsdes heftig diskutierten Aufsehen erregenden Diskussionsbeitrags zur Südstadt-Causa erschien am Freitag,Teil zweifolgte Samstag. Teil vier des fünfteiligen Interviews folgt Montag.

Wir sind zu Jahresbeginn 2009, Ihre Schützlinge wurden vom Krafttraining ausgeschlossen und hatten keine Trainingsplätze. Wie ging's weiter?

Jürgen Hager ist im Jänner 2009 mit Martin Fischer auf Einzelcoaching zu den Australian Open geflogen, Philipp Oswald war zu der Zeit schon weg aus der Südstadt, also ist Nico Reissig übrig geblieben. Den habe ich nach Bergheim zusammen mit meiner Gruppe begleitet zu den Futures, dort hat er sensationell gespielt. Den ersten gewonnen, im zweiten Finale. Nach eineinhalb Wochen Bergheim ruft mich Jürgen Hager an, mittlerweile zurück aus Australien, wir müssen einen Trainertausch machen, er kommt nach Bergheim, ich soll in die Südstadt fahren zum Trainieren. Ich hab gefragt, wie er das meint, und hab gesagt, er soll mir erklären, wieso ich mitten im dritten Turnier abhauen soll, wenn die ersten zwei so sensationell waren.

Und wie hat Jürgen Hager das begründet?

Er hat gesagt, Martin Fischer kommt mit dem Auto aus Vorarlberg und ist in Salzburg auf der Durchreise nach Zagreb und muss dort trainieren, da muss er dabei sein. Ich habe gesagt, dieses eine Training mit Martin kann ja auch ich in Salzburg machen, dann muss ich die ganze Gruppe nicht mitten im Turnier verlassen. Hat er gesagt: So machen wir das, aus.

Konnte er Ihnen Anweisungen geben?

Es hat sich so angehört, als würde er das annehmen. Aber ich wollte nicht, dass er das entscheidet, sondern dass Schilli entscheidet. Ich habe also Schilli angerufen und wollte das mit ihm klären.

Und?

Schilli hat gesagt, wir sollen uns das selber ausmachen. Er will sich da nicht einmischen. Ich hab gesagt, der Jürgen nimmt sich da Rechte eines Headcoaches heraus – und entweder kommt's zu einem Riesenwickel oder ich gebe nach, weil der Schilli ja den Jürgen Hager genauso gut kennt wie ich: Man kann mit ihm, sagen wir es so, nur bis zu einem gewissen Punkt diskutieren.

Wie ist es ausgegangen?

Ich hab nachgegeben und bin bei 35 Zentimeter Schnee von Bergheim in die Südstadt gefahren, Jürgen bei 35 Zentimeter Schnee von der Südstadt nach Bergheim. Als ich angekommen bin, haben Flo Pernhaupt und Thomas Weindorfer nur den Kopf geschüttelt über die Aktion.

Hatte Jürgen Hager damals ausgesprochene oder unausgesprochene Sonderrechte?

Ich glaube, diese Sonderstellung hat sich einfach daraus ergeben, und das ist jetzt nur meine Interpretation, dass sich Schilli einfach nicht getraut hat, etwas gegen Jürgen zu sagen. Ich war ja nicht der einzige, der Probleme mit dem Jürgen gehabt hat, das war ja vorher schon Thomas Weindorfer und einige andere. Und die ganzen Spieler sind ja auch nicht zufällig gegangen.

Jetzt könnte man aus Ihrer Schilderung den Eindruck gewinnen, dass Jürgen Hager nicht unbedingt wollte, dass sein Schützling Nico Reissig Erfolge feiert, die vielleicht mit einem anderen Trainer in Zusammenhang gebracht werden könnten. Weil ja Sie dort vor Ort waren, und nicht er. Täuscht der Eindruck?


