„Ein extremer Druck“

Anke Huber spricht im Interview mit Eurosport über das anstehende Fed-Cup-Habfinale und den deutschen Titelgewinn im Jahr 1992.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 17.04.2014, 22:23 Uhr

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Deutschland steht vor dem größten Erfolg im Fed Cup seit 1992. Höchste Zeit, mitAnke Huberzu sprechen. Die 39-Jährige war vor 22 Jahren dabei, als die DTB-Auswahl mit Steffi Graf an der Spitze den Titel gewann. Im Exklusiv-Interview mit eurosport.yahoo.de spricht Huber über große Zeiten, die Stärken des aktuellen Teams und ihre Fan-Liebe für gleich zwei Teams aus der Fußball-Bundesliga.

Frau Huber, klappt es am Wochenende mit dem ersten deutschen Einzug ins Fed-Cup-Finale seit 1992?

Anke Huber: Ich denke, dass die Mädels eine gute Chance haben. Die sind alle super drauf und daher sehe ich dem Halbfinale gegen Australien sehr positiv entgegen und würde sagen: Wir gewinnen!

Sie haben am 19. Juli 1992 zusammen mit Steffi Graf, Barbara Rittner und Sabine Hack den Fed-Cup-Titel geholt. Beim 2:1 im Finale gegen Spanien haben Sie das Auftakteinzel gegen Conchita Martinez gewonnen. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit?

Huber: Das sind natürlich sehr schöne Erinnerungen, zumal ich noch sehr jung war, gerade einmal 18 Jahre alt. Da nimmt man die Dinge noch ganz anders wahr als mit 20 oder 22 Jahren. Es war etwas ganz Besonderes, im Team diesen Titel zu holen. Ich bin mir sicher, dass dieses besondere Gefühl auch im Moment in der deutschen Mannschaft zu spüren ist. Das ist eben ein richtiges Team, in dem sich alle sehr gut verstehen. Bei uns war das schon ein wenig anders ...

Wie ist das denn zu verstehen?

Huber: Nun, wir Spielerinnen haben nicht ganz so viel miteinander unternommen. Steffi wirkte immer unnahbar, es war schwer, an sie heranzukommen. Sie hat ihr eigenes Ding gemacht, separat trainiert. Ich selbst war damals die Jüngste im Team, das war insgesamt eine ganz andere Situation. Heute sind die Mädels alle ungefähr im gleichen Alter undverstehen sich super. Das ist aber auch der Verdienst von TeamchefinBarbara Rittner, die es geschafft hat, eine starke Mannschaft zusammenzustellen.

Sie haben von 1990 bis 2001 im deutschen Fed-Cup-Team gespielt. Welchen Stellenwert hatte der Wettbewerb für Sie?

Huber: Für mich hatte der Fed Cup immer einen sehr hohen Stellenwert, denn es war einfach großartig, für Deutschland zu spielen. Gerade im Tennis, wo man sonst immer alleine unterwegs ist und für sich kämpft. Der Druck im Fed Cup ist auch ein ganz anderer. Du stehst auf dem Platz und schaust auf die Bank raus, wo die Kolleginnen sitzen und hoffen, dass du möglichst alles richtig machst und das Match gewinnst. Das kann ein extremer Druck sein, der dich gleichermaßen beflügeln oder lähmen kann. Insgesamt macht aber genau das dieses einzigartige Fed-Cup-Gefühl aus.

Wo ordnen Sie den Fed-Cup-Titel im Vergleich zu Ihrem Australian-Open-Finale von 1996 ein, das sie 4:6, 1:6 gegen Monica Seles verloren haben?

Huber: Schwer vergleichbar, denn beim Fed Cup 1992 war ich ja noch viel jünger. Dann kommt hinzu, dass der Titel in dem Moment aus sportlicher Sicht gar nicht so besonders war, denn Steffi hat damals einfach alles gewonnen. Beim Finale der Australien Open 1996 war ich dann schon 22 und konnte das Ganze bewusster wahrnehmen und realisieren.

Das deutsche Frauen-Tennis hat in den vergangenen Jahren eine ganze Riege an starken Spielerinnen hervorgebracht. Nun scheint sich das auch im Fed Cup auszuzahlen. Das Ziel kann doch nur der Titel sein, oder?

Huber: Ja, das Ziel ist ganz bestimmt der Titel, schließlich haben wir die besten Spielerinnen seit langer Zeit. Also warum sollte es nicht klappen in diesem Jahr? Zumal es auch in der Zukunft kaum einen besseren Moment geben wird, als das derzeit der Fall ist.

Obwohl Deutschland im Halbfinale auf die angeschlagene Sabine Lisicki verzichten muss, scheint das die Chancen nicht zu schmälern. Sehen Sie das genauso?

