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Alltag im Intrigantenstadl

Wie die Flucht der Spieler aus der Südstadt begann, der Crash beim Krafttraining, wieso Spieler nur in der Mittagspause trainieren durften.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 24.07.2010, 09:26 Uhr

Sie lesen Teil zwei des tennisnet.com-Interviews mit Ex-ÖTV-Trainer Alex Pfann. Teil eins erschien am Freitag, isthiernachzulesen. Teil drei folgt Sonntag.

Alex Pfann, wie war nach dem ersten Jahr die Bilanz Ihrer Gruppe? Beim ÖTV wartete man ja sehnsüchtigst auf Vorzeigbares … schließlich hatte Gilbert Schaller ja schon seit 2005 ohne Erfolg gearbeitet.

Die Bilanz meiner Gruppe war nicht schlecht, aber nicht überragend. Reissig hat sich in der ATP von 1400 auf 800 verbessert, Gerald Melzer nach sechs Operationen am Knie immerhin in Graz einen super Challenger gespielt und ist aus dem Nichts auf 800 gekommen, den Gerald mussten wir ja komplett von null aufbauen. Philip Lang hat sich bei den ITF-Junioren stark verbessert. Für das, dass wir acht Leute in der Gruppe waren, war es nicht das Gelbe vom Ei, aber okay.

Dann hat sich als erster Spieler Philip Lang verabschiedet – ihm folgten dann viele weitere.

Lang wurde suspendiert, das war disziplinär nicht mehr zu machen mit ihm. Es hat ununterbrochen Verhaltensprobleme gegeben. Wir haben ihn für drei Monate suspendiert. Er ist aber dann von sich aus zu Wolfgang Schranz in dessen Akademie nach Wien gegangen.

In dieser Zeit haben auch immer mehr Spieler damit begonnen, den ÖTV zu verlassen, die nicht suspendiert wurden.


Jürgen Hagers Gruppe ist geschrumpft, aus welchen Gründen auch immer, da sind die Spieler halt gegangen. Man hat dann, was ja vernünftig war, Reissig aus meiner Gruppe rausgenommen und zu Hager gegeben, gemeinsam mit Martin Fischer. Aber im November ist es dann zum Crash gekommen.

Crash?

Wir waren im November auf Turnierreise in Afrika, weil ich nicht wollte, dass junge Profis vier Monate Aufbau haben ohne einen Turnierblock dazwischen – und weil man weiß, dass die Turniere dort relativ schwach besetzt sind. Wir waren auf zwei 15.000 Dollar-Futures, mit Rath, Brunner, Melzer, die Reise war eigentlich sehr erfolgreich. Alle haben gepunktet, alle waren nach der Rückkehr extrem motiviert für den zweiten Aufbaublock und haben sich auch gefreut auf die Arbeit im Dezember mit dem neuen Konditionstrainer Florian Pernhaupt, von dem alle begeistert waren.

Aber …?

Wir hatten da ein System, dass Trainer, die weg sind, am Donnerstag davor ein Mail nach Hause schicken, damit rechtzeitig Plätze reserviert werden können. Mein Mail ist aber irgendwie nicht angekommen oder ist verloren gegangen oder sonstwas, ich komme also am Montag in die Südstadt, sind keine Plätze eingetragen und ich steh mit meinen Spielern da. Jürgen Hager hatte für drei Leute zwei Plätze, ich gar keinen. Bin also zu ihm gegangen, um die Aufteilung der Plätze zu besprechen, weil ich ja nix dafür konnte, dass mein Mail nicht angekommen ist, er hat gemurrt, aber dann sein Okay gegeben. Dann hat Martin Fischer das Training nach einer dreiviertel Stunde abgebrochen – Hager hat gesagt, der Grund war, dass Martin mit Pascal Brunner nicht trainieren wollte, weil Pascal immer so jammert beim Trainieren. Bei dem Training hab ich's eher anders gesehen, nämlich so, dass Martin nichts getroffen hat und meine Burschen alles, aber egal. Das sind Sachen, die passieren, braucht man nicht auf die Goldwaage legen. Am nächsten Tag dann Krafttraining beim Flo Pernhaupt, die Hager-Gruppe und die Pfann-Gruppe miteinander. Hager dabei, ich dabei. Eineinhalb Stunden echt gutes Krafttraining, die Burschen haben richtig Gas gegeben. Nach dem Training kommt Flo Pernhaupt zu mir und sagt, er muss mit mir reden. Ich denke, wir reden jetzt über die Planung des Training in den nächsten Wochen, sagt er: Es tut ihm leid, aber meine Burschen werden die nächsten drei, vier Wochen das Krafttraining alleine machen müssen. Weil das in der Gruppe nicht geht.

