Wütende Proteste nach ÖTV-Ranglisten-Umstellung

Der Verband versucht die Lage zu beruhigen, doch der Sturm der Entrüstung ist groß.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.01.2014, 18:51 Uhr

Von Manuel Wachta

Die Katze ist aus dem Sack! Der ÖTV hat per 1. Jänner 2014wie angekündigteine massive Ranglisten-Umstellung vorgenommen. Die seit über 20 Jahren existierende Punkterangliste wurde nun durch die seit 2004 in der Steiermark und seit 2008 in ganz Österreich nebenher mitlaufende ITN („International Tennis Number“) ersetzt. Das heißt, dass es zukünftig auch bei allen ÖTV-Turnieren nicht mehr um ÖTV-Punkte, sondern bloß um eine Verbesserung (oder Verschlechterung) der ITN geht. Mit Jahreswechsel fließen auch Doppelergebnisse in die Wertung ein. Zudem sind neue Turnier- und Leistungskategorien geschaffen worden. So etwa darf ein unter „ÖTV“ kategorisierter Spieler (Top 24 in der betreffenden Altersklasse) jedes Turnier der Kategorien ÖTV 1, 2 oder 3 bestreiten sowie maximal zwei Turniere pro Kalenderjahr in einer niedrigeren Kategorie. Alle Änderungen hat der ÖTV in diesem PDFhierzusammengefasst.

Fehleinstufungen und Ungerechtigkeiten

Seit dem Bekanntwerden dieser Pläne hatten viele in der österreichischen Tennisszene schon ihre Befürchtungen geäußert, ganz besonders jene, dass die angedachte Kategorisierung und Limitierung der Turnierteilnahmen verheerende Folgen für die in den letzten Jahren ohnehin schon stark dezimierte Turnierlandschaft haben könnte. Doch seit der Veröffentlichung der neuen Rangliste weht nun endgültig ein Sturm der Entrüstung, und das aus vielen Gründen. Nachdem Mario Haider-Maurer den niedrigsten nur möglichen Wert von 1,00, der sich an der Nummer eins der Welt orientieren sollte, erreicht hatte, wurden zahlreiche ITN-Umstufungen (vor allem auch im Senioren-Bereich) und -Anpassungen vorgenommen. Trotz (und sicherlich auch wegen) extrem ausführlich gehaltener Erklärungen auf der ÖTV-Seite sind die meisten Änderungen für den Ottonormalverbraucher wenig bis gar nicht nachvollziehbar. Zudem ist klar ersichtlich, dass einige völlige Fehleinstufungen und Ungerechtigkeiten unterlaufen sind. Einige ausgewählte Beispiele, die auf facebook genannt wurden:

- Der vor allem auf ÖTV-Turnierebene aktive und auch einen ATP-Punkt besitzende Markus Sedletzky rutschte von Rang 19 auf Platz 52 in Österreich ab.

- Der ebenso erfolgreich vorwiegend ÖTV-Turniere spielende Stefan Hirn rutschte von Rang 26 auf Platz 59 ab. Sein zynischer Kommentar: „Es ist mir damit gelungen, erstmals in diesem Millennium, welches bereits seit dem Jahre 2000 besteht, aus den ÖTV-Top-50 zu fallen.“

- David Simon rutschte von Rang 27 auf Platz 125 ab.

- Johannes Mühlberger rutschte von Rang 65 auf Platz 950 ab.

- Bessere Amateurspieler überholten plötzlich ehemalige Weltklasse-Spieler. So etwa lag der nur Insidern bekannte Armin Hub gleichauf mit dem Ex-Weltranglisten-Führenden Thomas Muster sowie der ebenfalls nur Insidern geläufige Hannes Fanzoj vor der früheren ATP-Nummer 52 Werner Eschauer.

- Stefan Koubek (ehemals ATP-Nummer 20) rutschte im ITN von 1,70 auf 2,738 ab.

- Johannes Ager (ehemals ATP-Nummer 266 und immer noch einer der klar besten Spieler des Landes) rutschte im ITN von 1,17 auf 2,61 ab.

- Max Neuchrist (ATP-Nummer 346 und somit Nummer acht von Österreich) schien zunächst erst gar nicht im ITN-Ranking auf.

- Tamira Paszek (WTA-Nummer 179 und somit Nummer vier von Österreich) schien bis zuletzt nicht im ITN-Ranking auf.

