Die beste Woche des Derby-Siegers

ÖTV-Schützling Sam Weissborn im tennisnet.com-Interview nach seinem bisher größten Erfolg beim Future in St. Pölten.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.08.2010, 13:31 Uhr

Der Niederösterreicher Tristan-Samuel "Sam" Weissborn erreichte diese Woche das Viertelfinale des mit 10.000 Dollar dotierten Futures von St. Pölten – sein bisher größter Erfolg, erreicht ausgerechnet beim Jubiläum, seinem 25. Antritt auf Future-Ebene. Auf dem Weg in die Runde der letzten Acht besiegte Sam im Achtelfinale den Bresnik-Schützling Dominic Thiem klar, selbst im Viertelfinale fehlte ihm in einem weiteren Südstadt-Duell, diesmal gegen ÖTV-Stallkollege Nico Reissig, nicht viel, um sogar in sein erstes Halbfinale auf dieser Ebene einzuziehen.

Im Juniorenbereich waren dem noch bis 24. Oktober 18-jährigen Linkshänder aus Korneuburg bereits beachtliche Erfolge gelungen. So gewann er mit Partner Maximilian Neuchrist 2009 die Junioren-Europameisterschaft im Doppel. Zusätzlich erreichten die beiden gemeinsam das Halbfinale der Australian Open.

Auch im Einzel war Weissborn schon bei allen vier Junioren-Grand-Slam-Events dabei und schaffte es im Jänner 2009 bis auf Position 30 der Junioren-Weltrangliste. Im Gespräch mit tennisnet.com spricht er nun darüber, wie er die erfolgreiche Woche in St. Pölten mitsamt Südstadt-Duellen erlebt hat, was seine weiteren Ziele und Träume sind und auch wie er mit der derzeitigen Kritik an der Südstadt umgeht.

Sam, erst einmal Glückwunsch zu deinem Erfolg in St.Pölten – ist er höher zu bewerten als der Jugend-Europameistertitel im Doppel?


Ja, auf jeden Fall, weil es eben auf der Herren-Tour war. Die Doppel-EM der Junioren mit Max Neuchrist war zwar super, aber Erfolge bei den Herren zählen dann eben doch mehr.

Wie stolz macht dich der Erfolg, ausgerechnet in Österreich?

Ich bin sehr stolz darüber, vor allem weil ich dieses Jahr noch nicht so gut gespielt habe. Aber ich bin da jetzt rausgekommen, diese Woche war echt positiv.

Hast du dir vielleicht auch ein bisschen Extra-Druck gemacht aufgrund der Südstadt-Duelle gegen Dominic Thiem und Nico Reissig?

Nein, überhaupt nicht. Eigentlich war ich die ganze Woche ziemlich locker. Ich wusste aber, dass ich richtig gut spielen muss, weil zum Beispiel Dominic echt schon sehr stark spielen kann.

Welches Südstadt-Derby war denn leichter? Jenes gegen Bresnik-Schützling Thiem oder gegen deinen eigenen Sparringpartner ÖTV-Schützling Reissig?


Das gegen Dominic war ganz klar schwerer. Er ist eben doch zwei Jahre jünger als ich, da hab ich mir eingebildet, dass ich das einfach auch gewinnen sollte. Ich wusste aber natürlich, dass er vor allem in letzter Zeit sehr, sehr stark gespielt hat. Gegen Nico habe ich mir überhaupt keinen Druck gemacht. Da hatte ich ja nix zu verlieren. Es war dann aber durchaus was drinnen. Im ersten Satz habe ich 4:1 geführt, den dann noch 4:6 verloren. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich diesen Satz gewonnen hätte. Letztendlich habe ich dann aber 3:6 im dritten Satz verloren und war doch noch etwas weiter weg von einem Matchball.

War der Sieg gegen Dominic Thiem auch irgendwie eine Genugtuung, den Schützling des ärgsten Verbandskritikers zu besiegen? Dominic hat das Match als Derby bezeichnet: wie Chelsea gegen Arsenal, hat er als Chelsea-Fan in seinem tennisnet.com-Blog geschrieben … siehst du das auch so?


