ATP Finals: Marcos Baghdatis - „Roger Federer ist von einem anderen Planeten“

Marcos Baghdatis ist für das griechische TV als Experte bei den ATP Finals in London. Im Interview mit tennisnet spricht der Finalist der Australian Open 2006 über seinen Abschied von der Tour, die Stärken von Stefanos Tsitsipas und Dominic Thiem - und über Roger Federer.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 13.11.2019, 08:30 Uhr

Marcos Baghdatis hat 2019 in Wimbledon seine Karriere beendet
© Getty Images
Marcos Baghdatis hat 2019 in Wimbledon seine Karriere beendet

tennisnet: Herr Baghdatis. Sie haben in diesem Jahr Ihre aktive Karriere als Tennisprofi beendet. Was vermissen Sie am meisten?-

Marcos Baghdatis: Ganz sicher nicht die viele Arbeit. Nicht das Training. Dazu hatte ich in den letzten Jahren viele Probleme mit Verletzungen, mit der Hüfte etwa. Das hat keinen Spaß gemacht, manchmal habe ich mich richtig deprimiert gefühlt, weil ich nicht so auftreten konnte, wie ich wollte. Aber ich habe gekämpft. Und bin dankbar dafür, dass ich meine Karriere bei einem der besten Turniere, in Wimbledon, beenden konnte. Ich vermisse das Publikum, die Fans, die Atmosphäre in einem Tennisstadion. Dass ich mit Fans reden kann, mit ihnen kommunizieren.

tennisnet: Mit Ihrem Finaleinzug bei den Australian Open 2006 haben Sie plötzlich eine große Anhängerschaft gehabt. Hat dies wirklich erst in diesem Jahr begonnen?

Baghdatis: Ich habe auch 2005 ein gutes Jahr gespielt, in Melbourne die vierte Runde erreicht. Aber weltweit kam die große Aufmerksamkeit erst nach 2006. Von diesem Finale an sind mir einfach Tag für Tag mehr Menschen gefolgt. Und auch dem Tennissport. Ich erinnere mich, dass sogar Schulen geschlossen hatten, damit man meine Matches ansehen konnte.

tennisnet: was ist davon geblieben?

Baghdatis: Ich bin gerade nach Zypern gezogen. Viele Leute, die jetzt 25, 26 Jahre alt sind, vielleicht auch ein wenig jünger, erzählen mir, dass sie damals wegen mir eine großartige Zeit hatten, weil sie wegen mir nicht zur Schule gegangen sind. Die Schulen hatten große Leinwände, auf denen sie meine Matches gezeigt haben. Es ist wirklich sehr speziell für mich, diese Liebe von den Menschen zu spüren.

Apostolos Tsitsipas ist ein Philosoph

tennisnet: Natürlich liegt Ihr Hauptaugenmerk hier auf Stefanos Tsitsipas. Welchen Stellenwert hat er im Moment in Griechenland?

Baghdatis: Natürlich sind Basketball und Fußball nach wie vor sehr stark. Aber ich glaube, Stefanos hat die Sportlandschaft in Griechenland verändert. Und auch Maria Sakkari, die eine großartige Persönlichkeit für unseren Sport hat. Es ist eine große Sache für die griechische Gemeinde weltweit. Die Erfolge lassen Kinder daran glauben, dass sie ihre Träume verwirklichen können. Ich glaube, dass Stefanos und Maria vielen Menschen einfach viel Hoffnung geben.

tennisnet: Wo sehen Sie Stefanos Tsitsipas im Moment? Welche Stärken hat er?

Baghdatis: Seine größte Stärke ist die Selbstdisziplin, die er seit einem sehr jungen Alter hat. Da ist er ganz nah bei Djokovic und Rafa dabei. Das ist die schwierigste Sache in unserem Sport: die Selbstdisziplin. Ich sage nicht, dass andere Leute diese nicht haben. Aber Nadal und Djokovic sind in dieser Hinsicht extrem. Und ich glaube, Stefanos ist da ganz nah dran. Er hat darüber hinaus ein wirklich schönes Spiel, eine unglaubliche Vorhand. Er ist sehr athletisch und kann auch aggressiv am Netz spielen. Seine Rückhand ist sehr gut, aber er nutzt sie aus meiner Sicht noch nicht genug.

tennisnet: Und die Schwächen?

Baghdatis: das ist für mich der Return. Manchmal verliert er Matches, weil er keinen Weg findet, ordentlich zu retournieren. Viele Leute sagen, und ich dachte das auch, dass sein Aufschlag eine Schwäche wäre. Aber er gewinnt viele wichtige Punkte mit seinem Aufschlag. Aber natürlich muss er sich in allen Aspekten verbessern.

tennisnet: Wie bewerten Sie die Beziehung mit Vater Apostolos? Stefanos hat in Paris gemeint, sein Vater rede zu viel …

Baghdatis: Stefanos´ Vater ist die wichtigste Person für ihn. Aber auch sein Mutter, die in der Sowjetunion eine sehr gute Spielerin war, hat eine Rolle. Sie haben seine Mentalität ausgebildet, seinen Körper darauf ausgericht auf das, was er heutzutage braucht. Ja, sein Vater redet sehr viel. Er ist ein großer Philosoph. Aber die Dinge, die er sagt, sind sehr, sehr logisch. Ich glaube, dass Apostolos großartig ist. Was Patrick Mouratoglou genau macht, das weiß ich nicht. Aber sie sollten nichts ändern, weil alles gut funktioniert.

Marcos Baghdathis - „Für mich ist Dominic Thiem die nächste Nummer eins“

tennisnet: 2006 in Melbourne haben Sie gegen Roger Federer im Finale verloren. Federer ist immer noch hier, hat jetzt gegen Berrettini gewonnen. Wie erklären Sie sich das?

Baghdatis: Roger ist vielleicht nicht mehr ganz so konstant, aufgrund all der Dinge die um ihn herum passieren. Aber das ist ganz normal. Für mich ist er von einem anderen Planeten. Er verbessert sich jedes Jahr, er trifft nur die richtigen Entscheidungen. Und das kann nicht jeder machen. Er ist immer den richtigen Weg gegangen. Natürlich braucht man manchmal auch Glück. Aber von mir bekommt er nur den größten Respekt.

tennisnet: Dominic Thiem hat Federer hier allerdings geschlagen. Wie beurteilen Sie seine Entwicklung?

Baghdatis: Ich habe es schon in vielen Interviews gesagt: Dominic hat sich in diesem Jahr auf Hartplatz unheimlich verbessert. In der Vergangenheit konnte er auf diesem Belag nie so richtig den Durchbruch schaffen. Er ist nach Südamerika gegangen, hat dort auf Sand gespielt und gewonnen, auf schnelleren Belägen aber kleinen Probleme gehabt. Er hat seine Beinarbeit auf Hartplatz enorm gesteigert. Er hat davor zu viele Schritte gebraucht, um zum Ball zu kommen. Jetzt ist er viel flüssiger in seinen Bewegungen. Und aggressiver. Und das gefällt mir, weil er ein unglaublicher Spieler ist. Und dass er jetzt die Bälle ein wenig weiter im Platz schlagen kann, macht einen riesigen Unterschied. Er drei Turniere auf Hartplatz gewonnen, hat hier so schnell gespielt - für mich ist er die nächste Nummer eins.

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von Jens Huiber

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13.11.2019, 09:30 Uhr
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