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Australian Open: Alexander Zverev lässt die Geisteratmosphäre kalt - Viertelfinaleinzug in Melbourne und Duell gegen Novak Djokovic

Alexander Zverev präsentierte sich bislang als Experte für den Tennis-Ausnahmezustand. Im Viertelfinale wartet mit Novak Djokovic nun "der härteste Gegner, den es in Melbourne gibt".

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 14.02.2021, 15:09 Uhr

Alexander Zverev bei den Australian Open in Melbourne
© Getty Images
Alexander Zverev trifft im Viertelfinale auf Novak Djokovic

Alexander Zverev hatte gerade sein 15. Ass beim ersten Matchball ins gegnerische Feld gehämmert, da schepperte lautstarker Applaus durch die Margaret Court-Arena von Melbourne. Es war allerdings nur blecherner Beifall aus der Konserve, elektronisch und roboterhaft eingespielt, der Zverevs beinahe makellosen 6:4, 7:6 (7:5), 6:3-Achtelfinalsieg gegen den Serben Dusan Lajovic am frühen Sonntagabend untermalte. Zuschauer gibt es ja vorerst keine mehr bei den Australian Open, es gibt auch keine Restspuren der typischen Grand Slam-Atmosphäre am anderen Ende der Welt, aber Zverev, nun im Viertelfinale gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic am Dienstag gefordert, lässt die geisterhafte Stimmung im Pandemie-Lockdown wie schon in den letzten Monaten eher kalt. 

Bei den US Open rückte der Weltranglisten-Siebte schon hinter verschlossenen Türen bis ins Endspiel vor, verpasste im menschenleeren Arthur-Ashe-Tennispalast nur um zwei Punktgewinne seinen ersten Grand Slam-Coup. Anschließend gewann er im etwas seltsamen Corona-Herbst zwei Turniere ohne Fans in der Kölner Lanxess-Arena – und nun setzt der 23-jährige mit professioneller Nüchternheit den nächsten Erfolgszug im Ausnahmezustand Down Under in Szene. „Ich habe mich schweren Herzens an diese Realität gewöhnt“, sagt Zverev, „ich vermisse die Zuschauer. Aber ich will nun das Beste draus machen. Das ist mein Anspruch. Immer, wenn ich irgendwo auf den Platz gehe.“

Bislang zwei Siege gegen Djokovic

50 Grand Slam-Spiele hat er nun gewonnen, der Sonntag, der Tag seines Sieges gegen Lajovic, war ein kleiner Meilenstein in der Karriere des gebürtigen Hamburgers. Auch, weil er zugleich bei den kostbarsten Gelegenheiten im professionellen Tourbetrieb, den Major-Events, nun zum fünften Mal in die Runde der letzten Acht aufrückte – also in jener Grand Slam-Phase mitmischte, in der das Geschehen noch einmal eine ganz eigene Dynamik entfaltet, der Thrill und die Herausforderung beinahe potenziell zunehmen. In Melbourne könnte diese Behauptung nicht wahrer sein, denn mit Djokovic (Vier-Satz-Sieger im Achtelfinale gegen den Kanadier Milos Raonic) steht ihm in der Nachtshow des Dienstags der schwerstmögliche Rivale gegenüber, der achtmalige Turniertriumphator. 

Zwei der bisher sieben Partien gegen den 33-jährigen serbischen Großmeister hat Zverev gewinnen können, der Finalsieg bei der Tennis-WM 2018 in London war sein größter Erfolgsmoment überhaupt. Aber die letzten vier Matches gegen Djokovic hat Zverev allesamt verloren, gerade auch noch einmal beim ATP-Cup in der Aufwärmphase vor den Australian Open. „Es gibt in Melbourne keinen härteren Gegner als ihn. Das ist sein absoluter Lieblingsort“, sagt Zverev über Djokovic, „ich gehe davon aus, dass er auch voll fit ist.“ In den letzten Tagen hatte sich eine Kontroverse um eine Hüftverletzung bei Djokovic entzündet, dem Serben wurde wieder einmal vorgeworfen, nicht ganz wahrheitsgetreu mit der Schwere seiner Probleme umgegangen zu sein. 

Zverev geht durchaus aus einer Position der Stärke in das achte Topmatch gegen den erfolgreichsten Spieler der vergangenen Jahre. Anders als bei früheren, komplizierten Grand Slam-Missionen hat der Deutsche auf den ersten Turnieretappen kaum unnötige Kräfte vergeudet, sein Energiemanagement sei „absolut optimal“ gewesen, sagt TV-Experte Boris Becker, „du willst ja noch zulegen können, wenn es wirklich ernst wird bei so einem Turnier.“ Gegen Lajovic hatte Zverev zuletzt zweimal über die volle Distanz bei stundenlangen French Open-Rutschübungen gehen müssen, nun aber erledigte der Deutsche seine Arbeit mit schnörkelloser Effizienz in drei Sätzen, stand nur 144 Minuten auf dem blaugetünchten Court. Zverev war selbstbewusster Herr des Geschehens, jederzeit. Nie hatte man den Eindruck, er könne die Partie gegen den äußerst unbequemen Kollegen aus Belgrad verlieren.

Dominanz will Zverev auch gegen den umstrittenen Capitano der Branche ausüben, gegen den in der Corona-Krise oft unglücklich erscheinenden Djokovic. „Ich muss das Spiel bestimmen, mein Herz in die Hand nehmen“, sagte Zverev, der bei aller Power nicht die Präzision und Kontrolle vergessen darf. Entscheidend sei Zverevs Aufschlag, bemerkte Beobachter Becker: „Wenn er gut serviert, mit hohem Prozentsatz beim ersten Aufschlag, wird es auch für Novak schwer.“

Thiem scheitert an Dimitrov

Ratlos musste sich derweil der letztjährige Melbourne Finalist Dominic Thiem auf den Heimweg machen, nach seiner 4:6, 4:6, 0:6-Niederlage gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov sprach der hochgehandelte Österreicher von einem „größtenteils schwarzen Tag“. Thiem wirkte nach einer erfolgreichen Aufholjagd in der dritten Runde gegen Australiens Skandalnudel Nick Kyrgios ausgelaugt, spätestens nach dem verlorenen zweiten Satz hatte der amtierende US Open-Champion gegen Dimitrov mental nichts mehr zuzusetzen. Dimitrov trifft jetzt sensationell auf den Russen Aslan Karatsev, der als erster Grand Slam-Debütant seit dem Deutschen Alex Radulescu (1996 Wimbledon) ins Viertelfinale vorrückte.

Im gewöhnlich unberechenbaren Damenwettbewerb blieben am Sonntag die großen Überraschungen aus. Serena Williams, wieder einmal auf der Jagd nach dem Grand Slam-Rekordtitel Nummer 24, trifft nach ihrem 6:4, 2:6, 6:4-Erfolg über Aryna Sabalenka (Belarus) nun im Viertelfinale auf Simona Halep – die Rumänin rang in einem Zermürbungskampf French Open-Siegerin Iga Swiatek (Polen) mit 3:6, 6:1 und 6:4 nieder. Topfavoritin Naomi Osaka (Japan) wehrte im bisher besten Turniermatch zwei Matchbälle ab und bog einen 3:5-Rückstand im Entscheidungssatz noch zu einem 4:6, 6:4, 7:5-Erfolg gegen die formstarke Spanierin Garbine Muguruza um. 

Hier das Einzel-Tableau der Männer

Hier das Einzel-Tableau der Frauen

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