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Australian Open: Struff nach Aus - „Da war keine Energie drin, keine Qualität“

Als Jan-Lennard Struff gerade auch den zweiten Satz wieder in einer nervenzehrenden Tiebreak-Lotterie verloren hatte, schlich er geduckt und geknickt, mit schwer hängenden Schultern, zu seinem Pausenstuhl zurück. Der Riese aus Warstein machte sich keine Illusionen mehr, wie dieser sonnige Grand Slam-Dienstag in Melbourne für ihn enden würde.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 09.02.2021, 11:06 Uhr

Jan-Lennard Struff will bei den Australian Open in Melbourne angreifen
© Getty Images
Jan-Lennard Struff

„Das war ein Moment, wo er mir den Zahn gezogen hat“, sagte Struff (30) später, „ich dachte, ich bin hier irgendwie im falschen Film.“ Er, das war der krasse australische Außenseiter Christopher O´Connell, der Mann von Weltranglistenplatz 121, der die Kampagne des mit großen Australian Open-Hoffnungen gestarteten Struff unbarmherzig und humorlos in drei Sätzen mit 7:6, 7:6 und 6:1 beendete. „Da war keine richtige Energie bei mir drin, keine Qualität“, klagte Struff hinterher, „ich hab immer wieder gedacht: das gibt´s doch gar nicht. Was du hier machst, das ist unglaublich.“ Der Gesamtauftritt, in Struffs entwaffnenden Worten: „Das war nix. Und es tut verdammt weh jetzt.“

Struff war einer der Aufsteiger im internationalen Tennis der letzten Jahre gewesen, er hatte sich aus dem Mittelbau der Tour-Pyramide als Spätzünder in die erweiterte Weltspitze vorgespielt. Und er hatte auch und gerade bei den Grand Slams immer wieder in der Pose des Favoritenschrecks für Aufsehen und Furore gesorgt, fast immer zählte der 1,98-Meter-Hüne zuletzt zu den positiven Erscheinungen unter den deutschen Weltreisenden des Wanderzirkus. Selbst beim ATP-Cup in der Woche vor diesen Australian Open in Corona-Zeiten hatte Struff im deutschen Team überzeugt und mit Erfolgen über hochgehandelte Konkurrenten wie den Kanadier Milos Raonic und den Serben Dusan Lajovic Erwartungen geweckt. 

Struff: "Tiefschlag schwer in Worte zu fassen"

Und dann, an diesem heißen Sommertag in Melbourne, war alles wie weggeblasen für Struff, in einem Match, in das er zurecht als turmhoher Favorit gegangen war. Und das mit der bittersten Niederlage überhaupt für einen der DTB-Profis Down Under endete. „Ich hatte mir viel vorgenommen für dieses Turnier. Ich war gut drauf eigentlich, „sagte Struff später, „deshalb ist dieser Tiefschlag jetzt schwer in Worte zu fassen.“ Was ihn zuletzt ausgezeichnet hatte, die Kühle und Präzision bei den sogenannten Big Points, war in der jähen Leistungskrise schlicht verschwunden: Struff konnte keinen seiner sechs Breakpunkte nutzen, und in beiden Tiebreaks leistete er sich teils „krasse Fehler.“ Nach einem über drei Meter ins Aus geblockten Satzball von O´Connell habe er sich ganz banal gefragt: „Wie kann dieser Ball so weit ins Aus gehen.“ Es sei „einfach eine Katastrophe“ gewesen heute, so Struff.

Oft war Struff in den letzten beiden Jahren, bei kleineren und größeren Turnieren, auch als leidenschaftlicher Comebacker in Erscheinung getreten – er hatte Spiele gewonnen, über die der ehemalige Herrentennis-Chef Boris Becker gesagt hatte: „Da hat niemand auch nur einen Pfifferling auf Struffi gesetzt.“ Aber bei der ersten großen Bewährungsprobe der Saison 2021 hatte man eher das Gefühl, dass der Riese schließlich immer ein Stück kleiner und kleiner wurde, mit jeder gespielten Minute. Die Frustration lähmte Struff so sehr, dass O´Connell, der australische Außenseiter, auf der Zielgeraden der Partie sogar eher leichtes Spiel hatte. „Ich hatte noch eine Toilettenpause genommen, um mich neu zu formieren für den dritten Satz“, sagte Struff, „aber dann ging auch gleich wieder alles schief.“ Alles in allem sei es ein Tag, so Struff, „den ich ganz schnell aus dem Gedächtnis streichen muss.“

Neben Struff schied eher erwartungsgemäß auch Yannick Hanfmann aus. Der 29-jährige Karlsruher verlor gegen den an Nummer 7 gesetzten Russen Andrey Rublev mit 3:6, 3:6 und 4:6. Als einzige Spielerin in der Damenkonkurrenz ist nach dem Ausscheiden von Angelique Kerber, Andrea Petkovic und Laura Siegemund die Bad Segebergerin Mona Barthel verblieben, sie gewann am Dienstag mit 3:6, 6:4 und 6:4 gegen Elisabetta Cocciaretto (Italien) und trifft nun am Donnerstag in der zweiten Runde auf die Tschechin Karolina Muchova (Setzliste: Platz 25). 

von Jörg Allmeroth

Dienstag
09.02.2021, 11:49 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.02.2021, 11:06 Uhr