Carina Witthöft - Mitarbeiterin des Tages und Frau der Stunde

Carina Witthöft sendet bei den Australian Open ein Lebens- und Ausrufezeichen der nächsten Tennis-Generation.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.01.2015, 12:27 Uhr

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Von Jörg Allmeroth

Im letzten November schickte Carina Witthöft an ihren stattlichen Facebook-Freundeskreis sonnige Fotogrüße aus der Golf-Metropole Dubai, aus dem vielbeschworenen Über-Morgenland. Sie sahen nach süßem Leben aus, diese Schnappschüsse am Pool mit der mächtigen Skyline der Sheikh Zayed Road im Hintergrund - oder im türkisblauen Wasser am berühmten Jumeirah Beach. Doch die unbeschwert fröhlichen Bikini-Bilder entstanden nur am Rande der letzten von vielen knüppelharten Arbeitswochen, mit denen sich die blonde Hamburgerin im Herbst 2014 abseits der großen Tennisbühnen und der großen Schlagzeilen wieder in der Rangliste emporgekämpft hatte – in der zweiten Liga des globalen Wanderzirkus, in der sie auch mal in Hechingen, Barnstaple oder Poitiers zu Gast war. „Es war genau der richtige Weg, um Selbstvertrauen und Matchhärte zu finden“, sagte die 19-Jährige, die am Mittwoch für die erfreulichsten Momente des deutschen Frauentennis bei diesen bisher so erschreckenden Australian Open gesorgt hatte.

Witthöft: „Das ist wie im Traum"

Den über viele Wochen zusammengespielten Lohn bei der entbehrungsreichen Tingeltour, den Platz im Hauptfeld der Australian Open, veredelte Witthöft mit zwei erstaunlich souveränen Melbourne-Auftritten so vortrefflich, dass sie schon jetzt als große deutsche Gewinnerin bei diesem Turnier gelten durfte: „Das ist der absolute Wahnsinn“, sagte Witthöft nach dem 6:3, 6:0-Sieg gegen die AmerikanerinChristina McHaleund dem ersten Vorstoß in eine dritte Grand-Slam-Runde, „das ist wie im Traum.“ Genau so furchtlos, wie sie sich vor dem ersten Ballwechsel zum Major-Wettbewerb in Melbourne mit einer gewaltigen Schlange hatte fotografieren lassen, wirkte die talentierte Youngsterin nun auch auf den Grand Slam-Courts: zupackend, aggressiv, nervenstark. Aber zugleich auch kontrolliert, präzise und geduldig, wenn nötig. „Das kann man nicht besser spielen“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner über die formstarke Teenagerin, die wie auch Antonia Lottner,Anna-Lena Friedsamund Dinah Pfizenmaier zum DTB-Talentteam gehört.

Witthöfts Erfolge wirkten nach der Tristesse der ersten Grand-Slam-Tage, dem reihenweise Scheitern der großen deutschen Darstellerinnen im Australian-Open-Theater, wie ein Ausrufe- und Lebenszeichen der nächsten Generation. Allerdings rückte mit der Bad OldesloerinJulia Görgesin Melbourne auch noch eine altvertraute Kraft zurück ins Rampenlicht, die jüngst von Weggefährtinnen wie Kerber oder Petkovic zuletzt an den Rand gedrängt worden war – die schwer berechenbare Schleswig-Holsteinerin, immer wieder auch unter hartnäckigem Verletzungspech leidend, schlug sich in drei Sätzen 6:3, 4:6 und 6:2 gegen die TschechinKlara Koukalovain die dritte Runde durch und trifft nun auf Lucie Hradecka, ebenfalls aus Tschechien.

„Die ganze Familie ist tennisverrückt"

Aber die Mitarbeiterin des Tages, die Frau der Stunde war jene Carina Witthöft, die vor gut anderthalb Jahren schon einmal ins Blickfeld geraten war – damals spielte sie als jüngste Teilnehmerin im Hauptfeld von Wimbledon gegen die Alterspräsidentin Kimiko Date-Krumm, verlor aber deutlich in Runde eins. Für die breite Öffentlichkeit verlor sich ihre Spur im ganz großen Tennis danach, in der Saison 2014 schaffte Witthöft trotz beharrlicher Versuche nicht die Qualifikation für eins der vier Grand-Slam-Turniere. Manche warfen ihr vor, sie tue nicht genug für den Aufstieg in die Weltspitze und sei zu wenig ernsthaft, um sich in dieser herausfordernden Tenniswelt zu behaupten. Doch die Kritikaster versetzte die Blondine gerade im vergangenen Herbst mit vier Siegen bei gutbesetzten ITF-Wettbewerben in einen Argumentations-Notstand: „Es war nie eine Frage für mich, dass ich auch diese harte Tour absolvieren würde“, sagt Witthöft, deren Eltern Kai und Gaby um Hamburg herum zwei Tennis-Ausbildungsstätten betreiben, „die ganze Familie ist tennisverrückt und fiebert mit mir mit, auch meine Großeltern.“

Barbara Rittner mahnt auch zu Geduld

Als Mentorin im Hintergrund, als Beraterin fürs Tennis und andere Lebenslagen wirkte dabei immer wieder auch Fed-Cup-Chefin Rittner. Eine „starke Entwicklung“ habe Witthöft genommen, sagt Rittner, „sie hat sich ein gutes Fundament geschaffen, jetzt kann sie auch auf der großen Tour angreifen.“ Allerdings mahnt Rittner bei aller Genugtuung über die bemerkenswerten Auftritte Witthöfts auch zu Geduld, ihr ganzes Potenzial werde die Hamburgerin „in zwei, drei Jahren“ ausschöpfen, noch sei sie in der professionellen Lehr-und Ausbildungsphase.

Doch die jugendliche Unbekümmertheit der 19-jährigen schützt bestenfalls nicht vor weiteren Erfolgserlebnissen in Melbourne, solche Siege wären auch höchst willkommen nach den verkrampften und ernüchternden Auftritten des deutschen Establishments. Am Freitag bekommt es Witthöft mit der RumäninIrina-Camelia Beguzu tun, also jener Rivalin, die Angelique Kerber einigermaßen sensationell aus dem Australian-Open-Pokalkampf geworfen hatte. „Ich traue mir da was zu“, sagt Witthöft, „ich fühle mich gerade richtig gut auf dem Platz.“ Witthöfts Timing stimmt jedenfalls, in diesen Januar-Tagen, in denen die deutsche Tennis-Prominenz im Kollektiv strauchelt.

Hier die Ergebnisse von den Australian Open:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

von tennisnet.com

Mittwoch
21.01.2015, 12:27 Uhr