„Wir leben im Sportstainment-Zeitalter“

Der Wimbledonsieger von 1996 spricht im Interview über das hochdotierte Challenger in Braunschweig.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 08.05.2012, 10:37 Uhr

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Richard Krajicek ist einer der Stars bei den Volkswagen Senior Classics, die am 30. Juni im Rahmen des Braunschweiger ATP-Tennisturniers Sparkassen Open ausgetragen werden. Der 40-jährige Wimbledonsieger von 1996 spielt im Einzel gegen den Wimbledonsieger von 1991, Michael Stich. Im Schaukampf-Doppel ist der Niederländer zudem mit Turnierdirektor Stich, Henri Leconte und Mansour Bahrami auf dem Centre Court zu erleben. Davis-Cup-Spieler Richard Krajicek gewann in seiner Karriere 17 Einzel- und drei Doppel-Titel, stand an Position vier der Weltrangliste und verdiente mehr als zehn Millionen Dollar Preisgeld.


Im Rahmen des ATP-Tennisturniers Sparkassen Open spielen Sie bei den Volkswagen Senior Classics im Schaukampf gegen Michael Stich. Welche Erinnerungen haben Sie an ehemalige Matches gegen Michael Stich?


Krajicek: „Michael und ich haben einige große Matches gegeneinander gespielt. Im Finale des ATP-Turniers in Stuttgart war ich ihm in fünf Sätzen unterlegen. Dafür habe ich ihn bei den Australian Open in einem Fünf-Satz-Krimi geschlagen. In besonders guter Erinnerung ist mir zudem mein glatter Drei-Satz-Erfolg in der vierten Runde von Wimbledon 1996.“


Was dürfen die Fans vom Schaukampf erwarten und wie bereiten Sie sich vor?


„In den Wochen vor dem Spiel werde ich etwa drei- bis viermal wöchentlich trainieren, dann dürfte mein Leistungsniveau wieder recht ordentlich sein. Ich bin mir sicher, dass wir die Zuschauer mit guten Schlägen begeistern können und dass sie uns anmerken, wieviel Spaß wir am Tennis haben. Die Unterhaltung wird nicht zu kurz kommen.“


Wie halten Sie sich generell fit und wie oft spielen Sie noch Tennis – und mit wem?


„Ich gehe täglich eine Stunde zum Ausdauertraining ins Fitnessstudio. Manchmal spiele ich wochenlang überhaupt kein Tennis, aber wenn, dann im nationalen Leistungsstützpunkt, der nur zehn Minuten von meinem Haus entfernt liegt. Zumeist trainiere ich dort mit den besten Nachwuchsspielern. Wenn sich die Gelegenheit bietet, spiele ich aber auch mit den Profis wie Robin Haase und Thiemo de Bakker. Mit meiner Schwester Michaella trainiere ich ebenfalls ab und zu.“


Was waren die stärksten emotionalen Momente Ihres Wimbledonsieges 1996?


„Der Einlauf auf den Platz zum Finale, den Matchball zu verwandeln und schließlich die Trophäe in den Händen halten. Aber ebenso die Siege gegen Michael Stich in der vierten Runde und Pete Sampras im Viertelfinale: Nach diesen beiden Spielen habe ich fest daran geglaubt, das Turnier gewinnen zu können.“


Welches sind Ihre persönlichen Tennis-Highlights abseits des Triumphes in Wimbledon?


„Der Sieg in Key Biscayne sowie die beiden Titel beim ATP-Turnier in Rotterdam. Als kleiner Junge sah ich dort Jimmy Connors, John McEnroe und Ivan Lendl spielen und 20 Jahre später hielt ich die Trophäe selbst in den Händen. Auch meinen ersten Sieg über die amtierende Nummer eins der Welt werde ich nie vergessen: Das war 1991 beim Turnier in New Haven gegen Stefan Edberg.“


Sie sind Turnierdirektor in Rotterdam und haben sicher auch schon vom ATP-Challenger-Event in Braunschweig gehört: Wie schätzen Sie das Turnier in Braunschweig ein?


„Mit Michael Stich haben die Sparkassen Open in Braunschweig einen großartigen Turnierdirektor. Daher wird das Event perfekt organisiert sein und den Spielern wird es vor Ort an nichts fehlen.“


In Braunschweig heißt das Konzept Tennistainment, also die Mischung aus Spitzentennis, Musik und Unterhaltung. Halten Sie dies für einen notwendigen Weg in der heutigen „Spaß-Gesellschaft“?


„Ja, davon bin ich überzeugt. Wir leben heute im Sportstainment-Zeitalter. In Rotterdam verfolgen wir genau das gleiche Konzept. Tennis bildet natürlich das Kerngeschäft, doch wir möchten den Besuchern darüber hinaus einen tollen, angenehmen Tag für die gesamte Familie bereiten. So bieten wir den Besuchern unter anderem Einkaufsmöglichkeiten, Tennis-Workshops und Interaktionen mit den Spielern.“


Seit 1997 engagieren Sie sich für die Richard Krajicek Foundation. Welche Aufgaben und Ziele hat Ihre Stiftung, was konnte bisher erreicht werden?


„Meine Stiftung, die in diesem Jahr ihr 15-jähriges Bestehen feiert, fördert Sportangebote für sozial benachteiligte Kinder in innerstädtischen Vierteln in den Niederlanden. So errichten wir zum Beispiel Sportplätze. Bisher haben wir 82 Plätze gebaut, bis zum Jahresende sollen es 100 sein. Dort können die Kinder und Jugendlichen Tennis, Fußball und Basketball spielen. Wir stellen zusätzlich sicher, dass auf jedem Platz mindestens ein Sportlehrer zur Verfügung steht. Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren unterstützen wir zudem mit Stipendien für eine Ausbildung zum Sportlehrer. In den vergangenen vier Jahren haben wir so knapp 300 Jugendliche ausgebildet, weitere 110 erhalten derzeit ein Stipendium von uns.“


Mit Robin Haase steht nur ein niederländischer Spieler unter den Top 100 der Welt (Nummer 55). Woran liegt das und was muss im niederländischen Tennis geändert werden?


„Das ist schwer zu sagen. Die Nachwuchsförderung in den Niederlanden ist gut, dennoch ist der Schritt vom Jugendspieler zum Profi sehr schwer. Tennis ist heute wesentlich komplexer als zu meiner aktiven Zeit. Es gibt derzeit nur sehr wenige 19-jährige Spieler unter den Top 100. Wir sollten einfach etwas Geduld haben. Thomas Schoorel, Igor Sijsling und Thiemo de Bakker sind alles Spieler, die unter den Top 100 stehen könnten bzw. müssten.“


Mit einem Augenzwinkern: Schauen Sie sich heutzutage manchmal auch ein Frauen-Tennismatch der WTA-Tour an?


„Hauptsächlich verfolge ich die Spiele meiner Schwester Michaella. Sie spielt auf der WTA-Tour und ist momentan unter den Top 70 der Welt“.

Interview und Foto: Presseaussendung Sparkassen Open Braunschweig

von tennisnet.com

Dienstag
08.05.2012, 10:37 Uhr