Zverev profitiert von Schinderei vor Australian-Open-Start: „Bin bisher sehr entspannt gewesen"

Alexander Zverev überrascht weiter bei den Australian Open. Ohne große Hoffnungen angereist, steht er nun im Viertelfinale - und das ohne Satzverlust.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 27.01.2020, 16:58 Uhr

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Alexander Zverev
© Getty Images
Alexander Zverev

Drei Niederlagen und ungezählte Wutanfälle lagen beim ATP Cup hinter Alexander Zverev, da dachte der deutsche Spitzenspieler im fernen Australien schon an die Heimat. An seinen Wohnort Monaco, an die Zeit, die er dort womöglich sehr bald verbringen würde: „Ich hatte keine Erwartungen mehr, ich wusste, dass es einige viel bessere Tennisspieler gab. Und dass mich einer von denen auch schlagen kann.“ Zverev war das Sorgenkind des deutschen Tennis, er war die größte Enttäuschung auch international zu Saisonbeginn, und es gehörte schon einiges dazu, auf einen längeren Verbleib des 22-jährigen Hamburgers bei den Australian Open zu wetten.

Aber der Flug Richtung Europa kann und darf noch ein bisschen warten, wer weiß wie lange noch, denn Fakt ist dies: In vier Australian Open-Duellen war Zverev bisher bei diesem ersten Grand Slam der Serie 2020 plötzlich der stets klar bessere Spieler, selbst noch am Montagabend, als er den „Mann der Stunde“ im Wanderzirkus, seinen alten russischen Kumpel Andrey Rublev, grundsolide und hochkonzentriert mit 6:4, 6:4 und 6:4 in 96 Achtelfinal-Minuten ausschaltete. Zverev war damit einmal mehr der Verwandlungskünstler an seinem Arbeitsplatz, ein Mann mit Comeback- und Nehmerqualitäten, und so sehr er der meistkritisierte Akteur auf den ersten Metern der Saison war, so sehr war er nun der Überraschungsspieler bei den Ausscheidungswettkämpfen in Melbourne. 

Zverev nun gegen Stan Wawrinka

„Ich bin einfach nur glücklich, wie ich hier aufspiele. Gegen großartige Gegner, gegen schwere Gegner“, sagte Zverev. Leichter wird es natürlich nicht, jetzt, da er als erster Deutscher seit Tommy Haas 2007 in der Runde der letzten Acht steht – am Mittwoch bekommt es Zverev mit dem wiedererstarkten Schweizer Stan Wawrinka zu tun, der zuvor US Open-Finalist Daniil Medvedev in fünf auszehrenden Sätzen niedergerungen hatte. Wawrinka hatte 2014 den ersten seiner drei Grand Slam-Titel „down Under“ gewonnen.

Inzwischen ist Zverev auch der letzte Deutsche, der in Melbourne in den Einzelwettbewerben vertreten ist. Frontfrau Angelique Kerber schied am Montag nach einer Berg-und-Talfahrt mit 7:6 (7:5), 6:7 (4:7) und 2:6 gegen die Russin Anastasia Pavlyuchenkova aus und musste die Hoffnungen auf einen wirklich großen Melbourne-Coup begraben. Dennoch erschien der Turnierauftritt der Kielerin nicht als Enttäuschung, vor allem nach den Schwierigkeiten in der Turniervorbereitung – mit einer Oberschenkelverletzung, die zwischenzeitlich sogar ihren Melbourne-Start in Frage stellte.

Zverev demonstrierte derweil einmal mehr, wie schnell er zuweilen Krisen und Rükschläge wegstecken kann. Nach den vernichtenden Auftritten beim Nationenturnier in Brisbane, dem Zoff mit Vater Alexander, Schlägerzerstörungen und verweifelten Monologen wirkte der Deutsche in Melbourne wie eine runderneuerte Neuauflage seiner selbst. Zverev hatte sich extrem hartes, teil siebenstündiges tägliches Training vor Melbourne verordnet, auch um Defizite in der Saisonvorbereitung auszugleichen – und der Plan mit der späten Schinderei ging auf: In vier Matches bis zum Viertelfinal-Vorstoß geriet der 22-jährige nie in Gefahr, rasch fand er auch in seinem Aufschlag wieder eine Stütze, nicht etwa eine Bürde. 

Zverev bisher "sehr ruhig, sehr fokussiert"

Die Doppelfehler-Orgie beim ATP Cup war schlicht abgehakt, eine Episode aus der Vergangenheit, ohne Belang. Alle Australian Open-Gegner Zverevs hatten unter Zverevs Servicestärke zu leiden, auch Rublev, der sich keinen einzigen Breakball erarbeiten konnte. Mit seinem ersten Aufschlag punktete Zverev über weite Matchphasen zu 90 Prozent – nicht schlecht gegen einen Rivalen, der zuletzt elf Spiele hintereinander und schon zwei Turnier in 2020 gewonnen hatte. „Es war so, dass ich nach dem schlechten Beginn des Jahres das Gefühl hatte: Ich kann nichts mehr verlieren in Melbourne“, sagte Zverev, „ich bin bisher sehr entspannt in den Matches gewesen, sehr ruhig, sehr fokussiert.“

Überspringt Zverev auch noch die nächste Hürde in Person von Wawrinka, könnten am Freitag Matador Rafael Nadal oder Österreichs Ass Dominic Thiem im Halbfinale warten. Nadal meisterte in der bisher prickelndsten Turnierpartie die Herausforderung gegen Lokalmatador Nick Kyrgios, beim 6:3, 3:6, 7:6 (8:6), 7:6 (7:4)-Sieg erwies sich der Mallorquiner als Mann der Big Points in den beiden letzten Tiebreak-Krimis. Thiem, nun der Viertelfinal-Gegner Nadals, hatte beim 6:2, 6:4, 6:4 gegen Gael Monfils (Frankreich) keinerlei Mühe. Der Niederösterreicher und sein Supercoach Thomas Muster hatten übers Wochenende ihre gerade erst aufgenommene Zusammenarbeit schon wieder beendet.

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von Jörg Allmeroth

Montag
27.01.2020, 17:10 Uhr
zuletzt bearbeitet: 27.01.2020, 16:58 Uhr

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