Australian Open: Marathonmann Feliciano Lopez - "Das ist eine unfassbare Leistung"
Feliciano Lopez steht nach einem epischen Comeback gegen Lorenzo Songeo in der dritten Runde der Australian Open. Somit feierte der Spanier erstmals seit fast zwei Jahrzehnten einen Sieg nach 0:2-Satzrückstand.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
11.02.2021, 15:12 Uhr

Genau 201 Minuten und 295 Punkte waren auf Court 7 des National Tennis Centers am Donnerstagmorgen gespielt, da sank Feliciano Lopez erschöpft auf seinen Pausenstuhl nieder. Er war müde, er war ausgelaugt, es zwickte an allen Ecken und Enden. Er schüttelte mit dem Kopf, wieder und wieder. Er konnte selbst nicht glauben, was er auf seine inzwischen sehr alten Tage als Tennis-Wanderarbeiter noch einmal vollbracht hatte. „Heute klopfe ich mir selbst mal auf die Schulter“, sagte der 39-jährige Marathonmann, der bei den Australian Open 2021 einen 0:2-Satzrückstand gegen den an Nummer 21 gesetzten Italiener Lorenzo Sonego noch in einen 5:7, 3:6, 6:3, 7:5, 6:4-Triumph über die volle Distanz umgewandelt hatte.
Es war ein Meisterstück der Beharrungskraft und Willensstärke jenes Mannes, der allein schon mit seiner Präsenz in Melbourne allen Respekt verdient hatte – denn der australische Grand Slam des Jahres 2021 markierte einen bemerkenswerten Meilenstein in der Karriere des unverwüstlichen Iberers, nämlich seine unglaubliche 75. Grand Slam-Teilnahme hintereinander. Kein Wunder, dass sich da auch der große spanische Matador, der 20-malige Grand Slam-Champion Rafael Nadal, tief vor seinem Landsmann verbeugte: „Dass jemand neunzehn Jahre bei jedem Grand Slam antritt, nie ernsthaft verletzt ist, das ist eine unfassbare Leistung.“ Kuriosität am Rande: Die faszinierende Rekordserie von Lopez begann 2002 bei den French Open in Paris, und dort und damals war es auch, dass er letztmals einen 0:2-Matchrückstand noch umbog, gegen den Argentinier Guillermo Canas.
Viel ist seit jenen Tagen in der Tenniswelt passiert, Lopez hat viele Generationsgenossen gehen sehen. Er erlebte den Aufstieg der Großen Drei mit, die Tennis-Weltherrschaft des Trios Federer, Nadal und Djokovic. Federer, der Schweizer Maestro, ist neben dem kroatischen "Herrn der Asse", Ivo Karlovic, der einzige, der aus der Altersklasse von Lopez noch verblieben ist. Doch während Lopez in gut zwei Jahrzehnten auf der Tingeltour niemals von ernsthaften Verletzungen behelligt wurde, musste Federer letztens doch hin und wieder passen. Anfang März will der Eidgenosse nun sein vermutlich letztes Karriere-Comeback beim ATP-Turnier im katarischen Doha starten. „Feli ist ein Phänomen. Er ist immer noch ein Spieler, der jeden schlagen kann, absolut jeden“, sagt Federer, der selbst 65 Major-Turniere ohne Unterbrechung bestritt.
Unerwartete Fortsetzung der Grand-Slam-Serie
Auch Tommy Haas gehört zu jener Generation, die Ende des letzten Jahrhunderts ins professionelle Tennisgeschäft drängte. Der gebürtige Hamburger ist inzwischen aber schon in die Rente gegangen, in der Branche mischt er nun als Turnierdirektor von Indian Wells mit. Und Lopez: Er ist beides, unverdrossen unterwegs im Reisepulk der Profis. Aber bereits als Turnierboss beim Masters-Turnier in Madrid in Amt und Würden. Nur dort darf er selbst nicht antreten, anderswo aber schon, auf allen Kontinenten, in allen Zeitzonen, zehn Monate im Normalfall. „Ich schaue mir Jahr für Jahr an, ob es noch weitergehen soll“, sagt Lopez, „bisher war die Antwort immer: Ja.“
Vor den Australian Open hatte Lopez eigentlich schon damit gerechnet, dass seine Rekordserie ein Ende finden würde. Nicht, weil er von vornherein die Schwierigkeiten der An- und Einreise in Corona-Zeiten gescheut hätte. Sondern, weil er zum ersten Mal Vater wurde, mutmaßlich in den ersten Tagen des neuen Jahres 2021. Am 4. Januar brachte dann Ehefrau Sandra das putzmuntere Söhnchen Dario zur Welt, und sie war es dann auch, die den Gatten zum Aufbruch ins ferne Australien aufmunterte. „Sie hat zu mir gesagt, ich soll spielen. Damit würden wir später alle am glücklichsten sein“, sagt Lopez.
Hier das Einzel-Tableau der Männer