- Die nach dem Pfeifferschen Drüsenfieber um das Comeback kämpfende Ex-WTA-Nummer 161 Niki Hofmanova rutschte auf einen ITN-Wert um 7,000 ab, der vielmehr schwächeren Hobbyspielern gerecht wird.

- Während die meisten Spieler einen leichten Absturz im ITN-Ranking zu verdauen hatten, durften sich einige auch über Verbesserungen freuen. Manche von ihnen sogar über einen unergründlichen spektakulären Sprung nach vorne.

- Markante Fehleinstufungen besonders bei Österreichs Ex-Profis und Doppelspezialisten auf der ATP-Tour sowie ein nicht passender Übergang der ITN-Werte zwischen der Allgemeinen Klasse und den Senioren fallen auf. So etwa ist Alexander Peya, die Nummer vier der Welt im ATP-Doppel-Ranking, als Nummer 55 von Österreich eingestuft.

Einige weitere Kritikpunkte:

- Auch Ausländer und mit Österreichern gleichgestellte Spieler werden in der neuen Rangliste berücksichtigt. Eine rein österreichische Rangliste ist also nicht mehr gegeben. Ein Filter soll immerhin installiert werden.

- Der wohl zu geringe Personalaufwand. Zitat von tennisnet.com-Herausgeber Alexander Antonitsch: „In Frankreich arbeiten sieben Personen am Ranking, bei uns Heinz Lampe(ÖTV-Turnier-und -Ranglisten-Referent; Anmerkung)und ein Computer-Experte(Gerald Groicher; Anmerkung).“

- Eltern fürchten um die Förderungen für ihre Kinder, deren Rankings ebenfalls teils massiv durcheinandergewirbelt wurden. Diese werden jedoch für die Förderungen herangezogen.

- Die von der ITF (International Tennis Federation) übernommene Idee des ITN ist eigentlich nicht als Ranking-, sondern als Rating-System vorgesehen. Nachzulesen in dem PDF der ITFhierauf Seite 3 beim Absatz „What is a rating and how does it differ from a ranking?“ („Was ist ein Rating und wie unterscheidet es sich von einem Ranking?“). Dennoch behauptet man beim ÖTV, die ITF begrüße die Zusammenlegung von Punkte- und ITN-Rangliste.

Wütende Proteste auf facebook

Besonders auf facebook gab es wütende Proteste gegen die neu erschienene ITN-Rangliste. Diese gipfelten darin, dass David Johansson (Organisator der ÖTV-Turnierserie „Dajoha Wintercup) und Andreas Du-Rieux (ORF-TV-Kommentator) eine eigeneGruppe mit dem Namen „Nein zur neuen ITN Einstufung des ÖTV“gründeten. Binnen kürzester Zeit hatte man die „Gefällt mir“-Angaben des ÖTV überflügelt. Am Samstag, dem 4. Jänner 2014, um 18:30 Uhr MEZ hielt man bei 1319 „Likes“, der Verband bei 1028. Der ÖTV versucht indes, die Lage zu beruhigen. Die ITN-Rankings waren am Samstag über weite Strecken wegen zu erwartender Änderungen nicht abrufbar. Schon am Freitagvormittag hatte man auf facebook den Link zu einem erklärenden Artikel (siehehier) und folgendes Statement veröffentlicht:

„Am 1. Jänner 2014 wurde die ÖTV-Rangliste und die bisherige ITN-Liste zur neuen ‚bet-at-home.com-ITN-Austria’-Rangliste zusammengeführt. Es ist verständlich, dass SpielerInnen, deren ITN-Wert zu Beginn dieses Prozesses zurückgestuft wordenist, damit anfänglich nicht zufrieden sind. Die Vorteile der neuen ‚bet-at-home.com-ITN-Austria’-Rangliste werden sich aber schon bald herauskristallisieren. In Österreich befinden wir uns zu Beginn eines Prozesses, der von der ITF begrüßt wird. Auch deshalb ersucht der ÖTV höflich, persönliche Attacken gegen Mitglieder des ÖTV-Präsidiums in diversen Foren zu unterlassen.“

Der ÖTV hat inzwischen einen offenen Brief von Präsident Ronnie Leitgeb für Samstagabend angekündigt. Dieser soll mit einigen Missverständnissen aufräumen und einige entstandene Fehler einräumen und wird nach der Veröffentlichung des Verbands auch auf tennisnet.com publik gemacht werden.(Foto: GEPA pictures)

von tennisnet.com

Samstag
04.01.2014, 18:51 Uhr