Auf schnellen Beinen ins Hauptfeld von Wimbledon
Die 18-Jährige feiert in Wimbledon ihr Grand-Slam-Debüt.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
22.06.2012, 09:55 Uhr

Von Jörg Allmeroth
Vor knapp zwei Wochen spiegelte sich ihr Gesicht noch in der Silberschale, die sie alsglückselige Juniorinnensiegerin der French Openfür den Fotografenpulk emporreckte. Doch wenn nun am Montag die Offenen Englischen Meisterschaften 2012 in Wimbledons Tennistheater eröffnen, dann ist auch Annika Beck (18) dabei – im schillernden Profitennis, in der großen Grand-Slam-Welt der Erwachsenen. Mittendrin zwischen Stars und Sternchen der Tour, neben Branchengrößen wieMaria Sharapova,Victoria AzarenkaoderSerena Williams.Und auch an der Seite starker deutscher Fräuleins wieAngelique Kerber,Sabine LisickioderJulia Görges.
Beck mit tadelloser Einstellung
„Das ist natürlich ein überwältigendes Erlebnis“, sagt die 18-jährige Bonnerin, die gleich beim ersten Versuch, sich für das bedeutendste Turnier der Saison zu qualifizieren, einen Volltreffer landete. Nach Siegen gegen die Bulgarin Elitsa Kostova und die Österreicherin Yvonne Meusburger buchte die drahtige Fighterin ihr Ticket ins Grand-Slam-Abenteuer von Wimbledon endgültig durch den souveränen 6:3,-6:4-Erfolg über die Slowenin Petra Rampre. „Sie ist eins der größten Talente im deutschen Damentennis“, sagt Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner über die Teenagerin, die auch dem Nachwuchsteam des DTB-Sponsors Porsche angehört.
Seit sie bereits mit 17 Jahren ein Einser-Abitur am Bonner Liebfrauen-Gymnasium ablegte, bringt Beck ihre Karriere auf den Centre Courts so richtig in Schwung. „Es ist schon eine Erleichterung, sich voll und ganz aufs Tennis zu konzentrieren“, sagt die Newcomerin, die auf unheimlich schnellen Beinen und mit einer „stets tadellosen Einstellung“ unterwegs ist, wie Trainer Robert Orlik sagt. „Sie ist enorm fleißig, ehrgeizig und sehr diszipliniert“, befindet Rittner, die Nationaltrainerin, „sie ist eine sehr zielstrebige Arbeiterin. Ich glaube, sie hat in ihrem ganzen Leben noch keinen Schläger geschmissen.“ Schon morgens um sechs Uhr beginnt regelmäßig der Arbeitstag der nächsten deutschen Spielerin, die im Wanderzirkus für Furore sorgen könnte – dann macht sich Beck zu einer ausgedehnten Jogging-Runde vom elterlichen Haus am Bonner Stadtrand auf. Spielt sie gerade kein Turnier, folgen den morgendlichen Lauf-Übungen weitere sechs bis sieben Stunden Training. „Eine Menge Arbeit“, wie Beck sagt, „aber das macht mir nichts aus. Ich wollte es ja so.“
Überlegte Konterspielerin
Und zwar ziemlich genau seit dem 14. Lebensjahr. Da entschied sich die Bonnerin nämlich, sich nur noch auf eine Sportart und ein Ziel zu konzentrieren – nämlich Tennis. Vorher hatte sie parallel noch Hockey gespielt, Leichtathletik betrieben, Ballettkurse besucht und Geigenunterricht genommen. Die Duellsituation auf dem Tennisplatz reizte sie am meisten, „der Kampf eins zu eins“, die Herausforderung, „ganz allein eine Lösung für Probleme auf dem Platz finden zu müssen.“ Auch Vater und Mutter wurden dann während der Aufbauzeit im Juniorinnentennis voll eingespannt, für allerlei Chauffeurdienste, etwa für die vielen Tausend jährlichen Kilometer zwischen Wohnort und Tennis-Stützpunkten in Leverkusen und Kerpen. Oder für Schlägerbespannung, die Papa Jürgen im Keller des heimatlichen Wohnhauses übernahm. Als Triebkraft hinter dem Erfolg mussten die Eltern nicht wirken, der Impuls, sich in die Tennis-Laufbahn zu stürzen und zu verbeißen, kam von der Tochter selbst. „Sie weiß sehr genau, was sie will“, sagt denn auch Coach Orlik, der in seiner westdeutschen Trainingsgruppe mit der Düsseldorferin Antonia Lottner noch über einen weiteren Tennis-Rohdiamanten verfügt.
Gegen die Großen und Starken im Jugendtennis, gegen Spielerinnen, die oftmals einen Kopf größer waren als sie selbst, setzte Beck meist auf ihre Wendigkeit und Ausdauer, auf unermüdliche Kampfkraft. Das soll auch so bleiben im professionellen Tennis-Geschäft, in dem sie jetzt ihr Glück versucht, aber aggressiver und dynamischer will sie künftig schon spielen, mit mehr eigener Angriffspower. „Ich muss selbst die Punkte machen“, sagt sie. Fed-Cup-Chefin Rittner glaubt allerdings, dass das typische Konterspiel der in Gießen geborenen Teenagerin in Wimbledon durchaus erfolgversprechend sein kann: „Sie nimmt das Tempo ihrer Gegnerinnen geschickt mit, setzt die Bälle sehr überlegt ins Feld.“ Für den ersten Auftritt auf einem der berühmten grünen Tennisfelder an der Church Road wünscht Rittner ihrer vielversprechenden Nachwuchskraft aber vor allem eins: „Sie soll es richtig genießen.“(Foto: Jürgen Hasenkopf)