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Zum Fürchten gut

Der Spanier steht bei den den French Open nun bei einer Bilanz von 50:1-Siegen und ist der haushohe Favorit auf den Titel.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 07.06.2012, 10:21 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Paris

Der Häuptling aller TV-Experten sollte so etwas eigentlich nicht sagen. John McEnroe müsste jetzt eigentlich den großen Spannungsbogen aufbauen für das Roland-Garros-Wochenende, für das Herrenfinale am Sonntag, für das letzte, alles entscheidende Duell um den Musketierpokal. Doch McEnroe, der meisterliche Könner und unterhaltsame Flegel aus den 80er Jahren, gibt mit einem Schuss Fatalismus nur das zu Protokoll, was sie hier alle in der großen Tennis-Karawane denken, Spieler, Funktionäre, Fans und eben die Ehemaligen, die Stars von einst: „Ich würde nicht einen einzigen Penny gegenRafael Nadalsetzen“, sagt McEnroe, „das wäre verrückt. Er ist der König von Paris. Und das bleibt er auch.“

„Als wäre er von einem anderen Planeten“

Der Mann, der die Spannung bei den French Open gerne mal auslöscht und Wettbüros ein lausiges Geschäft beschert, ist in diesem Turnierjahr 2012 wieder mit ungeheurer Leidenschaft und Willenskraft in seinem ureigensten Element – erfolgreiches, erstklassiges Sandplatztennis ist zuallererst Nadal-Tennis. Mit unbarmherziger Konstanz hat er, der leidenschaftliche Kämpfer auf den Roten Plätzen, der Rest der Welt fest im Griff. Und erreichte nun auch ohne Satzverlust die Runde der letzten Vier, wo er auf seinen LandsmannDavid Ferrertrifft, den Dauerläufer und Ausdauerkünstler. Der hat Nadal zwar tatsächlich einmal in seiner Karriere auf Sand in Stuttgart geschlagen, aber das war 2004, als der „Kannibale“ (L´Equipe) noch ein grüner Grand-Slam-Lehrling war. Die nächsten zwölf Spiele gewann Nadal – eine Horror-Bilanz für Ferrer, die er gleichwohl mit beinahe jedem Kollegen aus dem Nomadenbetrieb teilt.

So massiv ist die Dominanz des Matadors von Manacor, dass ihn manche seiner Rivalen inzwischen gar nicht mehr von dieser Welt wähnen: „Er spielt, als wäre er von einem anderen Planeten“, sagte nach seiner 2:6, 0:6, 0:6-Achtelfinal-Niederlage der argentinische WeltklassemannJuan Monaco,selbst einer der besten Profis der Spezialdisziplin Sandtennis. In Paris schauen sie alle nur mit Ehrfurcht und grimmiger Ratlosigkeit drein, wie Nadal in seinem eigenen Universum kreiselt, auch in diesem Jahr hat er bis zum Halbfinale mal wieder keinen einzigen Satz abgegeben. Die herausragenden Werte sind genau so typisch wie Nadals Beschwichtigungen: Der Spanier, abseits des Arbeitsplatzes ein eher scheuer, zurückhaltender Charakter, betont nur zu gerne „die Schwere der Aufgaben“ und seine „tollen Gegner“: „Manche Ergebnisse sehen deutlich aus, aber es steckt viel Arbeit dahinter. Ich nehme hier nichts als geschenkt.“

50:1 in Paris

Das allerdings kann auch niemand von ihm behaupten, dem Mann, der sich wie kein zweiter in diese Ringschlachten in der „terre battue“ stürzen kann, in die stundenlangen Zermürbungskämpfe, in das aufreibende Geduldsspiel um jeden einzelnen Punktgewinn. „Wenn ich den idealen Sandplatzspieler hätte schaffen können, dann wäre er hier und jetzt da: Rafael Nadal“, sagt der frühere French-Open-Sieger Jim Courier (USA), „allerdings ist er längst auch einer der großen Allrounder im Tennis.“ Doch das Selbstbewusstsein, die innere Zuversicht, auch anderes Grand-Slam-Territorium erobern zu können, holte sich Nadal zweifellos und immer wieder unterm Eiffelturm. Dort, wo er seit 2005 und dem ersten von sechs Triumphen bisher nur ein einziges Mal geschlagen wurde: Im Achtelfinale 2009, vom SchwedenRobin Söderling,in einer Saison, in der ihm die Trennung seiner Eltern, aber auch schwere Knieprobleme zu schaffen machten.

Der Viertelfinalsieg gegen den gleichaltrigen SpanierNicolas Almagrowar nun bereitsNadals 50. Sieg im Tennistheater von Roland Garros– und der Ausweis einer Regentschaft, wie sie auf Sandcourts bisher noch kein zweiter Profi etabliert hat. Selbst nicht der Mann, der historisch noch mit Nadal mithalten kann: Der alte Schwede Björn Borg, auch er sechsfacher Champion. „Er ist der beste Sandplatzspieler aller Zeiten, ganz klar“, sagt Borg, „er kann hier noch viele Jahre die Szene beherrschen.“ Selbst „zehn Nadal-Titel in Paris“ hält Frankreichs alter Heros Yannick Noah für möglich und schwärmt: „Welch eine Konstanz.“

Anders als im letzten Jahr, als er auf dem Weg nach Paris eher schwächelte, hat er 2012 schon im French-Open-Countdown dem Rest der Welt die Fersen gezeigt – und Rekorde am Fließband produziert: Er gewann das Masters in Monte Carlo zum achten Mal in Serie, er gewann in Barcelona zum siebten Mal und beim Masters in Rom zum achten Mal. Er war, genau wie bisher in Paris, zum Fürchten gut. Der König auf Sand: Rafael Nadal.(Foto: GEPA pictures)

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Donnerstag
07.06.2012, 10:21 Uhr