Wenn ein Future-Titel nur 9 Euro einbringt

Während der Sieger in Wimbledon mehr als zwei Millionen Euro erhält, ist das Tour-Leben außerhalb des Scheinwerferlichts oft ein harter Überlebenskampf.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 01.07.2016, 13:58 Uhr

ITF-Tour

Dass die Tenniswelt eine finanzielle Zweiklassengesellschaft ist, kann nicht als bahnbrechende Erkenntnis herhalten. Die Schere zwischen Krösus und Bettelmann geht aber offenbar immer weiter auseinander. In Wimbledon wird in diesem Jahr ein Gesamtpreisgeld von umgerechnet 33,6 Millionen Euro ausgeschüttet, wovon die Sieger der Damen- und Herrenkonkurrenz jeweils 2,4 Millionen Euro einstreichen - mehr als jemals zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr wurde das Preisgeld nochmal um fünf Prozent erhöht, in den letzten vier Jahren drehte sich die Schraube stetig nach oben. Der Brexit drückte den Kurs des britischen Pfunds vor Turnierbeginn allerdings so sehr, dass das Preisgeld für die Einzelsieger um 370.000 Euro zurückging, wie die "Kleine Zeitung" schreibt . Überraschungsmann Marcus Willis bekommt für das Erreichen der zweiten Runde in Wimbledon also vermutlich auch etwas weniger als die avisierten 60.000 Euro, zudem gehen 50 Prozent des Geldes an den britischen Fiskus.

10.000-US-Dollar-Turniere sind ein Fass ohne Boden

Summen, von denen die Spieler aus den hinteren Regionen der Weltrangliste nur träumen können. Vor allem das Leben auf der ITF-Future-Tour hat mit der schillernden Hochglanz-Welt an der Spitze der Nahrungskette kaum etwas gemein. Zwar beschloss der Tennis-Weltverband vor einem Jahr, dass die kleinen ITF-Events aufgewertet werden. Die Turniere der 10.000-US-Dollar-Klasse erfahren aber erst im Jahr 2017 eine Steigerung auf 15.000 US-Dollar. In dieser Saison wurden lediglich die 15.000 US-Dollar-Turniere teilweise zu 25.000 US-Dollar-Turnieren erhöht. Die Futures der Einstiegsklasse (10.000 US-Dollar) bleiben für die Spieler außerhalb der Top 250 vorerst jedoch weiterhin ein Fass ohne Boden.

Das wird deutlich am Beispiel des französischen Profis Gregoire Jacq , der zumeist auf der Future-Tour zu Hause ist. Die 23-jährige Nummer 294 der Welt bestritt in ihrer Karriere lediglich vier Challenger-Matches und verdiente in diesem Jahr rund 7500 Euro an Preisgeld. Zuletzt gewann Jacq das Future im Schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen, wofür er laut ATP-Angaben neben 18 Ranglisten-Punkten rund 1300 Euro Siegprämie einstrich. Der Erfolg war hart erarbeitet: Für den zweiten Future-Titel seiner Karriere stand der Franzose am Finaltag mehr als vier Stunden auf dem Platz. Zunächst gewann Jacq das verlegte Halbfinale gegen Kevin Krawietz nach drei engen Sätzen, um kurz darauf gegen Yannick Maden im Finale anzutreten - von dessen Aufgabe er allerdings profitierte.

Die Tour frisst ihre Kinder

Doch nach Abzug von Steuern blieben dem Linkshänder aus Clermont-Ferrand gerade einmal 954 Euro übrig. Wie die Online-Plattform "Tennisworldusa" vorrechnet, musste Jacq davon noch 400 Euro für Flüge, 300 Euro für das Hotel, 200 Euro für Restaurants sowie 30 Euro für den Besaitungsservice berappen. Von den übrigbleibenden neun Euro lassen sich wohl kaum große Sprünge machen. So oder so ähnlich geht es vielen Spielern, die auf den Hinterhöfen des Wanderzirkus ihren Lebensunterhalt verdienen. In diesem Kontext erscheint es wenig verwunderlich, dass Wettbetrüger vor allem auf der Future-Tour immer wieder Profis zur Manipulation anstiften konnten. Die ITF ist mehr denn je gefragt, auch den Hinterbänklern der Szene ein würdiges Auskommen zu ermöglichen. Bei stetig wachsenden Grand-Slam-Turnieren dürfte das finanziell keine unlösbare Aufgabe sein.

von tennisnet.com

Freitag
01.07.2016, 13:58 Uhr