ATP Finals London: Die veränderte Welt Alexander Zverev

Alexander Zverev ist beeindruckend in die Mission Titelverteidigung bei den ATP Finals gestartet. Ein Grund dafür ist auch die neue Ausrichtung abseits des Tenniscourts.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 12.11.2019, 10:47 Uhr

Im Leben von Alexander Zverev ist Ruhe eingekehrt
© Getty Images
Im Leben von Alexander Zverev ist Ruhe eingekehrt

An jenem Tag vor gut vier Monaten war Alexander Zverev auch in London unterwegs, bei einem großen Tennis-Einsatz. Es war allerdings ein Tag, der zu den düstersten in seiner Karriere gehörte, draußen in Wimbledon, im Südwesten der Kapitale. Zverev hatte sein Erstrundenmatch beim Saisonhöhepunkt des Wanderzirkus gegen den unscheinbaren Tschechen Jiri Vesely verloren, und anschließend machte der 22-jährige kein Hehl daraus, dass seine Welt in Trümmern liege. „Harte Tage“ lägen hinter ihm im Rechtsstreit mit seinem Ex-Manager Patricio Apey, der Chilene mache ihm das Leben „so schwer wie möglich“, so Zverev, „das ist abartig. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Zwei Wochen später folgte noch ein weiterer Nackenschlag, eine Spätfolge von Wimbledon gewissermaßen, da kündigte Ivan Lendl dem jungen Deutschen seinen Dienst auf. Eine weithin verkorkste Saison, alleingelassen vom Supercoach, Drama auf und neben dem Centre Court – vom Glanz des WM-Titels der Serie 2018 war in jener kalten Sommerzeit nicht viel geblieben.

Inzwischen hat sich Zverevs Welt schon wieder radikal verändert. Man kann es noch nicht immer unbedingt an den Ergebnissen spüren und festmachen, schließlich rumpelte und ruckelte der Weltmeister eher weiter durch seine Engagements auf der Tennistour, auch noch einmal im Herbst. Die größte Umwälzung vollzog sich aber eher buchstäblich lautlos, denn es ist wieder sehr viel ruhiger geworden rund um Zverev, es gibt keine Trainerdebatten mehr, kein Theater um Verträge und Millionenabfindungen. Und vielleicht ist es auch diese Geräuschlosigkeit im berühmt-berüchtigten Umfeld, die Zverev bei einer Mission beflügelt, die bei ihm schon seit langem die meiste Aufmerksamkeit einnimmt: Der Auftritt bei den World Tour-Finals in London, bei der inoffiziellen WM – dort, wo er seinen Überraschungstitel verteidigen kann. 

Nadal ohne Chance

Und, vor allem, verteidigen will: Wie sehr Zverev sich um eine Wiederholung des 2018er-Coups bemüht, wie sehr er auch einen versöhnlichen Schlussmoment dieser komplexen Saison herbeiführen will, bekam als Erster ausgerechnet der Erste der Weltrangliste zu spüren. Rafael Nadal, der spanische Matador, hatte jedenfalls am Dienstagabend nicht den Hauch einer Chance gegen die jähe Brillanz Zverevs – der Hamburger spielte beim 6:2, 6:4-Sieg in Offensive und Defensive makellos, ließ als starker Aufschläger keinen einzigen Beakball zu. Jener Zverev, der in den unruhigen Zeiten im Sommner noch in einigen Matches bis zu 20 Doppelfehler fabriziert hatte. „Großartig“ nannte Zverev nun seine Leistung, „da stimmte fast alles.“ Er machte auch den Eindruck eines Mannes, der über nichts anderes als sein Tennis nachdenken muss – fokussiert auf das Eigentliche, auf Wege und Strategien, sein Gegenüber zu bezwingen. 

Zverevs Auftreten in der Öffentlichkeit wird neuerdings von seiner neuen Management-Agentur Team8 mitbestimmt, und zwar In jeder Beziehung. Team8 ist jenes Unternehmen, das Roger Federer und sein Agent Tony Godsick gegründet haben, die 8 im Firmennamen spielt auf die Lieblingszahl Acht von Federer an, dem am 8. August geborenen Maestro. Zverev ist in der neuen Liasion einerseits präsenter in der großen, weiten Medienwelt, er hat mittlerweile auch Konten bei Twitter und Facebook. Zugleich wirkt alles an der Außendarstellung geschliffener, professioneller, auch wenig kontroverser. Zverev taugt zwar auch jetzt noch nicht zum „Younger Statesman“, das wäre auch eine grundfalsche Position für einen wie ihn. Aber Zverev wirkt zuweilen schon ein bisschen „Federeresk“, mit eher polierten Wortmeldungen oder bunt-fröhlichen Aktionen in den sozialen Medien. Zufall ist das nicht, sondern klare Strategie von Godsick, dem Geschäftsbesorger von Großmeister Federer und jetzt auch Zverev.

Federer und Zverev bleiben Konkurrenten

Federer und Zverev sind natürlich noch Konkurrenten in der Tennis-Arena, immer mal wieder begegnen sie sich auf kleineren oder prominenteren Bühnen. Aber Team8 schafft nun auch immer wieder Situationen, in denen Zverev auf Kolleteralgewinn hoffen kann, als Juniorpartner von Federer. Etwa beim Laver Cup, wenn Federer eine Art Nebentrainer für Zverev gibt und diesen zum entscheidenden Siegpunkt im Duell mit dem „Rest der Welt“ anpeitscht. Oder, mehr noch, bei bevorstehenden Schaukämpfen von Federer und Zverev in Südamerika und China. Zverev beendet seine Saison demnächst mit Federer, und er beginnt seine Saison auch wieder mit Federer, Ende Dezember in Guanghzou. Für alle Beteiligten im Unternehmen Team8 ist es eine Win-Win-Situation, am meisten allerdings für Zverev, der schon bald der wichtigste Klient sein dürfte. Nämlich dann, wenn Roger Federer in den wohlverdienten Ruhestand getreten ist. 

Ob Zverev sogar als alter und neuer Weltmeister in die Südamerika-Tournee und danach in die kurze Saisonpause gehen kann? In seiner Vorrundengruppe könnte er schon mit einem weiteren Sieg gegen den Griechen Tsitsipas am Mittwoch den Grundstein für den Halbfinaleinzug legen – es wäre ein beachtlicher Erfolg nach den Turbulenzen der letzten Monate. Aber auch, in Zverevs Einschätzung, nur ein Zwischenziel: „Wenn ich mein bestes Tennis spiele, wird es für jeden schwer gegen mich.“ 

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Dienstag
12.11.2019, 11:49 Uhr
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