Der ÖTV-Konditionstrainer hat eine ÖTV-Gruppe vom Konditionstraining ausgesperrt?

Ja.

Wie kam er auf die Idee?

Er gar nicht. Ich habe gefragt, was das soll. Er hat herumgeredet und gesagt, er kann keine Namen nennen, aber es wurde ihm gegenüber von jemandem artikuliert, dass es Motivationsprobleme in meiner Gruppe gibt und dass man nicht gemeinsam trainieren kann.

Wer war „jemand“?

Naja, es war Nico Reissig dabei, der vorher eineinhalb Jahre mit uns trainiert hat, Julian Knowle als Gast, die beiden haben sicher nichts gesagt. Sind Martin Fischer geblieben und Jürgen Hager. Ich wollte natürlich wissen, wer uns nicht beim Krafttraining dabei haben will und wollte das direkt ansprechen, aber Flo hat gesagt, ich soll nicht noch mehr Unruhe reinbringen.

Was haben Sie da getan?

Ich war fertig. Ich hab gewusst, dass meine Burschen genau im Kraftbereich das größte Manko gehabt haben, und dann sperren sie uns vom Krafttraining aus. Normalerweise musst du dich als Trainer in so einer Situation ins Auto setzen und heimfahren und anrufen, dass du nimmer kommst.

Das haben Sie gemacht?

Natürlich nicht. Die Burschen zahlen 800 Euro jeden Monat für das Training beim ÖTV, da muss ich mich ja für sie einsetzen, dass sie wenigstens in jeder Hinsicht professionell betreut werden. Man hat doch als Trainer auch eine Verantwortung dafür, dass die Eltern, die oft ihre ganzen Ersparnisse dafür verwenden, dass der Bub trainieren kann, wissen, dass ihr Geld so gut wie möglich eingesetzt wird.

Wie ist die Sache dann ausgegangen?

Ich hab versucht, mit Schilli zu reden, um einen Kompromiss zu erreichen, aber es war wieder unmöglich, mit ihm zu einer Lösung zu kommen. Mein Eindruck ist immer stärker geworden, dass sich Schilli gegen Jürgen Hager einfach nichts zu sagen traut, dass er ihn einfach tun und lassen lässt, wie er will. Die Stimmung war im Keller. Dann ist es auch mit den Plätzen eng geworden. Es war verrückt: Meine Burschen sind im Buffet gesessen und haben durchs Fenster zugeschaut, wie drin die Hager-Gruppe trainiert hat, und haben gehofft, dass sie vielleicht in der Mittagspause eine Stunde auf die Plätze dürfen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Talente, deren Eltern dafür zahlen, dass sie beim Österreichischen Tennisverband zu Spitzenprofis ausgebildet werden sollen, haben keinen Trainingsplatz.

Ende Teil 2.
Lesen Sie morgen in Teil 3: Die kuriose Bergheimer Trainer-Rochade. Schallers entscheidende Entscheidungsunfähigkeit. Wie für Pfanns „Verrat“ die Spieler büßen mussten.

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Samstag
24.07.2010, 09:26 Uhr