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Angelique Kerber -Ein „unmenschlicher“ Sieg als Statement

Angelique Kerber hat bei ihrem Drei-Satz-Erfolg gegen Sara Sorribes Tormo in Wimbledon alte Kämpferqualitäten gezeigt. Für die deutsche Nummer eins ist vieles möglich.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 02.07.2021, 12:05 Uhr

Angelique Kerber hat in Runde zwei ihr riesiges Kämpferherz gezeigt
© Getty Images
Angelique Kerber hat in Runde zwei ihr riesiges Kämpferherz gezeigt

Seine Chefin erfüllte gerade fröhlich den Stafettenlauf bei Presse, Funk und Fernsehen, da fasste Angelique Kerbers ewiger Trainergefährte Torben Beltz das Geschehen dieses denkwürdigen Donnerstags noch einmal kurz und knapp zusammen: „Unmenschlich“ sei der Sieg da draußen auf Court 2 gewesen gegen die lange, lange Zeit unbeugsame Spanierin Sara Torribes Tormo, der 7:5, 5:7, 6:4-Marathonthriller bis zur absoluten Erschöpfung und zur grenzenlosen Freude. Die Einschätzung im Twitter-Kosmos, es sei „eines der besten Spiele“ in Kerbers Karriere gewesen, quittierte Beltz mit einer „Gefällt mir“-Unterschrift.

Oft wirkte Kerber in den Wirren der Corona-Pandemie niedergedrückt und deprimiert, irgendwie hatte sie sich selbst und ihre Kämpferinnen-Natur verloren. Doch seit dem Frühjahr, fast zeitgleich mit der neuen Aufbruchstimmung nach den buchstäblichen Wellen-Tälern, erscheint die 33-jährige Kielerin wieder von Mut, Courage und Leidenschaft erfüllt. „Ich spüre: Ich kann´s noch. Ich bin unglaublich froh und stolz, dass ich das geschafft habe“, sagte Kerber nach dem mitreißenden Drei-Satz-Drama der zweiten Runde, dem bisherigen Topmatch des ganzen Turniers. Gerade die Rasensaison und das Spiel auf den geliebten Grüns haben Kerbers Lebensgeister neu geweckt - die Partie gegen Sorribes Tormo wirkte wie eine Zeitreise der Deutschen zurück zu den Wimbledon-Jahren, in denen sie den Titelkampf an vorderster Stelle prägte und mitdiktierte. „Welch ein Match von beiden Spielerinnen. Welch ein Auftritt von Angie“, staunte die ehemalige Nummer eins-Spielerin Tracy Austin, „das war eine Ansage an die Konkurrenz.“

Kerber mit dem Schwung aus Bad Homburg

„Unfassbar“ nannte Kerbers Manager Aljoscha Thron den Auftritt der dreimaligen Grand-Slam-Königin, sie habe den Schwung des Bad Homburger Turniererfolgs perfekt mitgenommen. Tatsächlich knüpfte die wiedererstarkte DTB-Frontfrau nahtlos an die energiegeladenen, zupackenden Auftritte in der hessischen Kurstadt an, klaglos kämpfte sich Kerber durch die verrückten Höhen und Tiefen dieses herausragenden Wimbledon-Duells und steckte sogar einen vergebenen Matchball im zweiten Satz weg. 80 Minuten später, erneut gespickt mit grandiosem, nervenzerreißend spannenden Tennis, marschierte die 33-jährige dann über die Ziellinie. Nicht einmal Schmerzen im linken Handgelenk, verursacht durch einen Fehlgriff des Schlägers, konnten sie letztlich stoppen: „Nix Schlimmes. Das ist in der ganzen Aufregung so passiert.“ Zur Feier des Tages blieb sie nach getaner Arbeit sogar mal „fünf Minuten länger“ im sonst so ungeliebten Eisbad.

Kerbers Sieg, ihr neu gewonnenes Selbstvertrauen und Tennis-Lebensgefühl, hat auch mit dem Mann zu tun, der auf der Tribüne tausend kleine Tode starb – mit Übungsleiter Beltz. Zu ihm war Kerber im vergangenen Jahr zurückgekehrt, nachdem vorherige Allianzen mit Rainer Schüttler und Dieter Kindlmann nicht den gewünschten Ertrag gebracht hatten. Beltz, den Gute-Laune-Verbreiter, kennt Kerber schon seit Jugendjahren, immer wieder kehrte er als unverzichtbare Größe an ihre Seite zurück. In eine seiner Amtsperioden bei Kerber fiel auch die Saison 2016, die größte Saison überhaupt für Kerber – mit Siegen bei den Australian Open und den US Open und dem Sprung auf Platz 1 der Weltrangliste. Antreiber Beltz ist davon überzeugt, dass Kerber weiter mit den Besten der Szene mitspielen kann, erst recht an Schauplätzen, mit denen sie beste Erinnerungen verbindet. Und zu denen zählt zweifellos Wimbledon, das Theater der Tennisträume.

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Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte Kerber sich in der dritten Runde ihrer alten Rivalin Serena Williams stellen müssen, der Frau, gegen die sie 2018 im Wimbledon-Finale souverän gewonnen hatte. Williams allerdings ist verletzungsbedingt schon ausgeschieden, nun geht es für Kerber am Samstag gegen die Belarussin Aleksandra Sasnovich. „Ich muss dran bleiben, an mich glauben, das Spiel in die Hand nehmen“, sagt Kerber, „ich will noch ein bisschen länger bleiben.“ Und wie lange sie bleibt, entscheidet und bestimmt nach einer kleinen Ewigkeit nun wieder Kerber selbst – in weiter starker Verfassung kann es bis weit in die zweite Turnierwoche gehen, muss sich vor keiner Mitbewerberin verstecken. Wimbledon 2021 könnte noch eine wunderliche Sache werden – für und mit Kerber. Der alten, neuen Championspielerin.

Hier das Einzel-Tableau der Frauen

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Kerber Angelique

von Jörg Allmeroth

Freitag
02.07.2021, 13:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 02.07.2021, 12:05 Uhr

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