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Das ÖTV-Förderungsroulette – fünf Punkte, die Rätsel aufgeben

tennisnet.com stößt auf Ungereimtheiten der Förderungsmodelle des österreichischen Tennisverbandes.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 09.05.2011, 13:40 Uhr

Von Christoph Wagner

Will man im Tennis erfolgreich sein, geht ohne Geld nichts. Besonders die Teilnahmen an internationalen Turnieren brennen den Gönnern des österreichischen Nachwuchses ein Loch ins Portemonnaie. “Gemeinsam zur Spitze” titelte der ÖTV vor kurzem auf seiner Homepage und spielte damit auf die sogenannte externe Förderung an, die den besten privat trainierenden Jugendlichen des Landes finanziell unter die Arme greifen soll.

Einige der „Besten“ bleiben derzeit allerdings auf der Strecke. Aufstrebenden Spielern wird der Einstieg in die internationale Turnier-Szene schwer gemacht. Das gesamte Förderungssystem ist intransparent - sowohl die externe, als auch die Förderungen der einzelnen Landesverbände. tennisnet.com informierte sich bei den Betroffenen und präsentiert fünf Punkte, über die es nachzudenken gilt.

1) Die Causa Thiem

Dominic Thiem ist nicht nur Österreichs bester Jugendlicher, sondern auch einer der besten der Welt. Im aktuellen ITF-Ranking liegt der 17-jährige Seebensteiner auf Rang drei. Eine Externe Förderung vom ÖTV erhält der Schützling von Günter Bresnik nicht. Schon seit Jahren wird um deren Höhe gepokert: Im vergangenem Jahr wurden Thiem 6.600 Euro angeboten, dann auf 15.000 Euro nachgebessert. “Lächerlich”, meint Vater Wolfgang, der darauf hinweist, dass ein ÖTV-Südstadtspieler mit nicht einmal annähernd vergleichbaren Ergebnissen dem Verband pro Jahr um die 45.000 Euro kostet. Und auch heuer lehnten die Thiems die angebotene Summe von 25.000 Euro ab. „Dieser Betrag wäre für uns grundsätzlich in Ordnung gewesen. Was wir wollen, ist aber auch ein angemessene Nachzahlung für das Jahr 2010“, erklärt Wolfgang Thiem, an den der ÖTV vor kurzem „vollkommen überraschend“ noch einmal herantrat: „Wir hatten ein neuerliches Gespräch zu diesem Thema. In ein paar Tagen bekommen wir Bescheid, ob unseren Forderungen nachgekommen wird.“

ÖTV-Vizepräsident und Kassier Dr. Helmut Dorn betont jedenfalls: "Es gibt weiterhin Versuche, einen gemeinsamen Weg zu gehen."

2) Null Euro für Österreichs Nummer zwei

Patricia Haas ist in der internationalen U18-Rangliste hinter ihrer Schwester Barbara die Nummer zwei des Landes. Trotzdem: Ihre Förderungen 2011 belaufen sich auf keinen einzigen Cent. Durch die Kombination von Alter und Ranking, erfüllt Haas nicht dieRanglisten-Voraussetzungendes ÖTV.  Um förderungswürdig zu sein, hätte die 17-Jährige, die wie Thiem bei Günter Bresnik trainiert, am Stichtag Anfang Dezember 2010 entweder zu den besten 30 Spielerinnen im ITF-Ranking oder zu den Top-500 der Damen-Weltrangliste zählen müssen.

3) Gesucht: Fingerspitzengefühl der Landesverbände

Sowohl der Steirer Johannes Schretter, als auch Julia Grabher aus Vorarlberg werden ab heuer vom Landesverband nicht mehr gefördert. Grund dafür ist, dass beide nicht im Landesverband selbst, sondern privat trainieren.

Schretter verliert dadurch im Vergleich zum Vorjahr 2600 Euro. SPIRE-Spielerin Grabher muss die anfallenden Platzkosten selbst decken und hat im Vergleich mit VTV-KaderspielerInnen, die vom Leistungs-Niveau deutlich unter ihr liegen, auch weitere finanzielle Nachteile: Neben einer großzügigen Trainingskostenrückerstattung, erhält jeder Spieler des VTV zusätzlich einen jährlichen Turnierkostenersatz von 3000 Euro. “Dieser ist erfolgsunabhängig und wird ausgezahlt. Und das, obwohl die meisten Spieler seit Monaten keine internationalen Turniere mehr gespielt haben”, erklärt ihr Coach Matt Hair.

