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Bresnik vs. Schaller, die nächste Runde

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 17.05.2010, 10:54 Uhr

Das große tennisnet.com-Interview mit Günter Bresnik: Wieso er mit Dominic Thiem Erfolge einfährt, während die ÖTV-Jugend stagniert. Was er Schaller im Detail vorwirft. Und wieso er den ÖTV dennoch in Schutz nimmt.

Die Vorgeschichte des Konflikts, der Tennis-Österreich derzeit bewegt: Günter Bresnik, der mit seiner privaten Akademie seit Jahren ebenso in der Südstadt arbeitet wie der ÖTV unter Sportdirektor Gilbert Schaller, kritisierte die ÖTV-Nachwuchsarbeit scharf. Schaller nahm dazu nicht öffentlich Stellung – im Gegensatz zu ÖTV-Generalsekretär Peter Teuschl, der auf laola1.at zum Gegenangriff ausholte. Auf tennisnet.com präzisiert Bresnik jetzt seine Vorwürfe gegen Schaller, kontert Teuschl, lüftet bemerkenswerte Details um die abgelehnte Förderung für seinen erfolgreichen Schützling Dominic Thiem – und verteidigt den ÖTV gegen Pauschalangriffe.

Günter Bresnik, Sie haben mit Ihrer harschen Kritik am ÖTV für einiges Aufsehen gesorgt.

Falsch.

Naja, die Wellen sind doch ziemlich hoch gegangen …

Aber es war keine Kritik am ÖTV. Es ist mir ein Anliegen festzuhalten, dass im ÖTV vieles gut läuft: Im Breitensport wird zum Beispiel erfolgreich gearbeitet, sehr gut sogar im Kids-Tennis-Bereich. Es gibt Funktionäre wie die Vizepräsidenten Dr. Wohlfahrt oder Dr. Dorn, die ihre Aufgabe gut und gewissenhaft erfüllen. Und dass sich Präsident Wolner nicht in den Spitzensport einmischt, ist ihm prinzipiell hoch anzurechnen. Irgendwann sollte er sich aber nicht mit neuen Konzepten oder Ausreden zufrieden geben, sondern Ergebnisse einfordern.

Womit wir beim Kern Ihrer Kritik wären: der Leistung des Leistungszentrums Südstadt.

Ich kritisiere nicht „die Südstadt“. Ich kritisiere nicht die Trainer, die dort arbeiten – darunter sind auch gute Leute wie zum Beispiel Thomas Weindorfer, der in einem funktionierenden System einen guten Job machen könnte. Ich kritisiere den Sportdirektor Gilbert Schaller. Er scheitert seit Jahren daran, ein Umfeld zu schaffen, in dem Erfolg entstehen kann. Er ist dafür verantwortlich, dass in der wichtigsten österreichischen Einrichtung für Nachwuchsförderung nichts weitergeht. Und dass damit – finanziert durch öffentliche Gelder – einige der talentiertesten jungen Tennisspieler Österreichs in ihrer Entwicklung nicht weiterkommen, sondern stehenbleiben oder sogar zurückgeworfen werden. Das sind Fakten. Man muss sich nur ansehen, wie sich in den letzten Jahren die Spielerkarrieren in der Südstadt entwickelt haben – und ich rede nicht von einem oder zwei Spielern, sondern von 20, 30, 40 Talenten.

Aber die Allerbesten gehen ja gar nicht zum ÖTV, sondern schaffen sich private Umfelder: Ihr Schützling Dominic Thiem zum Beispiel oder Barbara Haas.

Aus meiner Sicht irrelevant. Eine Ausrede. Nicht jeder kann Weltklasse werden – aber jeder muss sich verbessern! Es liegt nicht am Spielermaterial, wenn Spieler in ihrer Entwicklung stehen bleiben oder sich verschlechtern, wenn sie beim ÖTV trainieren. Es liegt daran, dass nicht gut gearbeitet wird. Ich spiele ja auf den Nebenplätzen, ich beobachte das seit Jahren erste Reihe fußfrei.

Auf einen Satz reduziert: Was werfen Sie Gilbert Schaller als Verantwortlichem vor?

Man kann sowas Komplexes wie professionelles Nachwuchstraining nicht auf einen Satz reduzieren. Aber im Kern steht: Es wird unter Schaller einfach zuwenig gearbeitet. Wer zwei, drei Stunden pro Tag auf dem Tennisplatz verbringt, hat keine Chance, sich international durchzusetzen. Wir reden jetzt noch nicht einmal über Qualität – es krankt schon an der Quantität.

Aber mehr ist doch nicht in jedem Fall besser …

Zuwenig ist in jedem Fall schlechter. Wir stehen in weltweiter Konkurrenz, gegen die besten Australier, Amerikaner, Asiaten, Südamerikaner, Spanier, Deutschen. Internationaler Spitzensport ist beinharter Ausscheidungswettkampf, extreme Auslese. Nur die Talentiertesten werden sich durchsetzen – und nur wenn sie härter arbeiten als alle anderen. Glauben Sie, dass es ein Zufall ist, dass Dominic Thiem an einem Tag zwei schon verlorene Partien umdreht, obwohl er in Italien gegen einen Italiener spielt, obwohl er Krämpfe hat? Diese Härte gegen sich selbst und gegen seine Gegnern hat er sich antrainiert. Dominic arbeitet seit Jahren in einem Ausmaß, das ihm eine realistische Chance gibt, sich international durchzusetzen.