Natürlich ist der Eindruck naheliegend. Aber ich will nicht spekulieren. Für mich steht immer der Spieler im Vordergrund. Mir ist nichts unangenehmer als ein Trainer, der sich in die erste Reihe setzt, nur damit ihn ja alle sehen.

Aber wieso haben Sie nicht einfach gesagt, Sie bleiben in Bergheim, er soll in der Südstadt bleiben?

Weil es für Spieler nichts Blöderes gibt, als wenn rund um sie gestritten wird. Ich bin dann nach der Bergheim-Sache zum Schilli gegangen und hab ihm gesagt, dass ich im Herbst, wenn mein Vertrag ausläuft, aufhöre. Das war im Jänner, da war noch genug Zeit, um einen geeigneten Nachfolger zu suchen.

War es der Ärger über die Sache mit Jürgen Hager in Bergheim?

Es war die Gesamtsituation. Mir ist klar geworden, dass in diesem System in diesem ÖTV kein Hochleistungssport möglich ist. Ich hab es auch nicht mehr geschafft, jeden Tag 18-, 19-jährigen Burschen, deren Eltern ihr ganzes Geld in die Karriere ihrer Kinder investieren, in die Augen zu schauen. Ich weiß, dass 300 Prozent passen müssen, damit du nur eine kleine Chance hast, dich international durchzusetzen. Im ÖTV waren wir auf 70 Prozent, vielleicht 80. Und es war dann für mich klar, dass sich das nicht mehr bessern, sondern eher verschlechtern wird. Wenn ich ein System nicht mittragen und nicht verändern kann, dann ist es auch meine Pflicht, es zu verlassen.

Klingt jetzt ehrenhaft, wie Sie das sagen, aber haben Sie Ihre Schützlinge nicht auch im Stich gelassen?

Als Trainer musst du deinem Schützling in die Augen schauen können und wissen: Wir schaffen alle Voraussetzungen, dass du deinen Traum verwirklichen kannst. Unsere Pflicht als Südstadt wäre es gewesen, ein perfektes Umfeld zu schaffen. Das war mir nicht möglich, da musste ich die Reißleine ziehen.

Wie hat Schaller auf Ihren Rücktritt reagiert?

Ich war der Verräter, der das Schiff verlässt. Aber gelitten drunter haben die Spieler. Ein Beispiel: Gerald Melzer, den sie im April schon zu Hager in die Gruppe gesteckt haben, wurde im Mai in Kitzbühel dann mehr oder weniger links liegen gelassen von Hager und Schaller, die haben sich gleichzeitig die Partie von Nico Reissig angeschaut.

Wieso wissen Sie das so genau?

Weil ich dabei war. Ich bin auf eigene Kosten nach Kitzbühel gefahren, ich habe Gerald angeboten, dass ich da bin für ihn, und er hat das Angebot gern angenommen.

Ende August war es dann vorbei. Wie war der Abschied?

Ich habe den Spielern gesagt, dass es nichts mit ihnen zu tun hat, sondern dass ich eben eine andere Vorstellung habe von zielgerichtetem Training. Zu den Spielern habe ich heute immer noch guten Kontakt. Wenn sie in Graz sind, rufen sie an, ob wir wieder einmal trainieren können.

Sind Sie enttäuscht von Schaller?

Enttäuscht … ich will nicht über Schilli herziehen. Wie muss es ihm denn jetzt gehen, wo er permanent von allen nur kritisiert wird? Als Mensch ist er sicher nach wie vor okay, und jemand, der Nummer 17 in der Welt war, der versteht auch was vom Tennis. Aber als Sportdirektor, als Chef der Trainer, als derjenige, der die Linie vorgeben muss, ist er einfach ganz der falsche Mann. Zumindest habe ich das so erlebt.

Ende Teil 3.
Lesen Sie morgen in Teil 4: Von persönlichen und strukturellen Problemen – wieso dieser ÖTV und dieser Sportdirektor keinen Erfolg haben können.

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Sonntag
25.07.2010, 09:46 Uhr