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Australian Open - "Muss erst etwas passieren?"

Schon am ersten Tag der Qualifikation für die Australian Open 2020 in Melbourne hatten mehrere SpielerInnen Probleme mit den von den Auswirkungen des Buschfeuers geprägten Bedingungen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 14.01.2020, 12:05 Uhr

Wie gefährlich sind die Bedingungen in Melbourne?
© Getty Images
Wie gefährlich sind die Bedingungen in Melbourne?

Dalia Jakupovic war eigentlich nicht mehr weit davon entfernt, einen guten Start in die Australian Open 2020 zu erleben. Die junge Slowenin führte in ihrem ersten Qualifikationsspiel am Dienstag mit 6:4 und 5:6 gegen die Schweizerin Stefanie Vögele, mit ein bisschen Glück und Geschick hätte ihr Auftritt in ein paar Minuten vorbei sein können, sie wäre ihrem Traum vom Hauptfeld-Start dann ein gutes Stück näher gekommen. Aber statt geräuschlos in die zweite Bewerbungsrunde einzuziehen, war Jakupovic, die Nummer 180 der Weltrangliste, später an diesem Tag auf einmal die Hauptdarstellerin am Grand-Slam-Schauplatz – wenn auch ziemlich unfreiwillig, aus den komplett falschen Gründen. 

Erstmals in der Tennisgeschichte nämlich scheiterte eine Profispielerin nicht an ihrer Gegnerin oder an einer der typischen Sportverletzungen, sondern an der Umwelt. Genauer gesagt: An verrauchter, gefährlich schlechter Atemluft, als Folge der katastrophalen Buschfeuer auf dem Fünften Kontinent. Und so wunderte nicht, dass die Bilder der am Boden knieenden, keuchenden, hustenden Dalia Jakupovic schließlich auch rund um die Welt gingen, eine Spielerin, die schlicht nicht mehr weitermachen konnte und wollte im Rauch von Melbourne. „Ich hatte Angst zu kollabieren. Deshalb ging ich zu Boden. Ich konnte nicht mehr laufen“, sagte Jakupovic später, „ich habe kein Asthma und hatte auch nie Atemprobleme.“ Sie verstehe nicht, so Jakupovic, „warum sie uns da rausgeschickt haben.“

Svitolina hat kein Verständnis

Womit die Slowenin nicht alleine war. Denn in Spielerkreisen und auch in den sozialen Medien brach sich die Empörung über die Organisatoren des Grand-Slam-Spektakels schnell Bahn. „Muss eigentlich erst etwas passieren, bevor gehandelt wird“, twitterte etwa die WTA-Weltmeisterin von 2018, Elina Svitolina, erzürnt. Die Luxemburgerin Mandy Minella warf den Ausrichtern vor, das Programm unnötig durchgehetzt zu haben, schließlich sei im Qualifikationsturnier noch ausreichend Puffer vorhanden, etwa am kommenden Samstag und Sonntag: „Ich bin schockiert zu sehen, dass die Qualifikation wirklich begonnen hat. Was ist mit der Gesundheit der Ballkinder?“ Der Belgier Steve Darcis verwies auf einen Ratschlag der lokalen Gesundheitsbehörde, die Melbournes Bürger gewarnt habe, Aufenthalte im Freien, wenn möglich, zu vermeiden: „Allen zu sagen, drinnen im Haus bleiben – und dann das Programm abzuspulen. Sehr gut gemacht.“ Auch die Kanadierin Eugenie Bouchard und der Australier Bernard Tomic hatten sich wegen gesundheitlicher Probleme in ihren Qualifiaktionspartien behandeln lassen müssen, im nahen Kooyong-Stadion, der früheren Austragungsstätte der Australian Open, wurde ein Schaumatch zwischen Maria Sharapova und Laura Siegemund kurz vor Matchende abgebrochen. „Ich fühlte mich sehr unwohl“, sagte Sharapova.

Einige Jahre lang waren gerade während der Australian Open gerne die städtischen Werbespots abgespult worden, in denen man die Wahl von Melbourne zur lebenswertesten Stadt des Planeten feierte und zelebrierte. Tatsache im Januar 2020 war allerdings, dass die Millionenmetropole, wie in der Nacht zum 14. Januar 2020, die global schlechteste Luftqualität besaß, noch schlechter und kritischer als etwa in den berüchtigten Megacitys in Indien oder Südamerika. Kurios genug: Während die Show bei den Tennisprofis weiter ging, nur gestört durch eine einstündige Unterbrechung der Qualifikation und die Absage von Trainingsübungen, setzte die Gewerkschaft der Bauarbeiter einen Arbeitsstopp durch. In einigen Stadtgebieten, so berichtete die Tageszeitung „The Age“ seien wegen der Luftverschmutzung durch die Buschfeuer sogar Rauchmelder aktiviert worden.

Es sei erstaunlich, bemerkte Frankreichs bekannter Profi Gilles Simon, dass sich Ärzte fänden, die unter diesen Bedingungen ein Weiterspielen abnickten. Tennis Australia, der Veranstalter der Australian Open, verbreitete ein Statement, wonach alle Entscheidungen in enger Absprache mit Behörden und Mediziniern getroffen worden seien: „Das wird auch in den nächsten Tagen passieren.“ Laut der lokalen Umweltschutzbehörde soll sich die Lage am Mittwochnachmittag bessern, dann werde auch Regen in Melbourne erwartet.

von Jörg Allmeroth

Dienstag
14.01.2020, 14:31 Uhr
zuletzt bearbeitet: 14.01.2020, 12:05 Uhr