Wie schaut der von Ihnen kritisierte Alltag in der Südstadt aus?

Unter Stan Franker in den 80er-Jahren war beim ÖTV täglich von 8 bis 18 Uhr Hochbetrieb auf dem Platz. Dadurch hat jeder, der in die Halle gekommen ist, gespürt: Hier geht was weiter, hier wird gearbeitet. Da gab es einen Konkurrenzkampf zwischen Franker und Jan Kukal. Da waren nicht alle gute Freunde – aber sie haben sich gegenseitig hochgepusht, da hat jeder Leistung gebracht und jeder Leistung gefordert. Jetzt kann es passieren, dass um zehn Uhr Vormittag kein einziger ÖTV-Platz besetzt ist. Und nicht weil alle Spieler auf Turnieren wären ...

Kürzlich hat ÖTV-Generalsekretär Peter Teuschl auf der populären Sport-Plattform laola1.at auf Ihre Kritik geantwortet. Er wirft Ihnen vor, dass Sie mit Ausnahme von Stefan Koubek noch nicht bewiesen haben, dass Sie mit österreichischen Spielern arbeiten können.

Dem Generalsekretär des ÖTV sollte der Name Horst Skoff eigentlich ein Begriff sein – oder auch der Name Alex Antonitsch. Und ich wäre auch davon ausgegangen, dass Teuschl mittlerweile von Dominic Thiem gehört hat. Außerdem: Was macht es für einen Unterschied, ob man einen 16-jährigen Dudi Sela trainiert oder einen 16-jährigen Dominic Thiem? Im internationalen Spitzentennis zählt nicht der Reisepass, sondern die spielerische, charakterliche und körperliche Entwicklung eines Spielers. Aber es geht gar nicht um meine Person. Es geht um den Inhalt meiner Kritik. Und dazu sagt Teuschl nichts – was nebenbei auch nicht so schlimm ist, denn im Sport ist er ja definitiv kein Fachmann.

Teuschl weiter: „Besonders Mitte/Ende der 90er Jahre hat Bresnik mit vielen heimischen Spielerinnen in seiner Talenteschmiede in Wien zusammengearbeitet, die spielen aber meines Wissens nur noch zum Spaß!“

Ich sehe das als Kompliment.

Als was es aber nicht gemeint war.

Wieviele Plätze gibt es in den Top 100? Diese Frage sollte zu beantworten sein. Es ist also klar, dass nicht alle Spieler an die Spitze kommen können. Ich kann von keinem Trainer verlangen, dass er alle seine Schützlinge in die Spitze bringt. Aber ich muss von ihm verlangen, dass sich seine Spieler verbessern, weiter entwickeln.

In Ihrem Fall zu Hobbyspielern, wie Teuschl bemerkt.

Es ist ärgerlich, wenn versucht wird, den Kritiker persönlich zu attackieren, um einer inhaltlich berechtigten Kritik auszuweichen.

Aber der Vorwurf steht nun mal im Raum.

Ob einige meiner Schützlinge wegen der Arbeit mit mir oder trotz dieser Arbeit nach vorne gekommen sind, können wir gerne ein anderes Mal diskutieren. Ich hielte es für ein bisschen peinlich, jetzt auf Boris Becker, Amos Mansdorf, Patrick McEnroe, Henri Leconte und die anderen hinzuweisen, mit denen ich gearbeitet habe. Ich bin stolz darauf, dass Spieler, die in meiner Akademie gearbeitet haben, immer noch gerne Tennis spielen – und auch gar nicht schlecht:Von Markus Kanellos, Markus Krenn, Andi Fasching oder Martin Gattringer bis zu Alex Peya. Stefan Hirn und Walter Treu haben ihren beruflichen und Tennis-Weg gemacht und mischen immer noch die ÖTV-Preisgeldturniere auf. Auf die Arbeit mit Alex Krell oder Stefan Neubauer bin ich genauso stolz wie auf die mit Becker, McEnroe oder Leconte: Die beiden haben erkannt, dass sie im Tennis keine Weltkarriere machen werden – und haben mit den Tugenden, die sie als Tennisspieler gelernt haben, einen erfolgreichen beruflichen Weg genommen. Ein guter Trainer bringt seinen Schützlingen eben nicht nur Vorhand und Rückhand bei – sondern auch Konsequenz, Disziplin und Durchhaltevermögen.

