Sascha Bajin im Interview: "Serena würde John McEnroe plattmachen"

Der Münchner Sascha Bajin ist der bekannteste Hittingpartner der Tour. Mit tennisnet.com spricht er über Tennistraining mit Frauen, einen Vergleich zwischen Serena Williams und John McEnroe, seine Erfahrungen mit Vika, Sloane, Caroline - und eine Dame namens Heidi.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 12.12.2017, 14:00 Uhr

Sascha Bajin, Serena Williams

Sascha Bajin, 32, sprang ein, als Serena Williams 2007 einen Trainingspartner suchte. Williams war begeistert und verpflichtete den Münchner als dauerhaften Hittingpartner. Bajin zog nach Florida und lebte jahrelang mit der besten Spielerin aller Zeiten unter einem Dach. 2015 trennte sich Bajin von Williams, weil er mehr Verantwortung übernehmen wollte. Zuletzt war "Big Sascha" ("Damit kam Serena irgendwann um die Ecke") im Team von Caroline Wozniacki tätig und führte sie zu ihrem größten Sieg in Singapur. Vor wenigen Tagen gab Bajin bekannt, dass er nun mit Naomi Osaka zusammenarbeiten wird.

tennisnet: Herr Bajin, Sie haben mit Serena Williams, Victoria Azarenka, Sloane Stephens und nun Caroline Wozniacki vier große Persönlichkeiten erlebt. Wie sind die denn so, abseits des Platzes?

Bajin: Eigentlich sind das normale Mädels. Auch Serena, die auf dem Platz den Eindruck vermittelt, dass sie eine Diva sei. Außerhalb ist sie witzig und super nett. Sie hat einen relativ schwarzen Humor, was mir gut gefallen hat. Auch Vika ist sehr entspannt, genau wie Sloane. Und Caroline ist so höflich! In gewissen Sachen unterscheiden die sich gar nicht so sehr von anderen.

tennisnet: Die Damen-Tenniswelt ist dennoch etwas speziell. Daniela Hantuchova hatte vor Jahren darüber gesprochen, wie viel Neid und Missgunst herrschen.

Bajin: Ich muss jetzt aufpassen, was ich sage... (lacht) Frauen sind von Natur aus vielleicht etwas eigensinniger. Auch Serena ist nicht da, um sich Freunde zu machen. Sie hat nie im Players-Restaurant gegessen oder sich auf der Anlage aufgehalten. Für sie ist es Business, ähnlich wie bei Vika. Vielleicht sind die Jungs entspannter und können Berufliches und Privates auseinanderhalten. Bei Caroline kenne ich niemanden, der sie nicht leiden kann. Aber klar: Das sind Konkurrentinnen, die wollen sich gegenseitig etwas wegnehmen. Ich bin im Zweifel auch dafür, keine Freundschaften zu schließen - außer man kann das eben trennen.

tennisnet: Mit Serena haben Sie drei Jahre lang unter einem Dach gelebt. Wie lief das ab?

Bajin: Das war mit Serena, Venus, Physiotherapeutin Esther und Assistentin Valerie. Es war ein großes Haus, aber es waren dennoch vier Frauen - und ich (lacht). Serena hatte ihren eigenen Flügel, Venus ebenso, und eben wir, die Mitarbeiter. Es war wie bei einer großen Familie. Wir haben zusammen gekocht und ich musste mir drei Jahre lang die Kardashians und die Desperate Housewives anschauen.

tennisnet: Serena hat Ihnen in dieser Zeit eine junge Dame namens "Heidi" vermittelt...

Bajin: Ich bekam irgendwann eine Nachricht: "Hey Sascha, ich bin Heidi und habe deine Nummer von einer Freundin von Serena. Ich finde dich ganz süß." Dann schickte sie mir attraktive Fotos. Sie meinte: "Nimm meine Freundschaft auf Facebook an!" Sie hatte eine Facebook-Seite mit 60, 70 Freunden, mit Schulprofil, Hobbys und allem. Über drei oder vier Monate habe ich mit Heidi geschrieben. Irgendwann meinte sie: "Wenn du dich morgen nicht mit mir treffen willst, pass bloß auf, dass ich Serena nicht über den Weg laufe!" Beim Frühstück habe ich Serena auf Heidi angesprochen und gemeint, dass sie wohl etwas verrückt ist. Serena hat gelacht und ich dachte: Irgendwas stimmt hier nicht. Am nächsten Morgen habe ich die Nummer angerufen. Das Krasse ist, dass Serena ihr Handy immer lautlos hat. Und plötzlich klingelt ein Handy in ihrer Hosentasche! Sie hat mich vier Monate lang vorgeführt und diese Person kreiert, mit Facebook-Account und allem.

tennisnet: Sie haben sich hoffentlich gerächt!

Bajin: Immer wieder, aber nicht in großem Stil. Da hätte sie bessere Karten gehabt. Irgendwann mache ich das aber. Das Leben ist noch lang (lacht).

tennisnet: Haben Sie noch Kontakt zu ihr?

Bajin: Schon, wir sehen uns ab und zu. Ich wohne nur fünf Minuten von ihr entfernt in Palm Beach. Momentan ist sie beschäftigt mit Kind und Mann. Die Zeit soll sie genießen. Aber sie war ein großer Teil meines Lebens, ich war ein großer Teil ihres Lebens. Ich verstehe mich auch mit ihrem Vater sehr gut, wir telefonieren ab und zu. Ich mag die Familie sehr.

tennisnet: Sie haben schließlich ein Angebot von Victoria Azarenka angenommen, weil Sie mehr Einfluss aufs Training nehmen wollten. Sie beide hatten, wie man öffentlich über einige Twitter-Fotos mitbekommen hat, ein gutes Verhältnis. Dennoch hat sie sich unschön von Ihnen getrennt.