Zwei Gesichter zeigte der Wiener Tennisverband: Denise Maxl, WTV-Nachwuchsspielerin des Jahres 2010, bekommt ausnahmsweise auch mit 17 Jahren 3000 Euro Jahresförderung. “Dafür sind wir sehr dankbar”, sagt Vater Gerhard Maxl, bezeichnet bei einem Jahresaufwand von 27.000 Euro den Betrag aber nur als “den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein”.

Weniger Fingerspitzengefühl bewies der WTV bei Marlies Szupper. Die 15-Jährige konzentriert sich seit dem Vorjahr auf internationale Turniere und rutschte trotz ihrer bislang besten Saison in der nationalen Rangliste auf Platz sechs zurück. Durch das Herausfallen aus den Top-Fünf, wurde 2011 der Kostenersatz, der nur für internationale Turnierkosten verwendet werden darf, von 3.000 auf 1.000 Euro gekürzt.

4) Nicht förderungswürdig, aber…

Am Beispiel Patricia Haas wird deutlich, wie genau der ÖTV die Ranking-Voraussetzungen für Unterstützungen nimmt. Immer? Der Burgenländer David Pichler profitiert 2011 von der externen Förderung, erfüllte aber zum Stichtag im vergangenen Dezember die Ranking-Vorgaben nicht. Der 14-Jährige hätte, um für die Förderung des ÖTV in Frage zu kommen, zu den Top-30 der Tennis-Europe-Rangliste zählen müssen, lag aber zu diesem Zeitpunkt auf Rang 38.

Dass sich Pichler, der sich nach dem Stichtag auch ein förderungswürdiges Ranking erspielte, durch seine internationalen Erfolge eine Unterstützung verdient, steht nicht zur Debatte. Doch wenn es Kriterien gibt, müsste doch - auch wenn deren Sinnhaftigkeit in Frage steht - konsequent nach diesen verfahren werden.

Die Begründung des ÖTV: Während Haas die Vorgabe weit verfehlt, scheiterte Pichler knapp. Hier versuche man, nicht päpstlicher als der Papst zu sein und mit Fingerspitzengefühl zu agieren. Generell gehe es, auch beim Nachwuchs in der Südstadt, darum, Perspektiven einzuschätzen. Wer dann à la longue nicht das Potenzial beweisen kann, müsse wieder aus dem Föderkorridor genommen werden.

5) Auch Südstadt-Spieler scheitern an Vorgaben

Von Insidern werden die Kosten für ein Jahr eines ÖTV-Südstadt-Spielers auf 30.000-70.000 Euro geschätzt. Der Großteil des Budgets wird also momentan in Spieler investiert, die, wenn sie privat trainieren würden, keinerlei Förderungen von Seiten des ÖTV zu erwarten hätten. Denn mit Maximilian Neuchrist, Sam Weissborn, Markus Ahne, Michael Eibl und Sebastian Ofner erreichten fünf von acht aktuellen Schützlingen von Gilbert Schaller und Co. die vorgegebene Ranglisten-Position für die externe Förderung nicht. Und auch für einen sechsten Südstadt-Spieler wären eigentlich keine Förderungen mehr vorgesehen: Nicolas Reissig ist mit seinen 21 Jahren zu alt.

APT als Retter in der Not

Für die größten Talente, die aus welchen Gründen auch immer nicht ausreichend finanziell unterstützt werden, wurde im November des Vorjahres die Vereinigung „Austrian Professional Tennis“ ins Leben gerufen. Spieler wie zum Beispiel Thiem, Haas, Grabher oder Kandler erhalten von der „APT“ eine zusätzliche Förderung. Bei Dennis Novak sprang die Initiative von Michael Oberleitner im Jänner in letzter Sekunde ein und finanzierte ihm die Reise zu den Australian Open der Junioren.(Foto: GEPA pictures,Collage: tennisnet.com)

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