Nein, ich sehe das gar nicht als Genugtuung. Ich habe versucht, das als ganz normales Match zu betrachten. Zu solchen Situationen kann es halt kommen, bei Future-Turnieren in Österreich ist es eben möglich, dass es zu Österreicher-Duellen kommt. Da ich mich mit Dominic auch gut verstehe, habe ich das nicht als eine Art Derby gesehen. Ich wollte einfach gewinnen und ins Viertelfinale kommen.

Hast du jemals zuvor mit Dominic Bälle geschlagen? Oder herrscht da in der Südstadt eine ganz strikte Trennung zwischen ÖTV und Bresnik?

Nein, so strikt ist das nicht. Ich kann mich erinnern, dass ich, als einmal gerade kein Trainer da war, ganz normal mit den Bresnik-Leuten trainiert habe. Es ist ja auch so, dass wir uns untereinander super verstehen. Nicht nur mit Dominic, mit dem ich ja bei U12 schon Doppel gespielt habe und bei dessen Vater Wolfgang ich ja sogar mal trainiert habe, sondern auch mit den anderen. Wir verstehen uns untereinander auch super, genauso mit einem Riccardo Bellotti oder Björn Propst.

Wie gehst du mit der heftigen Kritik an der Arbeit in der Südstadt um? Motiviert dich das erst recht? Mit wem trainierst du?

Um ehrlich zu sein, bekommen wir Spieler da gar nicht so unglaublich viel mit. Das interessiert mich auch wenig. Wir haben hier derzeit ein super Klima, und alles ist gut eingespielt mit den Trainern. Für mich ist Thomas Weindorfer zuständig. Mit ihm trainiere ich zu 99 Prozent. Kondi absolviere ich bei Flo Pernhaupt. Manchmal spiele ich auch mit Schilli. Bei Turnieren ist er auch fast immer dabei, bei den österreichischen sowieso immer.

Wie sehen deine weiteren Ziele heuer aus? Werden dir vom Verband welche vorgegeben?

Nein, nicht wirklich. Ziele setze ich mir selber. Bei den nächsten Turnieren will ich jetzt erst einmal unter die Top 1000 der ATP kommen. Da bin jetzt ganz nah dran. Am Ende des Jahres möchte ich dann schon unter den Top 700 stehen.

Was ist allgemein dein größtes Ziel im Tennis? Besondere Träume?

Wie so viele Spieler habe ich das Ziel, einmal Wimbledon zu gewinnen. Es wäre einfach das größte für mich, dort auf dem Rasen zu stehen und mich vom Publikum feiern zu lassen. Bei den Junioren durfte ich ja 2009 schon einmal dort antreten. Dort habe ich in der ersten Runde gegen den späteren Sieger Andrey Kuznetsov in drei Sätzen verloren.

Wie bist du eigentlich zum Tennis gekommen? War das schon immer klar, dass du Profi werden willst?

Mein Vater hat eine Tennisschule gehabt. Da war ich schon seit ich denken kann immer auf dem Platz. Das waren super Voraussetzungen für mich. Und ja, es war schon immer mein Traum Profi zu werden.

Du hast in St. Pölten gezeigt, dass du dran bist. Was fehlt dir noch nach oben? Wo siehst du dein größtes Verbesserungspotenzial?

Ich denke, in erster Linie fehlt mir noch die Konstanz. Hauptsächlich beim Aufschlag habe ich noch Probleme. Das war beispielsweise auch gegen Nico Reissig so. Da hätte ich besser servieren müssen. Der Aufschlag hat mich sicher das Match gekostet.

Was sind deine Stärken?

Meine größte Stärke ist, dass ich keine richtige Schwäche habe. Ich kann alle Taktiken mit meinem Spiel umsetzen. Außerdem fühle ich mich am Netz sehr wohl und verfüge auch über eine gute Vorhand.

Welche Turniere stehen als nächstes an?

Erst einmal die Futures hier in Österreich, Pörtschach und Wels, und danach wahrscheinlich Marokko. Das hängt aber auch davon ab, wie der Cut sein wird – mit meinem Ranking muss ich immer noch hoffen, in die Turniere reinzukommen.

Das Interview führte Christian Storhas

(Foto: GEPA Pictures / Andreas Reichart)

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Samstag
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