Bajin: Wir haben uns sehr gut verstanden. Natürlich war es ihre Entscheidung, ob sie mich darüber informieren wollte, dass sie schwanger ist. Aber dem engsten Kreis hätte sie es mitteilen sollen. Oder sagen können: Sascha, es liegt nicht an dir, bitte gib mir Zeit, dann wird das Sinn machen. Nachdem Schluss war, habe ich einen Monat lang nicht gewusst, was der Grund war. Ich habe den Fehler bei mir gesucht, mich hinterfragt, ob ich dies oder jenes hätte anders machen sollen. Bis via Twitter rauskam, dass sie schwanger ist. Im Rückblick haben auch die Turniere zuvor Sinn ergeben, wo sie launischer war, kurzfristig zurückgezogen hat.

tennisnet: Kam ihr nicht in den Sinn, dass Sie womöglich warten, bis sie zurückkommt?

Bajin: Ich hätte gewartet, das wäre kein Problem gewesen! Wenn sie etwas offener gewesen wäre, hätten wir alles anders angehen können. Aber gut, es war ihre Entscheidung.

tennisnet: Gab es eine Aussprache? Sie sehen sich ja weiterhin auf Turnieren.

Bajin: Nein, das war für mich abgehakt. Das erste Mal habe ich sie bei den French Open wiedergetroffen, da haben wir uns kurz unterhalten, das war's. Sie ist eine Wettkämpferin - wenn eine Sache vorbei ist, schaut sie nach vorne. Das ist okay für mich, solange man sich respektiert, was sie auch tut.

tennisnet: Mit Sloane Stephens lief es ähnlich, als sie längere Zeit verletzt war.

Bajin: Ich hatte so viel reingesteckt, habe wegen ihr die Hochzeit meiner Mutter und meiner Schwester verpasst, habe sechs Monate lang mit ihr Reha gemacht. Obwohl man diese Arbeit eigentlich nicht machen, sondern spielen will. Aber ich habe fest daran geglaubt, dass ich ihr zurückhelfen kann, dass sie richtig stark werden kann. Zum ersten Mal habe ich meinen eigenen Konditionstrainer ins Team gebracht, das Gästehaus in einen Gym umgebaut, ihr einen Fernseher geschenkt, alles zusammengeschraubt. Damit sie gute Energie und Lust bekommt, zu arbeiten. Vorm ersten Match tat ihr Fuß dann wieder weh - und das war's.

tennisnet: Wie hat sie die Trennung begründet?

Bajin: Sie meinte: "Du gehörst auf die Tour, mach dein Ding. Ich weiß nicht, wie es weitergeht." Ich habe ihr gesagt, dass ich gerne warte und auch kein Gehalt verlange. Oder mal sechs Monate lang nicht arbeite. Sie wollte nicht. Dann kam das Angebot von Caro. "Everything happens for a reason", wie man so schön sagt.

tennisnet: Trotzdem bringt einen das zum Nachdenken.

Bajin: Nach diesen Erfahrungen war ich menschlich enttäuscht. Das war für mich mehr als Business, ich war mit Leidenschaft dabei. Zunächst wollte ich nicht mehr reisen, wollte mein Leben genießen, mal Weihnachten feiern, Geburtstag haben, meine Familie sehen. Das Angebot von Caro konnte ich aber nicht ablehnen.

tennisnet: Wie erfolgreich waren Sie eigentlich selbst als Spieler?

Bajin: Bis zu den Junioren war ich solide, Top 30 in Europa, habe ein paar gute Jungs geschlagen. Als mein Vater gestorben ist, habe ich leicht den Faden verloren. Ich habe ein paar Futures gespielt, aber keine ATP-Turniere. Ich habe mein Leben mit Preisgeldturnieren, Bundesliga und Trainerstunden finanziert, das lief auch okay.

tennisnet: Mussten Sie Ihr Spiel umstellen, um mit den Mädels zu trainieren?

Bajin: Ja, schon. Die Frauen spielen viel flacher. Ich darf auch nicht zu viel Variabilität reinbringen. Ich merke das oft, wenn ich aus dem Platz gedrängt werde und einen Slice spiele. Oder Kick-Aufschläge, weil die Frauen das kaum machen, die bevorzugen als zweiten Aufschlag den Slice durch die Mitte. Aber das habe ich mir antrainiert. Ansonsten spiele ich ohnehin recht flach.

tennisnet: Was ist noch anders als bei den Herren?

Bajin: Frauen sind von der Mentalität nicht so aggressiv. Simona Halep, Elina Svitolina, Caroline... die haben eine konstante Vorhand, gehen aber nicht voll drauf. Bei den Männern ist jeder Schlag Volldampf, die machen den Schlag über den Spin eher langsam. Die Frauen blocken ihn dann eher oder drücken ihn in eine Richtung.

tennisnet: Aktuell läuft der Kinofilm "Battle of the Sexes" im Kino. Vor allem John McEnroe kokettiert immer wieder damit, gerne mal Serena zu fordern. Wie würde das ausgehen?

Bajin: Ich habe mit John nach den US Open ein paar Bälle geschlagen. Ich mag ihn wirklich sehr und er wird das sicher nicht gerne hören... Aber ich denke, dass Serena ihn platt machen würde. Mittlerweile ist er dann doch zu alt (lacht).

Das Gespräch führte Florian Goosmann im Rahmen der WTA Finals in Singapur.

von Florian Goosmann

Dienstag
12.12.2017, 14:00 Uhr