Alexander Zverev teilt verbal aus - Die Welt des Weltmeisters in Unordnung

Alexander Zverevist auch in Rom früh gescheitert. Der Sieger des ATP-Final-Turniers 2018 in London hat derzeit auf und neben dem Court zu viele Baustellen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 15.05.2019, 14:12 Uhr

Alexander Zverev hat derzeit viele Baustellen zu bearbeiten
© Getty Images
Alexander Zverev hat derzeit viele Baustellen zu bearbeiten

Alexander Zverev hatte seine Mission als Einzelkämpfer in Rom noch gar nicht aufgenommen, da hatte er schon seinen gewinnendsten Moment überhaupt beim Masters-Spektakel im „Foro Italico.“ Zverev stand im Doppel mit seinem Bruder Mischa auf dem Court, als er einen Schmetterball unglücklich in die Zuschauerreihen wuchtete. Die verirrte Kugel traf ein kleines Mädchen an der Stirn, es gab Tränen, der Schock war größer als die Blessur selbst. Schnell kam Zverev herbeigeeilt, nicht ohne ein kleines Geschenk. Zverev band dem Kind eines seiner Stirnbänder um, zauberte der getrösteten Kleinen wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Einen Tag später hätte man Zverev wohl auch jemanden gewünscht, der ihm Trost spendet und ihn mit einer Nettigkeit aufmuntert. Aber in Rom herrschte ganz dicke Luft im Reisetrupp der Zverevs. Denn kaum hatte sich Zverev mit der nächsten Pleite, dem 5:7, 5:7 im Auftaktspiel der zweiten Runde gegen den Italiener Matteo Berrettini, in dieser verkorksten Sandplatzsaison von den Masters-Festspielen in der „Ewigen Stadt“ verabschiedet, ließ der deutsche Topspieler ordentlich Dampf ab – und zwar zur allgemeinen Überraschung gegen seine engsten Verbündeten: „Wenn wir bei einem Masters sind, müssen wir professionell sein. Mein ganzes Team. Alle um mich herum“, diktierte der 22-jährige dem Sky-Reporter Moritz Lang ins Mikrofon, „ich möchte mit ein paar Leuten reden, dass so etwas beim nächsten Mal nicht passiert.“ Rumms. Das saß. Umso mehr, da wenigstens die „Tennis-Familie“ bisher noch heile Welt für Zverev war, eine Zuflucht, wo doch ringsumher auf einmal Chaos und Unordnung regierten.

In Zverevs Kosmos passt nicht viel zusammen

Wen genau Zverev meinte, blieb unklar – so weit ging die Wahrheitsliebe („Ich sage immer, wie es ist“) des ATP-Weltmeisters denn doch nicht. Doch ganz gleich, ob sich nun die wirklich eigene Familie, also Vater, Mutter und Bruder, oder Assistenzkräfte wie Physiotherapeut Hugo Gravil oder Fitnesscoach Jez Green, angesprochen fühlen durften – Fakt ist: In Zverevs Kosmos passt gerade nicht mehr viel zusammen, eher gar nichts, wenn man Zverevs Aussagen hört. „Ich bin auf den Platz gegangen und war komplett tot“, gab der Hüne nach dem Berrettini-Aus zu Protokoll, „ich musste hier andere Dinge machen. So kannst du eigentlich nicht auf den Platz gehen.“ Es war eine Anspielung auf werbliche Termine, sonstige Verpflichtungen, die ihm anscheinend niemand vom Leib halten konnte.

Seit sich Zverev in einem Rechtsstreit mit dem langjährigen Manager Patricio Apey befindet, ist er ja quasi auch sein eigener Geschäftsbesorger. Jüngst beklagte er schon, er hänge „stundenlang“ am Telefon rum, müsse sich „um alles Mögliche“ kümmern. Ausgerechnet in der schwierigsten Saisonphase, der Sandplatzserie, in der er dickste Punktepolster behaupten muss, scheint Zverev so nie wirklich den Kopf freizubekommen für seine Tennis-Aufgaben. „Er müsste den Laden jetzt mal komplett neu aufstellen, mit Leuten von außen, die ihn gut beraten“, sagt ein Freund Zverevs.

Ivan Lendl fehlte auch in Rom

In Rom erreichte Zverevs Krise ihren Höhepunkt, weil sich der im letzten Herbst noch gefeierte Champion der ATP-Profis inzwischen auf nichts mehr verlassen kann. Und weil die ganze Sandplatzserie zuvor ja ohnehin schon eine Aneinanderreihung von Fehlschlägen und persönlichen Problemen war. Zverev hatte sich von seiner Freundin Olga getrennt, Vater Alexander war vorübergehend wegen gesundheitlicher Schwächen nicht im Reisetross, Berater Ivan Lendl fehlte auch, da er den europäischen Frühling wegen einer Pollenallergie meidet. Hinzu kam das Kulissentheater um und mit Manager Apey, ein erstaunlicher Vorgang, vermutete man doch, dass Zverev und der Chilene ein Herz und eine Seele wären. Weit gefehlt. Die Konsequenz des Ganzen: Zverev war über weite Strecken sein eigener Trainer, Berater und Manager. Was eine zu große Last und Bürde war.

Im letzten Jahr hatte Zverev gemeinsam mit Matador Rafael Nadal die Sandplatzsaison beherrscht. Bei nahezu jedem Turnier spielte er in der heißen Schlussphase mit, gewann die Titel in München und Madrid, stand im Endspiel in Rom und im Halbfinale von Monte Carlo. Nun blieb er nur ein unglücklicher Nebendarsteller, mit sich und der Welt im unreinen. „Erstmal fasse ich den Schläger ein paar Tage nicht an. Ich habe gerade keine Lust, Tennis zu spielen“, sagte Zverev nach dem Scheitern in Rom, fügte dann noch grimmig hinzu, mit Blick auf die Verhältnisse bei seiner Niederlage: „Bei Wind bin ich einer der schlechtesten Spieler, die es je in den Top Ten gab.“ Noch ein Turnier auf Sand muss Zverev überstehen, nichts weniger als die French Open. Auch dort hat er als Viertelfinalist 2018 viele Punkte zu verteidigen. Aber wird dort, in Paris, schlagartig alles anders und besser? „Ich habe meine Hoffnungen für die French Open“, sagt Zverev. Aber worin die genau bestehen, ließ er offen.

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von Jörg Allmeroth

Mittwoch
15.05.2019, 15:06 Uhr
zuletzt bearbeitet: 15.05.2019, 14:12 Uhr

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