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Australian Open: Andy Murray, Thanasi Kokkinakis und die ganz große Werbung für den Tennissport

Andy Murray und Thanasi Kokkinakis haben sich bei den Australian Open 2023 das zweitlängste Battle in der Turniergeschichte geliefert. Erst nach 04:00 Uhr stand der schottische Kämpfer als der große Sieger fest. Eine Nacht, die nicht nur Murray, sondern auch dem Tennissport guttut.

von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet: 20.01.2023, 11:11 Uhr

Ein Match für die Geschichtsbücher: Andy Murray gegen Thanasi Kokkinakis
Ein Match für die Geschichtsbücher: Andy Murray gegen Thanasi Kokkinakis

Man kann von sozialen Medien halten, was man will. Sie sind jedoch ganz sicher jener Ort, an dem die gesammelte Schwarmintelligenz es vollbringt, genau dann durchaus die richtigen Worte zu finden, wenn sich Dinge eigentlich gar nicht so einfach in Worte fassen lassen. Bestes Beispiel: der heroische, aufopferungsvolle Abnutzungskampf, den sich Andy Murray und Thanasi Kokkinakis bis nach 04:00 Uhr morgens unter dem Melbourner Nachthimmel lieferten. Und der Twitter-Nutzer Ricky Dimon, der sich versuchte, eine Einschätzung für diesen Abend zu formulieren.

Diese fallen verblüffend passend aus. "Es gibt keine Umstände, unter denen es Andy Murray jemals erlaubt werden darf, zurückzutreten.“ Punkt. Denn was der schimpfende, pushende, aber vor allen Dingen kämpfende schottische Kauz mitsamt Metallhüfte auch bei dessen zweitem Auftritt bei den Australian Open 2023 auf den Platz brachte, das war an Unterhaltungswert nicht mehr zu überbieten. Murray ist die fleischgewordene Essenz all dessen, was einen Sportler ausmachen sollte – authentisch, unterhaltsam und vor allen Dingen aufopferungsvoll. Punkt für Punkt zu spielen, das kann niemand so gut wie Andy Murray und Rafael Nadal.

Murray beweist es allen

Wieder hat er es also allen gezeigt, den Zurufenden, die Murray attestieren, seinen Zenit längst überschritten zu haben, den Zweiflern, die sich fragen, ob es denn den Aufwand noch wert ist, vor allen Dingen aber sich selbst. Er wisse nicht, wie er das geschafft habe. "Es ist unglaublich, dass ich das noch umdrehen konnte. Thanasi hat unfassbar gespielt, hat unfassbar serviert, ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, durchzukommen“, sagte ein erschöpfter, aber sichtlich erleichterter Murray noch beim On-Court-Interview. Gleichzeitig sehne sich der Schotte nach seinem Bett. Schließlich war der neue Tag bereits vier Stunden alt, als Murray seinen ersten Matchball verwerten konnte.

Natürlich müssen die vorliegenden Zeilen eine Ode an diesen so geplagten und leidgeprüften Andy Murray sein, sie müssen aber auch jenem Athleten Respekt zollen, der an dem speziellen Charakter dieser Melbourner Nacht ganz wesentlichen Anteil hatte. Und der an dieser Niederlage vor Heimpublikum wohl lange wird zu knappern haben: Thanasi Kokkinakis. „Dieser verdammte Sport, Mann“, richtete der Mann aus Down Under wenige Minuten nach Ende des Matches über die sozialen Medien aus. Knappe Worte, in denen doch viel Bitterkeit mitschwingt. Insbesondere in Satz drei hätte der 26-Jährige das Match beim Stand von 5:2 eigentlich beenden müssen. Und er hätte sich diesen Erfolg verdient gehabt. Wenn da nicht Andy Murray wäre.

Murray zu Scherzen aufgelegt

Es sind so viele Geschichten, die sich von diesem Match erzählen ließen. Die Geschichte des Andy Murrays, der Satz drei gewinnt, den Court mit geballter Faust für eine Toilettenpause verlässt und auf diesen zurückkehrt, nur, um sich sofort wieder die Faust zu geben. Die Geschichte vom verwerteten Breakball beim Stand von 6:4, 7:6 (4) und 2:0 für Kokkinakis, als Murray aus teils undenkbaren Positionen die Smashes seines Kontrahenten zurückrettete, bis diesem die Nerven versagten.

Und auch die Geschichte des On-Court-Interviews. "Ich habe ein großes Herz“, sagte Murray knapp 15 Minuten nach 04:00 Uhr Ortszeit. So viele waren auf den Rängen geblieben, um die beiden Krieger durch dieses denkwürdige Match zu tragen. Sie jubelten Murray anerkennend zu. Der Schotte bricht Nationalpatriotismus. Der Interviewer kontert Murray und sagt "You have big everything” – zu später Stunde sich offenkundig nicht der Zweideutigkeit bewusst. Sehr wohl aber Murray, der schnippisch kontert. "Ich denke nicht, dass meine Frau zustimmen würde.“ Das ist eben auch Andy Murray.

Bereits am Samstag wird der Schotte erneut in den Ring steigen, diesmal um sich mit dem Spanier Roberto Bautista Agut zu matchen. Nach nur zwei Spielen steht Murray bereits bei weit über zehn Stunden Zeit auf dem Platz. Es bleibt zu hoffen, dass sich der 35-Jährige wird fristgerecht erholen können. Zumal ein Aufeinandertreffen mit dem Spanier neuerlich für ein intensives Duell bürgt. Irgendwie ist es aber auch völlig egal, wie diese Reise von Andy Murray bei den Australian Open endet. Schon jetzt hat der Schotte ganz große Werbung für den Tennissport gemacht – und er soll, frei nach Ricky Dimon, auch nicht so bald damit aufhören.

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von Michael Rothschädl

Freitag
20.01.2023, 08:55 Uhr
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