Teuschl weiter: „Wenn man sich anschaut, welche österreichischen Top-Spieler bei den Herren nachrücken, dann kommen fast allesamt aus der Südstadt. Fischer, Haider-Maurer, Oswald - mittlerweile werden sie zwar privat trainiert, wenn die Arbeit in der Südstadt aber so schlecht gewesen wäre, wären sie wohl niemals dorthin gekommen.“

Noch einmal: Es gibt ÖTV-Trainer, die erfolgreich arbeiten könnten – Beispiel Weindorfer. Und dann ist es kein Zufall, dass mit Fischer und Oswald zwei Vorarlberger genannt werden. Der Vorarlberger Verband ist von der Grundausbildung seiner Talente vorbildlich; darauf lässt sich gut aufbauen.

Andreas Haider-Maurer kommt aus dem Waldviertel.

Mit einem Manager Haberleitner, der mit außergewöhnlich großem persönlichem Einsatz ein verhältnismäßig gutes Umfeld schafft. Aber ich bin doch nicht da, um die Karrieren von jungen österreichischen Profis zu zerpflücken. Fragen Sie bitte einfach bei Fischer und Oswald nach, warum sie die ÖTV-Betreuung in dem Moment verlassen haben, in dem sie dafür hätten zahlen müssen – und ihr Geld jetzt in eine private Einrichtung tragen. Und fragen Sie einfach bei den vielen anderen nach, die in der Südstadt in den vergangenen Jahren zu internationalen Spitzenprofis ausgebildet werden hätten sollen – und die zum Teil gar nicht mehr Tennis spielen. Nicht einmal mehr zum Spaß.

Was bringt es Ihnen eigentlich, wenn die Südstadt unter dem immer stärkeren medialen Druck auseinander bricht?

Ich habe nicht die Südstadt als Einrichtung für die sportliche Elite in Frage gestellt. Ich habe die für jahrelange offensichtliche Misserfolge verantwortliche Person kritisiert. Wenn ich einen Fahrschüler in einen Ferrari setze und der fährt ihn gegen die Wand, ist ja nicht der Ferrari schuld.

Was sollte Schaller Ihrer Meinung nach besser machen?

Ich glaube nicht, dass er der richtige Mann ist. Es wird niemanden geben, der ihm Führungsqualitäten oder Durchsetzungskraft bescheinigt. Schaller ist nett, freundlich, unverbindlich und schüchtern und bastelt seit Jahren an einem erfolglosen Konzept nach dem anderen. Als Galionsfigur ist er ungeeignet.

Was nach einer Aufforderung zum Rücktritt als Sportdirektor klingt.

Ich sage nicht, wer weg gehört und wer nicht. Aber es ist irgendwann die Frage, ob man seine eigene chronische Erfolglosigkeit weiter auf dem Rücken junger Sportler behandeln möchte.

Teuschl weiter: „Bis auf Dominic Thiem gibt es auch aus dem privaten Bereich kaum jemanden, der in den Jugendranglisten ganz vorne zu finden ist.“

Wieder dieser ärgerliche Reflex: Nicht daran denken, wie man die eigene Arbeit verbessern kann, sondern andere schlecht machen. Außerdem übersieht er dabei, dass bei den privaten Akademien privates Geld fließt und beim ÖTV öffentliches. Und nur um die Verhältnisse zurecht zu rücken: Hinter Thiem, Stiefelmeyer, Ofner und Novak ist Michi Eibl als fünftbester Österreicher in der Jugend-Weltrangliste der beste ÖTV-Spieler. Thiem steht auf 30, Eibl auf Platz 350. Vor zwei Jahren war Eibl noch vorne.

Es geht in dem ganzen Konflikt auch ums Geld. Sie haben das Angebot des ÖTV zu einer externen Förderung Ihres Schützlings Dominic Thiem abgelehnt – und haben in der Kronen Zeitung sehr scharfe Worte gefunden. Teuschl spricht von einer „grundlegend ablehnenden Haltung“ Ihrerseits gegenüber dem ÖTV.

Wir vermischen jetzt zwei Dinge. Das eine ist die erfolglose Arbeit unter der Verantwortung des ÖTV-Sportdirektors. Das andere ist die Verhältnismäßigkeit der Unterstützung nachweislich erfolgreicher Jugendlicher, die nicht beim ÖTV trainieren.

Das heißt konkret …?

Ein Spieler im Verband kostet, man hört da verschiedene Zahlen, zwischen 20.000 und 50.000 Euro pro Jahr. Der Beste steht auf 350 in der Jugend-Weltrangliste. Ein Privater wird erstmals als förderungswürdig gesehen, wenn er Top 50 steht – und zwar mit 5000 oder 6000 Euro. Das ist nicht akzeptabel.

Es sieht so aus, als würden Sie und Gilbert Schaller keine besonders guten Freunde mehr. Könnte es kein Miteinander geben? Immer wieder wird von Schaller Zusammenarbeit gefordert, ein Miteinander aller kompetenten Kräfte in Österreich.

Man ist im Spitzensport nicht dazu da, sich Freunde zu machen. Es geht um Konflikte und ihre Lösung. Es geht darum, sich gegen andere durchzusetzen. Wer mehr Leidenschaft, mehr Erfahrung, mehr Professionalität und mehr Entschlossenheit mitbringt, kann Voraussetzungen für bessere Leistungen schaffen. Und damit bessere Ergebnisse.




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Montag
17.05.2010, 10:54 Uhr