Huber: Ja, denn wir haben das derzeit stärkste Team vor Ort in Brisbane. Sabine ist momentan nicht in Topform und hat in den vergangenen Monaten nicht ihr bestes Tennis gespielt. Von daher bin ich mir sicher, dass Barbara Rittner das richtige Team für Australien nominiert hat.

FürAndrea Petkoviclief es zuletzt wieder gut, das zeigte jüngst der WTA-Titel von Charleston. Bleibt die Frage: Wie stabil ist die Weltranglisten-28. wirklich?

Huber: Das Turnier in Charleston hat ihr einen Ruck gegeben. Andrea hat gesehen, dass sie wieder oben mitspielen und Turniere gewinnen kann. Sie hat wieder die Fitness, fünf bis sechs Matches auf höchstem Niveau durchzuspielen - und das ist extrem wichtig. Bei den großen Turnieren konnte sie in der Vergangenheit meist nicht ihr bestes Tennis abrufen, hat sich da wahrscheinlich zu viel Druck gemacht. Ich denke, dass sich das nun ändern wird. Der Titel von Charleston war wichtig für die Zukunft, gerade auch im Hinblick auf die Grand-Slam-Turniere.

MitAngelique Kerberhat Deutschland eine Spielerin im Team, die sich in den Top 10 der Welt etabliert hat. Als Nummer eins im Team steht sie aber auch besonders unter Druck.

Huber: Richtig. Man hat in den Fed-Cup-Partien der Saison 2013 gesehen, dass ihr das Probleme bereitet hat und die Lockerheit fehlte. Inzwischen hat sich Angie aber daran gewöhnt und bewiesen, dass sie mit dem Druck umgehen kann. Sie ist cooler geworden und hat enge Matches, wie im Viertelfinale gegen die Slowakei, für sich entschieden.

Bei Julia Görges läuft es dagegen nicht rund. Nach zwei Titeln und drei Finals von 2010 bis 2012 ist die Karriere ins Stocken geraten. Ist sie das Sorgenkind im deutschen Team?

Huber: Den Begriff Sorgenkind würde ich nicht wählen, denn im Fed-Cup-Team wird sie die Leistung bringen, die wir brauchen. Julia spielt ja das Doppel und da hat sie zuletzt gute Leistungen gezeigt. Im Einzel würde ich sie derzeit allerdings nicht einsetzen. Denn in den vergangenen ein bis eineinhalb Jahren hat sie nicht die Leistung gebracht, die man von ihr erwarten darf. Ob sie es schafft, zurückzukommen, ist für mich schwer zu beurteilen. Aber Julia ist eine klasse Spielerin und muss nun den Fokus darauf legen, zurückzufinden.

Sie selbst haben ebenfalls ein wichtiges Turnier vor sich. In der kommenden Woche sind Sie als sportliche Leiterin des WTA-Turniers in Stuttgart gefordert. Gibt es bei diesem Job noch Dinge, die Sie nervös machen?

Huber: Tja, was macht mich nervös? (lacht) Nervosität kommt auf, wenn mir Spielerinnen absagen. Wenn zum Beispiel Maria Sharapova nicht antreten könnte oder kurzfristig zum Arzt müsste, dann wäre das so ein Fall. Heikel wird es auch, wenn ich ein wichtiges TV-Match angesetzt habe und die betreffende Spielerin dann nicht fit ist und nicht spielen kann. Ansonsten ist der Job aber auch mit viel Routine verbunden.

Sie haben es auch in diesem Jahr geschafft, ein Topfeld nach Stuttgart zu locken. Neben den deutschen Assen schlagen unter anderem Sharapova, Agnieszka Radwanska oder Petra Kvitova auf. Wie anstrengend ist es, Stars zu engagieren?

Huber: Wir sind zum Glück in der komfortablen Situation, dass die Spielerinnen sehr gerne zu uns kommen. Unser Turnier liegt zeitlich sehr gut und bietet ideale Möglichkeiten, sich auf die French Open vorzubereiten. Dennoch gilt: Wir müssen dranbleiben, immer wieder das Gespräch mit den Spielerinnen suchen und dann vor Ort dafür sorgen, dass sich alle wohlfühlen bei uns.

Privat dreht sich bei Ihnen aber auch vieles um Fußball, Ihr Lebensgefährte Roger Wittmann arbeitet als Spielerberater. Für welches Team schlägt Ihr Herz und in welchem Stadion trifft man Sie am häufigsten?

Huber: Am häufigsten in Hoffenheim! Das liegt natürlich an der geografischen Nähe zu meiner Heimat, aber auch mein Herz schlägt inzwischen für die TSG - und für Schalke.

Interessante Konstellation.

Huber (lacht): Ja, zweimal Blau-Weiß, das passt doch.

Frau Huber, ich bedanke mich für das Gespräch.

(Interview:Eurosport/Tobias Laure)

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